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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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3. Die Verschmelzung der verschiedenartigen Elemente.
genden fränkischen Rock getragen habe, wahrscheinlich als Hul-
digung gegen den Stamm, bei welchem bis jetzt die Herrschaft ge-
wesen war, und von dem sie nun auf die Sachsen überging. Die
Sachsen aber, wie schon oben erwähnt, unterschieden sich in ihrer
nationalen Tracht dadurch von den Franken und andern deutschen
Völkerschaften, daß ihr Rock, wenn auch ebenso kurz, doch weiter
war, ihr Mantel aber länger als der fränkische.

In einem andern Sinne stellt Liutprand, welcher zur Zeit
Ottos des Großen Bischof von Cremona war und für denselben
eine Gesandtschaftsreise nach Constantinopel machte, die weite
und weibische Kleidung der Griechen, die er aus eigener Anschau-
ung hatte kennen lernen, der fränkischen gegenüber. Dieser Ge-
gensatz paßt völlig zu der Tracht, wie sie uns in dem Stuttgarter
Psalterium entgegen tritt. Während vor der Trennung des gro-
ßen römischen Reichs Griechen und Römer gleich gekleidet gingen,
waren jene seitdem von der gemeinsamen Tracht völlig im Ge-
schmack der Orientalen abgewichen. Und so konnte Liutprand in
seinem Gesandtschaftsbericht sagen: "Der Beherrscher der Griechen
trägt langes Haar, Schleppkleider, weite Aermel und eine Wei-
berhaube" -- wir haben sie schon bei Karl dem Kahlen kennen
lernen -- "dagegen trägt der König der Franken schön gekürztes
Haar, eine Kleidung, die von der Weibertracht ganz verschieden
ist, und einen Hut." Wir bemerken hier die Veränderung im Ge-
schmack, wonach dem langen Lockenhaar der Urzeit gegenüber jetzt
römischer Sitte gemäß das kurze Haar für schön gilt. Den Ein-
druck, den die höchst fremdartige Erscheinung des griechischen
Kaisers machte, vergegenwärtigt uns Liutprand durch eine Anek-
dote. Er hatte zwei große Hunde aus Deutschland mitgenommen
als Geschenk für den Kaiser; als sie nun bei der Audienz dessel-
ben ansichtig wurden, fuhren sie wüthend auf ihn los. "Denn
ich glaube," setzt Liutprand hinzu, "daß sie ihn nicht für einen
Menschen, sondern für irgend ein Ungeheuer hielten, als sie ihn
erblickten, wie er nach Art der Griechen mit einem Weibermantel
und ganz seltsamer Kleidung angethan war."

Die Beinbekleidung auf den Bildern des Stuttgarter Psal-

3. Die Verſchmelzung der verſchiedenartigen Elemente.
genden fränkiſchen Rock getragen habe, wahrſcheinlich als Hul-
digung gegen den Stamm, bei welchem bis jetzt die Herrſchaft ge-
weſen war, und von dem ſie nun auf die Sachſen überging. Die
Sachſen aber, wie ſchon oben erwähnt, unterſchieden ſich in ihrer
nationalen Tracht dadurch von den Franken und andern deutſchen
Völkerſchaften, daß ihr Rock, wenn auch ebenſo kurz, doch weiter
war, ihr Mantel aber länger als der fränkiſche.

