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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
terlegte Folie meist vergoldet waren, einen viel wirkungsvolleren
Glanz. Auf Formenbildung kam es dabei nicht an, man hatte
kein Gefühl dafür, und sie artete daher, mit der feinen Technik
zugleich, alsbald in außerordentliche Roheit aus. Das Erträg-
lichste in dieser Zeit sind der Antike entlehnte Motive. Wo es
möglich war, wie in der bürgerlichen und kirchlichen Baukunst,
da raffte man die Werkstücke selbst aus allen Gegenden zusam-
men, wo nur die antike Kunst ihre Spuren gelassen hatte, und
setzte sie aufs willkürlichste wieder zusammen. So finden sich an
einem und demselben Gebäude alle Stile vertreten, und die ein-
zelnen Theile, Säulenschäfte, Capitäle, Basen, Friesstücke u. s. w.
aus wer weiß wie vielen Stätten alter Kunst bunt vereinigt und
nothdürftig zusammengefügt. Gar mancher alter Tempel mag
niedergerissen, manche Halle und mancher Marktplatz von seinen
Statuen und Reliefs geplündert sein, bis die Prachtbauten von
Ingelheim, Aachen und Nimwegen vollendet waren. Aber
auf Großartigkeit und äußeren Glanz war es in eminentester
Weise abgesehen, die Kosten nicht gescheut, und Marmor und
Erz und Silber und Gold in Massen verschwendet und alles mit
äußerm Schmuck bedeckt. Die Willkür in der Zusammensetzung
und die Schätzung des bloß äußeren Werthes zeigen sich am klar-
sten an Kirchengeräthen, von denen manche noch heute erhalten
sind. So wurden Bruchstücke antiker Vasen zu Kelchen benutzt.
Mit antiken Gemmen, auf denen Venus, die Grazien, selbst in-
decente Gegenstände, Priapen und dergleichen eingeschnitten wa-
ren, verzierte man, ohne im Geringsten an den Gegenständen
Anstoß zu nehmen, Reliquienkasten, Hostienbehälter, Abendmahls-
kelche und anderes kirchliches Geräth. Den hohen Werth der ge-
schnittenen Steine hatte man traditionell übernommen; worin er
bestand, dafür hatte man kein Gefühl. -- Crucifixe, Madonnen
und andere Heiligenbilder waren trotz der schönsten, überall noch
vorhandenen antiken Muster, die man nur nachzuahmen brauchte,
dennoch von der unbeholfensten Arbeit, steif und ungelenk in Hal-
tung und Bewegung, von der abscheulichsten Häßlichkeit, aber in
Elfenbein geschnitten oder in edlem Metall gegossen, mit Edel-

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
terlegte Folie meiſt vergoldet waren, einen viel wirkungsvolleren
Glanz. Auf Formenbildung kam es dabei nicht an, man hatte
kein Gefühl dafür, und ſie artete daher, mit der feinen Technik
zugleich, alsbald in außerordentliche Roheit aus. Das Erträg-
lichſte in dieſer Zeit ſind der Antike entlehnte Motive. Wo es
möglich war, wie in der bürgerlichen und kirchlichen Baukunſt,
da raffte man die Werkſtücke ſelbſt aus allen Gegenden zuſam-
men, wo nur die antike Kunſt ihre Spuren gelaſſen hatte, und
ſetzte ſie aufs willkürlichſte wieder zuſammen. So finden ſich an
einem und demſelben Gebäude alle Stile vertreten, und die ein-
zelnen Theile, Säulenſchäfte, Capitäle, Baſen, Friesſtücke u. ſ. w.
aus wer weiß wie vielen Stätten alter Kunſt bunt vereinigt und
nothdürftig zuſammengefügt. Gar mancher alter Tempel mag
niedergeriſſen, manche Halle und mancher Marktplatz von ſeinen
Statuen und Reliefs geplündert ſein, bis die Prachtbauten von
Ingelheim, Aachen und Nimwegen vollendet waren. Aber
auf Großartigkeit und äußeren Glanz war es in eminenteſter
Weiſe abgeſehen, die Koſten nicht geſcheut, und Marmor und
Erz und Silber und Gold in Maſſen verſchwendet und alles mit
äußerm Schmuck bedeckt. Die Willkür in der Zuſammenſetzung
und die Schätzung des bloß äußeren Werthes zeigen ſich am klar-
ſten an Kirchengeräthen, von denen manche noch heute erhalten
ſind. So wurden Bruchſtücke antiker Vaſen zu Kelchen benutzt.
