Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. Weise wirkten; in einer langen und vollen Schleppe fiel sie so-dann auf den Boden. Das war die Form, wie sie sich am Hofe Ludwigs XIV. herausbildete und welche mit absoluter Autokratie allen Schwankungen des Uebergangscostüms ein Ende machte. Sie behauptete sich, Kleinigkeiten der Mode abgerechnet, die ganze lange Regirung Ludwigs hindurch. Vornehmen Damen, die sich öffentlich zeigten oder in Gärten promenirten, trug ein Diener die Schleppe, oder, was bei weitem nobler war, ein Mohrenknabe. Bedenkt man, daß die Robe eigentlich nie oder selten ge- Etwas Neues war die Schnürbrust damals nicht mehr, III. Die Neuzeit. Weiſe wirkten; in einer langen und vollen Schleppe fiel ſie ſo-dann auf den Boden. Das war die Form, wie ſie ſich am Hofe Ludwigs XIV. herausbildete und welche mit abſoluter Autokratie allen Schwankungen des Uebergangscoſtüms ein Ende machte. Sie behauptete ſich, Kleinigkeiten der Mode abgerechnet, die ganze lange Regirung Ludwigs hindurch. Vornehmen Damen, die ſich öffentlich zeigten oder in Gärten promenirten, trug ein Diener die Schleppe, oder, was bei weitem nobler war, ein Mohrenknabe. Bedenkt man, daß die Robe eigentlich nie oder ſelten ge- Etwas Neues war die Schnürbruſt damals nicht mehr, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0262" n="250"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> Weiſe wirkten; in einer langen und vollen Schleppe fiel ſie ſo-<lb/> dann auf den Boden. Das war die Form, wie ſie ſich am Hofe<lb/> Ludwigs <hi rendition="#aq">XIV.</hi> herausbildete und welche mit abſoluter Autokratie<lb/> allen Schwankungen des Uebergangscoſtüms ein Ende machte.<lb/> Sie behauptete ſich, Kleinigkeiten der Mode abgerechnet, die<lb/> ganze lange Regirung Ludwigs hindurch. Vornehmen Damen,<lb/> die ſich öffentlich zeigten oder in Gärten promenirten, trug ein<lb/> Diener die Schleppe, oder, was bei weitem nobler war, ein<lb/> Mohrenknabe.</p><lb/> <p>Bedenkt man, daß die Robe eigentlich nie oder ſelten ge-<lb/> blümte Muſter zeigte, ſondern in vollen und tiefen Farben, die<lb/> nur durch Gold und Silber gehöht waren, auf’s kräftigſte wirkte;<lb/> daß ſie aus dem ſchwerſten Sammt- oder Seidenſtoff beſtand,<lb/> alſo nur in großen, mächtigen und eckigen Falten ſich brach; daß<lb/> ſie ihrer ganzen Form nach, die noch auf den Hüften durch<lb/> Wülſte erhöht war, ausbauſchte und das Maß weit überſchritt:<lb/> ſo läßt ſich leicht einſehen, daß das Grandioſe und Groteske der<lb/> vorliegenden Periode in Bezug auf die weibliche Toilette neben<lb/> der Fontange ſich vorzugsweiſe in dieſem Kleidungsſtück aus-<lb/> ſprach, und daß daſſelbe die Erſcheinung einer Dame um ſo mehr<lb/> in dieſem Sinne wirken ließ, als es einen langſam majeſtätiſchen<lb/> Gang gebot. Auch das Kleid, obwohl es vorn faſt ſenkrecht<lb/> herunterfiel, trug hierzu bei, wenigſtens bei der vornehmen<lb/> Dame, durch die Schwere des Stoffs, welcher ſanfte und fließende<lb/> Falten verhinderte, ſowie durch die großblumigen Muſter, wäh-<lb/> rend das Leibchen mit der langen und engen, durch die Schnür-<lb/> bruſt erzwungenen Taille, der feine Spitzenbeſatz an Arm und<lb/> Bruſt die übertriebene Zierlichkeit auf’s deutlichſte ausſprechen.<lb/> Es liegt ſomit ein nicht geringer Gegenſatz in der obern und<lb/> untern Hälfte einer weiblichen Erſcheinung jener Zeit; dadurch<lb/> iſt ſie unnatürlich, gemacht, affectirt, das Gegentheil von An-<lb/> muth und feiner, freier Grazie.</p><lb/> <p>Etwas Neues war die <hi rendition="#g">Schnürbruſt</hi> damals nicht mehr,<lb/> da ihr bereits die Verbindung mit der Vertugalla im ſechszehn-<lb/> ten Jahrhundert zu großer Bedeutung verholfen hatte. Als die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [250/0262]
III. Die Neuzeit.
Weiſe wirkten; in einer langen und vollen Schleppe fiel ſie ſo-
dann auf den Boden. Das war die Form, wie ſie ſich am Hofe
Ludwigs XIV. herausbildete und welche mit abſoluter Autokratie
allen Schwankungen des Uebergangscoſtüms ein Ende machte.
Sie behauptete ſich, Kleinigkeiten der Mode abgerechnet, die
ganze lange Regirung Ludwigs hindurch. Vornehmen Damen,
die ſich öffentlich zeigten oder in Gärten promenirten, trug ein
Diener die Schleppe, oder, was bei weitem nobler war, ein
Mohrenknabe.
Bedenkt man, daß die Robe eigentlich nie oder ſelten ge-
blümte Muſter zeigte, ſondern in vollen und tiefen Farben, die
nur durch Gold und Silber gehöht waren, auf’s kräftigſte wirkte;
daß ſie aus dem ſchwerſten Sammt- oder Seidenſtoff beſtand,
alſo nur in großen, mächtigen und eckigen Falten ſich brach; daß
ſie ihrer ganzen Form nach, die noch auf den Hüften durch
Wülſte erhöht war, ausbauſchte und das Maß weit überſchritt:
ſo läßt ſich leicht einſehen, daß das Grandioſe und Groteske der
vorliegenden Periode in Bezug auf die weibliche Toilette neben
der Fontange ſich vorzugsweiſe in dieſem Kleidungsſtück aus-
ſprach, und daß daſſelbe die Erſcheinung einer Dame um ſo mehr
in dieſem Sinne wirken ließ, als es einen langſam majeſtätiſchen
Gang gebot. Auch das Kleid, obwohl es vorn faſt ſenkrecht
herunterfiel, trug hierzu bei, wenigſtens bei der vornehmen
Dame, durch die Schwere des Stoffs, welcher ſanfte und fließende
Falten verhinderte, ſowie durch die großblumigen Muſter, wäh-
rend das Leibchen mit der langen und engen, durch die Schnür-
bruſt erzwungenen Taille, der feine Spitzenbeſatz an Arm und
Bruſt die übertriebene Zierlichkeit auf’s deutlichſte ausſprechen.
Es liegt ſomit ein nicht geringer Gegenſatz in der obern und
untern Hälfte einer weiblichen Erſcheinung jener Zeit; dadurch
iſt ſie unnatürlich, gemacht, affectirt, das Gegentheil von An-
muth und feiner, freier Grazie.
Etwas Neues war die Schnürbruſt damals nicht mehr,
da ihr bereits die Verbindung mit der Vertugalla im ſechszehn-
ten Jahrhundert zu großer Bedeutung verholfen hatte. Als die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |