Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen. zenden Bilde, welches die begeisterten Lobsinger des karolingischenHauses in uns haben entstehen lassen. Die Kleider, welche in vollen und lebhaften Farben, in Roth, Blau, Purpur und Weiß leuchten, sind übersäet mit Goldstickerei in freilich einfachen Mu- stern; breite goldene Säume umgeben den Hals und den unteren Rand, Goldborten ziehen sich in Streifen von oben nach unten, golden oder auch farbig sind die Schuhe, golden die Fassung am Handgelenk, ein langer goldener Schmuck, aus ineinander gefüg- ten Ringen oder Rauten bestehend und mit Edelsteinen besetzt, hängt in den Ohren. Auch umgiebt den Hals ein breites golde- nes, mit Edelsteinen besetztes Band, von welchem andere Steine herabhängen. Eine Agraffe faßt die Tunica unter der Brust fal- tig zusammen; doch scheint dieselbe gewöhnlicher noch zu fehlen. Eine Kaiserin trägt das Haar in der Mitte der Stirn gescheitelt und darüber einen reichen, mit Juwelen besetzten Kronenreif. Dem Schnitte nach ist das Hauptkleid ein der römischen Frauentunica ähnlicher Rock, doch weniger weit und faltig, welcher, Hals und Nacken frei lassend, mit seinem goldnen Saum um Schultern und Brust anschließend sich herumlegt, dann abwärts ein wenig wei- ter wird, sodaß die Körperformen nicht hervortreten, und endlich ungegürtet und mit wenigen Falten ohne Schönheit in der Form bis tief auf die Füße herabfällt, daß nur die Spitzen hervorsehen. Die Aermel sind doppelt und andersfarbig als das Kleid, z. B. weiß zu roth; doch ist wahrscheinlich, daß die untern Aermel, welche eng den ganzen Arm bedecken und an der Hand mit gol- dener Fassung endigen, einer untern Tunica angehören, die bei einigen dieser Frauen sichtbar ist. Die oberen Aermel, weiß wie die unteren und mit goldenen gemusterten Streifen versehen, sind kürzer, aber weit und offen. Die Haare bedeckt schleierartig ein weißes oder farbiges, in einfachen Mustern goldgesticktes Tuch, welches faltig und luftig über Schultern und Rücken herabfällt und mit der Linken aufgenommen ist, oder wie ein Mantel den Körper umhüllt. Die Musterung besteht in Drei- oder Vierblät- tern, in kleinen Kreisen, Kreuzen oder in Netzwerk aus Goldfä- den. Die Schuhe laufen in eine nicht bedeutende Spitze aus. I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. zenden Bilde, welches die begeiſterten Lobſinger des karolingiſchenHauſes in uns haben entſtehen laſſen. Die Kleider, welche in vollen und lebhaften Farben, in Roth, Blau, Purpur und Weiß leuchten, ſind überſäet mit Goldſtickerei in freilich einfachen Mu- ſtern; breite goldene Säume umgeben den Hals und den unteren Rand, Goldborten ziehen ſich in Streifen von oben nach unten, golden oder auch farbig ſind die Schuhe, golden die Faſſung am Handgelenk, ein langer goldener Schmuck, aus ineinander gefüg- ten Ringen oder Rauten beſtehend und mit Edelſteinen beſetzt, hängt in den Ohren. Auch umgiebt den Hals ein breites golde- nes, mit Edelſteinen beſetztes Band, von welchem andere Steine herabhängen. Eine Agraffe faßt die Tunica unter der Bruſt fal- tig zuſammen; doch ſcheint dieſelbe gewöhnlicher noch zu fehlen. Eine Kaiſerin trägt das Haar in der Mitte der Stirn geſcheitelt und darüber einen reichen, mit Juwelen beſetzten Kronenreif. Dem Schnitte nach iſt das Hauptkleid ein der römiſchen Frauentunica ähnlicher Rock, doch weniger weit und faltig, welcher, Hals und Nacken frei laſſend, mit ſeinem goldnen Saum um Schultern und Bruſt anſchließend ſich herumlegt, dann abwärts ein wenig wei- ter wird, ſodaß die Körperformen nicht hervortreten, und endlich ungegürtet und mit wenigen Falten ohne Schönheit in der Form bis tief auf die Füße herabfällt, daß nur die Spitzen hervorſehen. Die Aermel ſind doppelt und andersfarbig als das Kleid, z. B. weiß zu roth; doch iſt wahrſcheinlich, daß die untern Aermel, welche eng den ganzen Arm bedecken und an der Hand mit gol- dener Faſſung endigen, einer untern Tunica angehören, die bei einigen dieſer Frauen ſichtbar iſt. Die oberen Aermel, weiß wie die unteren und mit goldenen gemuſterten Streifen verſehen, ſind kürzer, aber weit und offen. Die Haare bedeckt ſchleierartig ein weißes oder farbiges, in einfachen Muſtern goldgeſticktes Tuch, welches faltig und luftig über Schultern und Rücken herabfällt und mit der Linken aufgenommen iſt, oder wie ein Mantel den Körper umhüllt. Die Muſterung beſteht in Drei- oder Vierblät- tern, in kleinen Kreiſen, Kreuzen oder in Netzwerk aus Goldfä- den. Die Schuhe laufen in eine nicht bedeutende Spitze aus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0084" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.