Mit antiken Gemmen, auf denen Venus, die Grazien, ſelbſt in-
decente Gegenſtände, Priapen und dergleichen eingeſchnitten wa-
ren, verzierte man, ohne im Geringſten an den Gegenſtänden
Anſtoß zu nehmen, Reliquienkaſten, Hoſtienbehälter, Abendmahls-
kelche und anderes kirchliches Geräth. Den hohen Werth der ge-
ſchnittenen Steine hatte man traditionell übernommen; worin er
beſtand, dafür hatte man kein Gefühl. — Crucifixe, Madonnen
und andere Heiligenbilder waren trotz der ſchönſten, überall noch
vorhandenen antiken Muſter, die man nur nachzuahmen brauchte,
dennoch von der unbeholfenſten Arbeit, ſteif und ungelenk in Hal-
tung und Bewegung, von der abſcheulichſten Häßlichkeit, aber in
Elfenbein geſchnitten oder in edlem Metall gegoſſen, mit Edel-

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[46/0064] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. terlegte Folie meiſt vergoldet waren, einen viel wirkungsvolleren Glanz. Auf Formenbildung kam es dabei nicht an, man hatte kein Gefühl dafür, und ſie artete daher, mit der feinen Technik zugleich, alsbald in außerordentliche Roheit aus. Das Erträg- lichſte in dieſer Zeit ſind der Antike entlehnte Motive. Wo es möglich war, wie in der bürgerlichen und kirchlichen Baukunſt, da raffte man die Werkſtücke ſelbſt aus allen Gegenden zuſam- men, wo nur die antike Kunſt ihre Spuren gelaſſen hatte, und ſetzte ſie aufs willkürlichſte wieder zuſammen. So finden ſich an einem und demſelben Gebäude alle Stile vertreten, und die ein- zelnen Theile, Säulenſchäfte, Capitäle, Baſen, Friesſtücke u. ſ. w. aus wer weiß wie vielen Stätten alter Kunſt bunt vereinigt und nothdürftig zuſammengefügt. Gar mancher alter Tempel mag niedergeriſſen, manche Halle und mancher Marktplatz von ſeinen Statuen und Reliefs geplündert ſein, bis die Prachtbauten von Ingelheim, Aachen und Nimwegen vollendet waren. Aber auf Großartigkeit und äußeren Glanz war es in eminenteſter Weiſe abgeſehen, die Koſten nicht geſcheut, und Marmor und Erz und Silber und Gold in Maſſen verſchwendet und alles mit äußerm Schmuck bedeckt. Die Willkür in der Zuſammenſetzung und die Schätzung des bloß äußeren Werthes zeigen ſich am klar- ſten an Kirchengeräthen, von denen manche noch heute erhalten ſind. So wurden Bruchſtücke antiker Vaſen zu Kelchen benutzt. Mit antiken Gemmen, auf denen Venus, die Grazien, ſelbſt in- decente Gegenſtände, Priapen und dergleichen eingeſchnitten wa- ren, verzierte man, ohne im Geringſten an den Gegenſtänden Anſtoß zu nehmen, Reliquienkaſten, Hoſtienbehälter, Abendmahls- kelche und anderes kirchliches Geräth. Den hohen Werth der ge- ſchnittenen Steine hatte man traditionell übernommen; worin er beſtand, dafür hatte man kein Gefühl. — Crucifixe, Madonnen und andere Heiligenbilder waren trotz der ſchönſten, überall noch vorhandenen antiken Muſter, die man nur nachzuahmen brauchte, dennoch von der unbeholfenſten Arbeit, ſteif und ungelenk in Hal- tung und Bewegung, von der abſcheulichſten Häßlichkeit, aber in Elfenbein geſchnitten oder in edlem Metall gegoſſen, mit Edel-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/64>, abgerufen am 27.11.2024.