In einem andern Sinne ſtellt Liutprand, welcher zur Zeit
Ottos des Großen Biſchof von Cremona war und für denſelben
eine Geſandtſchaftsreiſe nach Conſtantinopel machte, die weite
und weibiſche Kleidung der Griechen, die er aus eigener Anſchau-
ung hatte kennen lernen, der fränkiſchen gegenüber. Dieſer Ge-
genſatz paßt völlig zu der Tracht, wie ſie uns in dem Stuttgarter
Pſalterium entgegen tritt. Während vor der Trennung des gro-
ßen römiſchen Reichs Griechen und Römer gleich gekleidet gingen,
waren jene ſeitdem von der gemeinſamen Tracht völlig im Ge-
ſchmack der Orientalen abgewichen. Und ſo konnte Liutprand in
ſeinem Geſandtſchaftsbericht ſagen: „Der Beherrſcher der Griechen
trägt langes Haar, Schleppkleider, weite Aermel und eine Wei-
berhaube“ — wir haben ſie ſchon bei Karl dem Kahlen kennen
lernen — „dagegen trägt der König der Franken ſchön gekürztes
Haar, eine Kleidung, die von der Weibertracht ganz verſchieden
iſt, und einen Hut.“ Wir bemerken hier die Veränderung im Ge-
ſchmack, wonach dem langen Lockenhaar der Urzeit gegenüber jetzt
römiſcher Sitte gemäß das kurze Haar für ſchön gilt. Den Ein-
druck, den die höchſt fremdartige Erſcheinung des griechiſchen
Kaiſers machte, vergegenwärtigt uns Liutprand durch eine Anek-
dote. Er hatte zwei große Hunde aus Deutſchland mitgenommen
als Geſchenk für den Kaiſer; als ſie nun bei der Audienz deſſel-
ben anſichtig wurden, fuhren ſie wüthend auf ihn los. „Denn
ich glaube,“ ſetzt Liutprand hinzu, „daß ſie ihn nicht für einen
Menſchen, ſondern für irgend ein Ungeheuer hielten, als ſie ihn
erblickten, wie er nach Art der Griechen mit einem Weibermantel
und ganz ſeltſamer Kleidung angethan war.“

Die Beinbekleidung auf den Bildern des Stuttgarter Pſal-

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[59/0077] 3. Die Verſchmelzung der verſchiedenartigen Elemente. genden fränkiſchen Rock getragen habe, wahrſcheinlich als Hul- digung gegen den Stamm, bei welchem bis jetzt die Herrſchaft ge- weſen war, und von dem ſie nun auf die Sachſen überging. Die Sachſen aber, wie ſchon oben erwähnt, unterſchieden ſich in ihrer nationalen Tracht dadurch von den Franken und andern deutſchen Völkerſchaften, daß ihr Rock, wenn auch ebenſo kurz, doch weiter war, ihr Mantel aber länger als der fränkiſche. In einem andern Sinne ſtellt Liutprand, welcher zur Zeit Ottos des Großen Biſchof von Cremona war und für denſelben eine Geſandtſchaftsreiſe nach Conſtantinopel machte, die weite und weibiſche Kleidung der Griechen, die er aus eigener Anſchau- ung hatte kennen lernen, der fränkiſchen gegenüber. Dieſer Ge- genſatz paßt völlig zu der Tracht, wie ſie uns in dem Stuttgarter Pſalterium entgegen tritt. Während vor der Trennung des gro- ßen römiſchen Reichs Griechen und Römer gleich gekleidet gingen, waren jene ſeitdem von der gemeinſamen Tracht völlig im Ge- ſchmack der Orientalen abgewichen. Und ſo konnte Liutprand in ſeinem Geſandtſchaftsbericht ſagen: „Der Beherrſcher der Griechen trägt langes Haar, Schleppkleider, weite Aermel und eine Wei- berhaube“ — wir haben ſie ſchon bei Karl dem Kahlen kennen lernen — „dagegen trägt der König der Franken ſchön gekürztes Haar, eine Kleidung, die von der Weibertracht ganz verſchieden iſt, und einen Hut.“ Wir bemerken hier die Veränderung im Ge- ſchmack, wonach dem langen Lockenhaar der Urzeit gegenüber jetzt römiſcher Sitte gemäß das kurze Haar für ſchön gilt. Den Ein- druck, den die höchſt fremdartige Erſcheinung des griechiſchen Kaiſers machte, vergegenwärtigt uns Liutprand durch eine Anek- dote. Er hatte zwei große Hunde aus Deutſchland mitgenommen als Geſchenk für den Kaiſer; als ſie nun bei der Audienz deſſel- ben anſichtig wurden, fuhren ſie wüthend auf ihn los. „Denn ich glaube,“ ſetzt Liutprand hinzu, „daß ſie ihn nicht für einen Menſchen, ſondern für irgend ein Ungeheuer hielten, als ſie ihn erblickten, wie er nach Art der Griechen mit einem Weibermantel und ganz ſeltſamer Kleidung angethan war.“ Die Beinbekleidung auf den Bildern des Stuttgarter Pſal-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/77>, abgerufen am 26.11.2024.