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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
Ausstopfung ins neue Jahrhundert hinüber, aber der veränderte
Geschmack kündigt sich sofort dadurch an, daß die pralle Run-
dung einer faltig schlotternden Masse weicht, die um den Ober-
schenkel herumhängt. Alle Schlitzung oder mehrfarbig aufgenäh-
ten Zierrath weiset sie ab. Statt dessen gewinnt die äußere Sei-
tennaht größere Bedeutung, indem sie mit einer Reihe prunken-
der Knöpfe besetzt und von unten her gewöhnlich eine Strecke
offen gehalten wird, welche Oeffnung mit feinem weißen Stoffe
unterlegt erscheint. Um die Kniee oder vielmehr unter denselben
ist diese Form des Beinkleides mit einem farbigen Bande ge-
schlossen, welches zu den Seiten in einer großen Schleife herab-
fällt. Der Anstoß zu einer weiteren Veränderung ging ebenfalls
von Paris aus. Hier zuerst wurde etwa gegen das Jahr 1630
alle und jede Ausstopfung abgewiesen, sodaß sich nunmehr das
Beinkleid völlig naturgemäß etwa in der modernen Weite bis
unter das Knie herabsenkt, wo es mit einem Spitzenrande um-
geben sich anschließt. In dieser einfachen und tadellosen Form
ging es auch nach Deutschland hinüber, doch hier wie in Frank-
reich blieb es nicht lange dabei. Der lockre Sinn dieser Zeit öff-
nete es am Knie und weitete es von den Hüften herab gleich-
mäßig, sodaß es luftig und frei, aber formlos umherrauschte und
beim Stehen keine Falten bot. In dieser Gestalt erreichte es die
Mitte des Jahrhunderts.

Sowie die Ausladung des Beinkleids verschwand, erhiel-
ten die Schöße des Wammses wieder Freiheit nach unten zu
wachsen, doch erreichten sie in ihrer Länge, obwohl das Maß ein
schwankendes blieb, höchst selten nur die Oberschenkel. Der all-
gemein ansteckende Soldatengeist duldete das auch beim ehrsamen
Bürger nicht anders. Natürlich schwand auch von diesem Klei-
dungsstück die Ausstopfung, sodaß an diese einst so mächtige
Mode bald nichts mehr erinnerte als ein um die Achselnaht herum
angehängtes Stück Zeug, das wir noch lange an der militäri-
schen Uniform verfolgen können: es war der Rest der wulstigen
Schulterpuffen. Damit rückte auch die Taille naturgemäßer wie-
der aufwärts. Das genügte aber dem beweglichen Sinn noch

III. Die Neuzeit.
Ausſtopfung ins neue Jahrhundert hinüber, aber der veränderte
Geſchmack kündigt ſich ſofort dadurch an, daß die pralle Run-
dung einer faltig ſchlotternden Maſſe weicht, die um den Ober-
ſchenkel herumhängt. Alle Schlitzung oder mehrfarbig aufgenäh-
ten Zierrath weiſet ſie ab. Statt deſſen gewinnt die äußere Sei-
tennaht größere Bedeutung, indem ſie mit einer Reihe prunken-
der Knöpfe beſetzt und von unten her gewöhnlich eine Strecke
offen gehalten wird, welche Oeffnung mit feinem weißen Stoffe
unterlegt erſcheint. Um die Kniee oder vielmehr unter denſelben
iſt dieſe Form des Beinkleides mit einem farbigen Bande ge-
ſchloſſen, welches zu den Seiten in einer großen Schleife herab-
fällt. Der Anſtoß zu einer weiteren Veränderung ging ebenfalls
von Paris aus. Hier zuerſt wurde etwa gegen das Jahr 1630
alle und jede Ausſtopfung abgewieſen, ſodaß ſich nunmehr das
Beinkleid völlig naturgemäß etwa in der modernen Weite bis
unter das Knie herabſenkt, wo es mit einem Spitzenrande um-
geben ſich anſchließt. In dieſer einfachen und tadelloſen Form
ging es auch nach Deutſchland hinüber, doch hier wie in Frank-
reich blieb es nicht lange dabei. Der lockre Sinn dieſer Zeit öff-
nete es am Knie und weitete es von den Hüften herab gleich-
mäßig, ſodaß es luftig und frei, aber formlos umherrauſchte und
beim Stehen keine Falten bot. In dieſer Geſtalt erreichte es die
Mitte des Jahrhunderts.

