Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Schwankungen zwischen den nationalen und antiken Elementen. völlig willkürlicher Weise ohne Ordnung und ohne Schönheitausfüllte. Antike Elemente des Ornaments, wie elegante Profi- lirungen, zierliche Palmetten, stilisirtes Laubwerk, Perlstäbe, zei- gen sich im Ganzen mehr an Gefäßen und Geräthen als am Schmuck. Mäandrische Motive, Vernestelungen und Verschlin- gungen stellen sich namentlich gegen den Ausgang dieser Periode ein; und indem dann Gesetz und Ordnung in sie einkehrt, bilden sie die erste und anfängliche Grundlage für das Ornament roma- nischen Stils. Auch Thier- und Menschengestalten dringen bele- bend in das Einerlei der Lineamente ein, in meist phantastischer Weise, als die ersten Andeutungen des später so allgemein ver- breiteten Geschmacks; Habicht und Drache herrschen noch vor als dem Norden besonders eigenthümlich. Christliches dagegen, wie das Kreuz, der Fisch, die Taube, zeigt sich im Schmuck sehr ver- einzelt und erst spät. -- In Bezug auf den Stoff verliert das Erz nicht bloß seine Alleinherrschaft, sondern es wird auch im Lauf dieser Jahrhunderte vor dem alles besiegenden Einfluß des Geldes auf seinen wahren Werth herabgedrückt, und dient als Schmuck nur noch der Dürftigkeit. Wie wir in den schriftlichen Denkmälern nur edle Metalle erwähnt finden und daneben den Besatz von Edelsteinen, so zeigen auch die Gräber im Vergleich zur vorigen Periode weit reicheren Goldschmuck entweder in gediege- ner Gestalt oder von vergoldetem unedleren Metall, verziert mit Edelsteinen oder mit farbigen Glasflüssen. Das Gold herrscht in der Weise vor, daß man um der Gier willen zu dem rothglühen- den Golde, die das graue, bleiche Silber verschmäht, das ganze Zeitalter das goldene nennen könnte, im Gegensatz zu der Zeit des Heidenthums, der "ehernen," da noch das Erz, die Bronce, die Stelle der edlen Metalle sowohl wie des Eisens vertrat. Auch in der äußern Form der Schmucksachen verschwindet Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 4
2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen. völlig willkürlicher Weiſe ohne Ordnung und ohne Schönheitausfüllte. Antike Elemente des Ornaments, wie elegante Profi- lirungen, zierliche Palmetten, ſtiliſirtes Laubwerk, Perlſtäbe, zei- gen ſich im Ganzen mehr an Gefäßen und Geräthen als am Schmuck. Mäandriſche Motive, Verneſtelungen und Verſchlin- gungen ſtellen ſich namentlich gegen den Ausgang dieſer Periode ein; und indem dann Geſetz und Ordnung in ſie einkehrt, bilden ſie die erſte und anfängliche Grundlage für das Ornament roma- niſchen Stils. Auch Thier- und Menſchengeſtalten dringen bele- bend in das Einerlei der Lineamente ein, in meiſt phantaſtiſcher Weiſe, als die erſten Andeutungen des ſpäter ſo allgemein ver- breiteten Geſchmacks; Habicht und Drache herrſchen noch vor als dem Norden beſonders eigenthümlich. Chriſtliches dagegen, wie das Kreuz, der Fiſch, die Taube, zeigt ſich im Schmuck ſehr ver- einzelt und erſt ſpät. — In Bezug auf den Stoff verliert das Erz nicht bloß ſeine Alleinherrſchaft, ſondern es wird auch im Lauf dieſer Jahrhunderte vor dem alles beſiegenden Einfluß des Geldes auf ſeinen wahren Werth herabgedrückt, und dient als Schmuck nur noch der Dürftigkeit. Wie wir in den ſchriftlichen Denkmälern nur edle Metalle erwähnt finden und daneben den Beſatz von Edelſteinen, ſo zeigen auch die Gräber im Vergleich zur vorigen Periode weit reicheren Goldſchmuck entweder in gediege- ner Geſtalt oder von vergoldetem unedleren Metall, verziert mit Edelſteinen oder mit farbigen Glasflüſſen. Das Gold herrſcht in der Weiſe vor, daß man um der Gier willen zu dem rothglühen- den Golde, die das graue, bleiche Silber verſchmäht, das ganze Zeitalter das goldene nennen könnte, im Gegenſatz zu der Zeit des Heidenthums, der „ehernen,“ da noch das Erz, die Bronce, die Stelle der edlen Metalle ſowohl wie des Eiſens vertrat. Auch in der äußern Form der Schmuckſachen verſchwindet Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 4
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2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.
völlig willkürlicher Weiſe ohne Ordnung und ohne Schönheit
ausfüllte. Antike Elemente des Ornaments, wie elegante Profi-
lirungen, zierliche Palmetten, ſtiliſirtes Laubwerk, Perlſtäbe, zei-
gen ſich im Ganzen mehr an Gefäßen und Geräthen als am
Schmuck. Mäandriſche Motive, Verneſtelungen und Verſchlin-
gungen ſtellen ſich namentlich gegen den Ausgang dieſer Periode
ein; und indem dann Geſetz und Ordnung in ſie einkehrt, bilden
ſie die erſte und anfängliche Grundlage für das Ornament roma-
niſchen Stils. Auch Thier- und Menſchengeſtalten dringen bele-
bend in das Einerlei der Lineamente ein, in meiſt phantaſtiſcher
Weiſe, als die erſten Andeutungen des ſpäter ſo allgemein ver-
breiteten Geſchmacks; Habicht und Drache herrſchen noch vor als
dem Norden beſonders eigenthümlich. Chriſtliches dagegen, wie
das Kreuz, der Fiſch, die Taube, zeigt ſich im Schmuck ſehr ver-
einzelt und erſt ſpät. — In Bezug auf den Stoff verliert das
Erz nicht bloß ſeine Alleinherrſchaft, ſondern es wird auch im
Lauf dieſer Jahrhunderte vor dem alles beſiegenden Einfluß des
Geldes auf ſeinen wahren Werth herabgedrückt, und dient als
Schmuck nur noch der Dürftigkeit. Wie wir in den ſchriftlichen
Denkmälern nur edle Metalle erwähnt finden und daneben den
Beſatz von Edelſteinen, ſo zeigen auch die Gräber im Vergleich zur
vorigen Periode weit reicheren Goldſchmuck entweder in gediege-
ner Geſtalt oder von vergoldetem unedleren Metall, verziert mit
Edelſteinen oder mit farbigen Glasflüſſen. Das Gold herrſcht in
der Weiſe vor, daß man um der Gier willen zu dem rothglühen-
den Golde, die das graue, bleiche Silber verſchmäht, das ganze
Zeitalter das goldene nennen könnte, im Gegenſatz zu der Zeit
des Heidenthums, der „ehernen,“ da noch das Erz, die Bronce,
die Stelle der edlen Metalle ſowohl wie des Eiſens vertrat.
Auch in der äußern Form der Schmuckſachen verſchwindet
die Spirale, oder erſcheint nur noch in veränderter Behandlung
als Ring für Arm und Finger. Statt deſſen werden die Nadeln,
die Bruſtſpangen, die Armringe, der Hals- und Haarſchmuck mit
dicken, plumpen Knöpfen beſetzt. Für die Bruſtſpangen dieſer
Zeit bildet die alte Bogenform die Grundlage, doch ſtatt des zier-
Falke, Trachten- und Modenwelt. I. 4
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