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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Viertes Kapitel.
Die Staatsperrücke und die absolute Herrschaft
der französischen Mode
. 1650--1720.

Als endlich der heiß ersehnte Friede im Jahr 1650 endgül-
tig vom Nürnberger Rathhaus herab verkündet wurde, war die
sociale Welt aus den Fugen gegangen und wartete des Meisters,
der sie wieder einrichten sollte, einerlei, ob gut oder schlecht. Ein
solcher fand sich in der Person Ludwigs XIV., und man muß
gestehen, er war in dieser Beziehung ein großer Meister, mag
man auch immerhin und mit Recht den Weg, welchen er die
menschliche Gesellschaft führte, für den falschen halten und ihn
selbst nur als ein unbewußtes Werkzeug der Geschichte betrachten.
Ordnung und Maß war, was noth that nach der Verwilderung,
feste Schranken den gelösten Leidenschaften, Zucht und Sitte dem
socialen Leben, in welchem die Roheit des Krieges den Tact, das
Schamgefühl, die Humanität erstickt hatte. Die Aufgabe war
schwer und die Heilung langwierig, da der Schaden ein innerer
und allgemeiner geworden. Generationen pflegen über solchen
Curen der Geschichte ins Grab zu sinken. Es ist daher nicht zu
verwundern, wenn die angewendeten Mittel Anfangs bloß for-
mell erscheinen, und unter ihrer Verhüllung die geistige und
moralische Versunkenheit noch lange fortlebt, und wenn andrer-
seits eben sie zum entgegengesetzten Extrem, aus der Verwilde-
rung und Roheit zur Beschränkung, Erstarrung und Ueberfeine-

Viertes Kapitel.
Die Staatsperrücke und die abſolute Herrſchaft
der franzöſiſchen Mode
. 1650—1720.

Als endlich der heiß erſehnte Friede im Jahr 1650 endgül-
tig vom Nürnberger Rathhaus herab verkündet wurde, war die
ſociale Welt aus den Fugen gegangen und wartete des Meiſters,
der ſie wieder einrichten ſollte, einerlei, ob gut oder ſchlecht. Ein
ſolcher fand ſich in der Perſon Ludwigs XIV., und man muß
geſtehen, er war in dieſer Beziehung ein großer Meiſter, mag
man auch immerhin und mit Recht den Weg, welchen er die
menſchliche Geſellſchaft führte, für den falſchen halten und ihn
ſelbſt nur als ein unbewußtes Werkzeug der Geſchichte betrachten.
Ordnung und Maß war, was noth that nach der Verwilderung,
feſte Schranken den gelöſten Leidenſchaften, Zucht und Sitte dem
ſocialen Leben, in welchem die Roheit des Krieges den Tact, das
Schamgefühl, die Humanität erſtickt hatte. Die Aufgabe war
ſchwer und die Heilung langwierig, da der Schaden ein innerer
und allgemeiner geworden. Generationen pflegen über ſolchen
Curen der Geſchichte ins Grab zu ſinken. Es iſt daher nicht zu
verwundern, wenn die angewendeten Mittel Anfangs bloß for-
mell erſcheinen, und unter ihrer Verhüllung die geiſtige und
moraliſche Verſunkenheit noch lange fortlebt, und wenn andrer-
ſeits eben ſie zum entgegengeſetzten Extrem, aus der Verwilde-
rung und Roheit zur Beſchränkung, Erſtarrung und Ueberfeine-

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[[213]/0225] Viertes Kapitel. Die Staatsperrücke und die abſolute Herrſchaft der franzöſiſchen Mode. 1650—1720. Als endlich der heiß erſehnte Friede im Jahr 1650 endgül- tig vom Nürnberger Rathhaus herab verkündet wurde, war die ſociale Welt aus den Fugen gegangen und wartete des Meiſters, der ſie wieder einrichten ſollte, einerlei, ob gut oder ſchlecht. Ein ſolcher fand ſich in der Perſon Ludwigs XIV., und man muß geſtehen, er war in dieſer Beziehung ein großer Meiſter, mag man auch immerhin und mit Recht den Weg, welchen er die menſchliche Geſellſchaft führte, für den falſchen halten und ihn ſelbſt nur als ein unbewußtes Werkzeug der Geſchichte betrachten. Ordnung und Maß war, was noth that nach der Verwilderung, feſte Schranken den gelöſten Leidenſchaften, Zucht und Sitte dem ſocialen Leben, in welchem die Roheit des Krieges den Tact, das Schamgefühl, die Humanität erſtickt hatte. Die Aufgabe war ſchwer und die Heilung langwierig, da der Schaden ein innerer und allgemeiner geworden. Generationen pflegen über ſolchen Curen der Geſchichte ins Grab zu ſinken. Es iſt daher nicht zu verwundern, wenn die angewendeten Mittel Anfangs bloß for- mell erſcheinen, und unter ihrer Verhüllung die geiſtige und moraliſche Verſunkenheit noch lange fortlebt, und wenn andrer- ſeits eben ſie zum entgegengeſetzten Extrem, aus der Verwilde- rung und Roheit zur Beſchränkung, Erſtarrung und Ueberfeine-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. [213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/225>, abgerufen am 24.11.2024.