Sowie die Ausladung des Beinkleids verſchwand, erhiel-
ten die Schöße des Wammſes wieder Freiheit nach unten zu
wachſen, doch erreichten ſie in ihrer Länge, obwohl das Maß ein
ſchwankendes blieb, höchſt ſelten nur die Oberſchenkel. Der all-
gemein anſteckende Soldatengeiſt duldete das auch beim ehrſamen
Bürger nicht anders. Natürlich ſchwand auch von dieſem Klei-
dungsſtück die Ausſtopfung, ſodaß an dieſe einſt ſo mächtige
Mode bald nichts mehr erinnerte als ein um die Achſelnaht herum
angehängtes Stück Zeug, das wir noch lange an der militäri-
ſchen Uniform verfolgen können: es war der Reſt der wulſtigen
Schulterpuffen. Damit rückte auch die Taille naturgemäßer wie-
der aufwärts. Das genügte aber dem beweglichen Sinn noch

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[178/0190] III. Die Neuzeit. Ausſtopfung ins neue Jahrhundert hinüber, aber der veränderte Geſchmack kündigt ſich ſofort dadurch an, daß die pralle Run- dung einer faltig ſchlotternden Maſſe weicht, die um den Ober- ſchenkel herumhängt. Alle Schlitzung oder mehrfarbig aufgenäh- ten Zierrath weiſet ſie ab. Statt deſſen gewinnt die äußere Sei- tennaht größere Bedeutung, indem ſie mit einer Reihe prunken- der Knöpfe beſetzt und von unten her gewöhnlich eine Strecke offen gehalten wird, welche Oeffnung mit feinem weißen Stoffe unterlegt erſcheint. Um die Kniee oder vielmehr unter denſelben iſt dieſe Form des Beinkleides mit einem farbigen Bande ge- ſchloſſen, welches zu den Seiten in einer großen Schleife herab- fällt. Der Anſtoß zu einer weiteren Veränderung ging ebenfalls von Paris aus. Hier zuerſt wurde etwa gegen das Jahr 1630 alle und jede Ausſtopfung abgewieſen, ſodaß ſich nunmehr das Beinkleid völlig naturgemäß etwa in der modernen Weite bis unter das Knie herabſenkt, wo es mit einem Spitzenrande um- geben ſich anſchließt. In dieſer einfachen und tadelloſen Form ging es auch nach Deutſchland hinüber, doch hier wie in Frank- reich blieb es nicht lange dabei. Der lockre Sinn dieſer Zeit öff- nete es am Knie und weitete es von den Hüften herab gleich- mäßig, ſodaß es luftig und frei, aber formlos umherrauſchte und beim Stehen keine Falten bot. In dieſer Geſtalt erreichte es die Mitte des Jahrhunderts. Sowie die Ausladung des Beinkleids verſchwand, erhiel- ten die Schöße des Wammſes wieder Freiheit nach unten zu wachſen, doch erreichten ſie in ihrer Länge, obwohl das Maß ein ſchwankendes blieb, höchſt ſelten nur die Oberſchenkel. Der all- gemein anſteckende Soldatengeiſt duldete das auch beim ehrſamen Bürger nicht anders. Natürlich ſchwand auch von dieſem Klei- dungsſtück die Ausſtopfung, ſodaß an dieſe einſt ſo mächtige Mode bald nichts mehr erinnerte als ein um die Achſelnaht herum angehängtes Stück Zeug, das wir noch lange an der militäri- ſchen Uniform verfolgen können: es war der Reſt der wulſtigen Schulterpuffen. Damit rückte auch die Taille naturgemäßer wie- der aufwärts. Das genügte aber dem beweglichen Sinn noch

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/190>, abgerufen am 25.11.2024.