</fw><lb/> zenden Bilde, welches die begeiſterten Lobſinger des karolingiſchen<lb/> Hauſes in uns haben entſtehen laſſen. Die Kleider, welche in<lb/> vollen und lebhaften Farben, in Roth, Blau, Purpur und Weiß<lb/> leuchten, ſind überſäet mit Goldſtickerei in freilich einfachen Mu-<lb/> ſtern; breite goldene Säume umgeben den Hals und den unteren<lb/> Rand, Goldborten ziehen ſich in Streifen von oben nach unten,<lb/> golden oder auch farbig ſind die Schuhe, golden die Faſſung am<lb/> Handgelenk, ein langer goldener Schmuck, aus ineinander gefüg-<lb/> ten Ringen oder Rauten beſtehend und mit Edelſteinen beſetzt,<lb/> hängt in den Ohren. Auch umgiebt den Hals ein breites golde-<lb/> nes, mit Edelſteinen beſetztes Band, von welchem andere Steine<lb/> herabhängen. Eine Agraffe faßt die Tunica unter der Bruſt fal-<lb/> tig zuſammen; doch ſcheint dieſelbe gewöhnlicher noch zu fehlen.<lb/> Eine Kaiſerin trägt das Haar in der Mitte der Stirn geſcheitelt<lb/> und darüber einen reichen, mit Juwelen beſetzten Kronenreif. Dem<lb/> Schnitte nach iſt das Hauptkleid ein der römiſchen Frauentunica<lb/> ähnlicher Rock, doch weniger weit und faltig, welcher, Hals und<lb/> Nacken frei laſſend, mit ſeinem goldnen Saum um Schultern und<lb/> Bruſt anſchließend ſich herumlegt, dann abwärts ein wenig wei-<lb/> ter wird, ſodaß die Körperformen nicht hervortreten, und endlich<lb/> ungegürtet und mit wenigen Falten ohne Schönheit in der Form<lb/> bis tief auf die Füße herabfällt, daß nur die Spitzen hervorſehen.<lb/> Die Aermel ſind doppelt und andersfarbig als das Kleid, z. B.<lb/> weiß zu roth; doch iſt wahrſcheinlich, daß die untern Aermel,<lb/> welche eng den ganzen Arm bedecken und an der Hand mit gol-<lb/> dener Faſſung endigen, einer untern Tunica angehören, die bei<lb/> einigen dieſer Frauen ſichtbar iſt. Die oberen Aermel, weiß wie<lb/> die unteren und mit goldenen gemuſterten Streifen verſehen, ſind<lb/> kürzer, aber weit und offen. Die Haare bedeckt ſchleierartig ein<lb/> weißes oder farbiges, in einfachen Muſtern goldgeſticktes Tuch,<lb/> welches faltig und luftig über Schultern und Rücken herabfällt<lb/> und mit der Linken aufgenommen iſt, oder wie ein Mantel den<lb/> Körper umhüllt. Die Muſterung beſteht in Drei- oder Vierblät-<lb/> tern, in kleinen Kreiſen, Kreuzen oder in Netzwerk aus Goldfä-<lb/> den. Die Schuhe laufen in eine nicht bedeutende Spitze aus.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0084]
I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
zenden Bilde, welches die begeiſterten Lobſinger des karolingiſchen
Hauſes in uns haben entſtehen laſſen. Die Kleider, welche in
vollen und lebhaften Farben, in Roth, Blau, Purpur und Weiß
leuchten, ſind überſäet mit Goldſtickerei in freilich einfachen Mu-
ſtern; breite goldene Säume umgeben den Hals und den unteren
Rand, Goldborten ziehen ſich in Streifen von oben nach unten,
golden oder auch farbig ſind die Schuhe, golden die Faſſung am
Handgelenk, ein langer goldener Schmuck, aus ineinander gefüg-
ten Ringen oder Rauten beſtehend und mit Edelſteinen beſetzt,
hängt in den Ohren. Auch umgiebt den Hals ein breites golde-
nes, mit Edelſteinen beſetztes Band, von welchem andere Steine
herabhängen. Eine Agraffe faßt die Tunica unter der Bruſt fal-
tig zuſammen; doch ſcheint dieſelbe gewöhnlicher noch zu fehlen.
Eine Kaiſerin trägt das Haar in der Mitte der Stirn geſcheitelt
und darüber einen reichen, mit Juwelen beſetzten Kronenreif. Dem
Schnitte nach iſt das Hauptkleid ein der römiſchen Frauentunica
ähnlicher Rock, doch weniger weit und faltig, welcher, Hals und
Nacken frei laſſend, mit ſeinem goldnen Saum um Schultern und
Bruſt anſchließend ſich herumlegt, dann abwärts ein wenig wei-
ter wird, ſodaß die Körperformen nicht hervortreten, und endlich
ungegürtet und mit wenigen Falten ohne Schönheit in der Form
bis tief auf die Füße herabfällt, daß nur die Spitzen hervorſehen.
Die Aermel ſind doppelt und andersfarbig als das Kleid, z. B.
weiß zu roth; doch iſt wahrſcheinlich, daß die untern Aermel,
welche eng den ganzen Arm bedecken und an der Hand mit gol-
dener Faſſung endigen, einer untern Tunica angehören, die bei
einigen dieſer Frauen ſichtbar iſt. Die oberen Aermel, weiß wie
die unteren und mit goldenen gemuſterten Streifen verſehen, ſind
kürzer, aber weit und offen. Die Haare bedeckt ſchleierartig ein
weißes oder farbiges, in einfachen Muſtern goldgeſticktes Tuch,
welches faltig und luftig über Schultern und Rücken herabfällt
und mit der Linken aufgenommen iſt, oder wie ein Mantel den
Körper umhüllt. Die Muſterung beſteht in Drei- oder Vierblät-
tern, in kleinen Kreiſen, Kreuzen oder in Netzwerk aus Goldfä-
den. Die Schuhe laufen in eine nicht bedeutende Spitze aus.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |