Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. der Bartmode schildert Philander in seiner drastischen, ernst-komischen Weise folgendermaßen: "Da deine Vorfahren es für die größte Zierde gehalten haben, so sie einen rechtschaffenen Bart hatten, so wollet ihr den wälschen unbeständigen Narren nach alle Monat, alle Wochen eure Bärte beropfen und be- scheren, bestümmlen, bestutzen, ja alle Tag und Morgen mit Eisen und Feuer peinigen, foltern und marteln, ziehen und zer- ren lassen? jetzt wie ein Zirkel-Bärtel, jetzt wie ein Schnecken- Bärtel, bald ein Jungfrauen-Bärtel, ein Teller-Bärtel, ein Spitz- Bärtel, ein Maikäfer-Bärtel, ein Entenwädele, ein Schmalbärtel, ein Zucker-Bärtel, ein Türkisch-Bärtel, ein Spanisch-Bärtel, ein Italienisch-Bärtel, ein Sonntags-Bärtel, ein Oster-Bärtel, ein Lill-Bärtel, ein Spill-Bärtel, ein Drill-Bärtel, ein Schmutz- Bärtel, ein Stutz-Bärtel, ein Trutz-Bärtel u. s. w." Es würde überflüssige, wie vergebliche Mühe sein, sich nach Formen für diese Ausdrücke umzusehen, welche mehr der Phantasie des Sa- tirikers als der Wirklichkeit angehören. In seinem Eifer setzt er dann hinzu: "Nun ist eure meiste Sorge, sobald ihr Morgens aufgestanden, wie ihr den Bart rüsten und zuschneiden möget, damit ihr vor junge Narren und Lappen könntet durchwischen. O ihr Weiber-Mäuler! Ihr unhärige! In den Löffeljahren geht ihr zuzapfen, zutrillen, zuropfen, bis die Gauchshaar her- auswollen; und wann ihr durch Gunst der Natur dieselbige end- lich erlanget habt, so wißt ihr ihnen nicht Marter genug, bis ihr sie wieder vertreibet! Ihr Bart-Schinder! Ihr Bart-Schneider! Ihr Bart-Stutzer! Ihr Bart-Zwacker! Ihr Bart-Folterer! Ihr Bart-Wipperer! Ihr Bart-Marteln! Ihr Bart-Peiniger! Ihr Bart-Abtreiber! Ihr Falsche Bart-Münzer! Ihr Bart-Ver- derber! Ihr Bart-Narren! Ihr Bart-Mörder!" Das groteskeste Stück der männlichen Tracht war der Hut. III. Die Neuzeit. der Bartmode ſchildert Philander in ſeiner draſtiſchen, ernſt-komiſchen Weiſe folgendermaßen: „Da deine Vorfahren es für die größte Zierde gehalten haben, ſo ſie einen rechtſchaffenen Bart hatten, ſo wollet ihr den wälſchen unbeſtändigen Narren nach alle Monat, alle Wochen eure Bärte beropfen und be- ſcheren, beſtümmlen, beſtutzen, ja alle Tag und Morgen mit Eiſen und Feuer peinigen, foltern und marteln, ziehen und zer- ren laſſen? jetzt wie ein Zirkel-Bärtel, jetzt wie ein Schnecken- Bärtel, bald ein Jungfrauen-Bärtel, ein Teller-Bärtel, ein Spitz- Bärtel, ein Maikäfer-Bärtel, ein Entenwädele, ein Schmalbärtel, ein Zucker-Bärtel, ein Türkiſch-Bärtel, ein Spaniſch-Bärtel, ein Italieniſch-Bärtel, ein Sonntags-Bärtel, ein Oſter-Bärtel, ein Lill-Bärtel, ein Spill-Bärtel, ein Drill-Bärtel, ein Schmutz- Bärtel, ein Stutz-Bärtel, ein Trutz-Bärtel u. ſ. w.“ Es würde überflüſſige, wie vergebliche Mühe ſein, ſich nach Formen für dieſe Ausdrücke umzuſehen, welche mehr der Phantaſie des Sa- tirikers als der Wirklichkeit angehören. In ſeinem Eifer ſetzt er dann hinzu: „Nun iſt eure meiſte Sorge, ſobald ihr Morgens aufgeſtanden, wie ihr den Bart rüſten und zuſchneiden möget, damit ihr vor junge Narren und Lappen könntet durchwiſchen. O ihr Weiber-Mäuler! Ihr unhärige! In den Löffeljahren geht ihr zuzapfen, zutrillen, zuropfen, bis die Gauchshaar her- auswollen; und wann ihr durch Gunſt der Natur dieſelbige end- lich erlanget habt, ſo wißt ihr ihnen nicht Marter genug, bis ihr ſie wieder vertreibet! Ihr Bart-Schinder! Ihr Bart-Schneider! Ihr Bart-Stutzer! Ihr Bart-Zwacker! Ihr Bart-Folterer! Ihr Bart-Wipperer! Ihr Bart-Marteln! Ihr Bart-Peiniger! Ihr Bart-Abtreiber! Ihr Falſche Bart-Münzer! Ihr Bart-Ver- derber! Ihr Bart-Narren! Ihr Bart-Mörder!“ Das groteskeſte Stück der männlichen Tracht war der Hut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0202" n="190"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> der Bartmode ſchildert Philander in ſeiner draſtiſchen, ernſt-<lb/> komiſchen Weiſe folgendermaßen: „Da deine Vorfahren es für<lb/> die größte Zierde gehalten haben, ſo ſie einen rechtſchaffenen<lb/> Bart hatten, ſo wollet ihr den wälſchen unbeſtändigen Narren<lb/> nach alle Monat, alle Wochen eure Bärte beropfen und be-<lb/> ſcheren, beſtümmlen, beſtutzen, ja alle Tag und Morgen mit<lb/> Eiſen und Feuer peinigen, foltern und marteln, ziehen und zer-<lb/> ren laſſen? jetzt wie ein Zirkel-Bärtel, jetzt wie ein Schnecken-<lb/> Bärtel, bald ein Jungfrauen-Bärtel, ein Teller-Bärtel, ein Spitz-<lb/> Bärtel, ein Maikäfer-Bärtel, ein Entenwädele, ein Schmalbärtel,<lb/> ein Zucker-Bärtel, ein Türkiſch-Bärtel, ein Spaniſch-Bärtel, ein<lb/> Italieniſch-Bärtel, ein Sonntags-Bärtel, ein Oſter-Bärtel, ein<lb/> Lill-Bärtel, ein Spill-Bärtel, ein Drill-Bärtel, ein Schmutz-<lb/> Bärtel, ein Stutz-Bärtel, ein Trutz-Bärtel u. ſ. w.“ Es würde<lb/> überflüſſige, wie vergebliche Mühe ſein, ſich nach Formen für<lb/> dieſe Ausdrücke umzuſehen, welche mehr der Phantaſie des Sa-<lb/> tirikers als der Wirklichkeit angehören. 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III. Die Neuzeit.
der Bartmode ſchildert Philander in ſeiner draſtiſchen, ernſt-
komiſchen Weiſe folgendermaßen: „Da deine Vorfahren es für
die größte Zierde gehalten haben, ſo ſie einen rechtſchaffenen
Bart hatten, ſo wollet ihr den wälſchen unbeſtändigen Narren
nach alle Monat, alle Wochen eure Bärte beropfen und be-
ſcheren, beſtümmlen, beſtutzen, ja alle Tag und Morgen mit
Eiſen und Feuer peinigen, foltern und marteln, ziehen und zer-
ren laſſen? jetzt wie ein Zirkel-Bärtel, jetzt wie ein Schnecken-
Bärtel, bald ein Jungfrauen-Bärtel, ein Teller-Bärtel, ein Spitz-
Bärtel, ein Maikäfer-Bärtel, ein Entenwädele, ein Schmalbärtel,
ein Zucker-Bärtel, ein Türkiſch-Bärtel, ein Spaniſch-Bärtel, ein
Italieniſch-Bärtel, ein Sonntags-Bärtel, ein Oſter-Bärtel, ein
Lill-Bärtel, ein Spill-Bärtel, ein Drill-Bärtel, ein Schmutz-
Bärtel, ein Stutz-Bärtel, ein Trutz-Bärtel u. ſ. w.“ Es würde
überflüſſige, wie vergebliche Mühe ſein, ſich nach Formen für
dieſe Ausdrücke umzuſehen, welche mehr der Phantaſie des Sa-
tirikers als der Wirklichkeit angehören. In ſeinem Eifer ſetzt er
dann hinzu: „Nun iſt eure meiſte Sorge, ſobald ihr Morgens
aufgeſtanden, wie ihr den Bart rüſten und zuſchneiden möget,
damit ihr vor junge Narren und Lappen könntet durchwiſchen.
O ihr Weiber-Mäuler! Ihr unhärige! In den Löffeljahren
geht ihr zuzapfen, zutrillen, zuropfen, bis die Gauchshaar her-
auswollen; und wann ihr durch Gunſt der Natur dieſelbige end-
lich erlanget habt, ſo wißt ihr ihnen nicht Marter genug, bis ihr
ſie wieder vertreibet! Ihr Bart-Schinder! Ihr Bart-Schneider!
Ihr Bart-Stutzer! Ihr Bart-Zwacker! Ihr Bart-Folterer! Ihr
Bart-Wipperer! Ihr Bart-Marteln! Ihr Bart-Peiniger! Ihr
Bart-Abtreiber! Ihr Falſche Bart-Münzer! Ihr Bart-Ver-
derber! Ihr Bart-Narren! Ihr Bart-Mörder!“
Das groteskeſte Stück der männlichen Tracht war der Hut.
Als er einmal die große breite Krämpe und das ſchlaffe Weſen
gewonnen hatte, war er dieſen windigen Köpfen recht; ſie hätten
etwas Steifes nicht auf ſich erdulden können. Nachgiebig wie
er war, machten ſie mit ihm, was ſie wollten. Der Kopf erhöhte
ſich bald zuckerhutförmig, bald ſtieg er wieder zu beſcheidener
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