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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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4. Die Staatsperrücke u. d. absolute Herrschaft d. franz. Mode.
kommen, allmählig verschwinden und im nächsten Jahrhundert
ganz erlöschen.

Interessant ist im Kampf mit der französischen Mode die
Trachtengeschichte Straßburgs. Diese Stadt hatte sich bisher
durch eigenthümliche Formen ausgezeichnet und sie mit Vorliebe
festgehalten. Als sie aber im Jahr 1685 französisch wurde, da
mußten Bürgermeister und Rath unter Bestätigung und Ver-
schärfung des französischen Intendanten ein Mandat erlassen,
welches die deutsche Tracht verbot und binnen vier Monaten die
französische anzulegen befahl. Die Stadt fügte sich. Allein im
Laufe des achtzehnten Jahrhunderts bildeten sich grade aus der
französischen Mode wieder neue feste Formen als Volkstracht
heraus, welche zu Goethe's Zeit, wie wir aus Wahrheit und
Dichtung wissen, wieder als deutsche galten im Gegensatz zur
Mode von Paris. Auch diesen machte ein absoluter Befehl ein
Ende, der nur die wenigen höflichen Worte in einer "Procla-
mation der Volksrepräsentanten" enthielt: "Die Bürgerinnen
Straßburgs sind eingeladen die deutsche Tracht abzulegen, da
ihre Herzen fränkisch gesinnt sind." Aber es war das Schreckens-
jahr 1793, und die Volksrepräsentanten, deren Namen darunter
standen, waren St. Just und Lebas.

Es ist leider an dieser Stelle nicht weiter möglich, der länd-
lichen Volkstracht im Einzelnen nachzugehen, da sie sich nun ins
Unendliche zersplittert, wenn sie auch ihre gemeinsame Aus-
gangsquelle hat. Zwar hatte der dreißigjährige Krieg unter
dem, was das sechszehnte Jahrhundert übrig gelassen, nament-
lich an dem männlichen Aeußern bedeutend aufgeräumt und
seine eigenen Formen an die Stelle gebracht, aber auch diese
gingen bald wieder aus einander. Es kam dann in den Kriegen
Ludwigs XIV. das Französische dazu, nachdem auch die eigen-
thümlichen städtischen Bildungen bereits auf das Land hinaus-
gedrungen waren. So verschieden nach Zeit, Ort und Um-
ständen das geschah, so verschieden und bunt zusammengesetzt
aus den Formen mehrerer Gegenden und mehrerer Zeiten ent-
wickelten sich auch die Volkstrachten. Noch heute können wir

4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode.
kommen, allmählig verſchwinden und im nächſten Jahrhundert
ganz erlöſchen.

Intereſſant iſt im Kampf mit der franzöſiſchen Mode die
Trachtengeſchichte Straßburgs. Dieſe Stadt hatte ſich bisher
durch eigenthümliche Formen ausgezeichnet und ſie mit Vorliebe
feſtgehalten. Als ſie aber im Jahr 1685 franzöſiſch wurde, da
mußten Bürgermeiſter und Rath unter Beſtätigung und Ver-
ſchärfung des franzöſiſchen Intendanten ein Mandat erlaſſen,
welches die deutſche Tracht verbot und binnen vier Monaten die
franzöſiſche anzulegen befahl. Die Stadt fügte ſich. Allein im
Laufe des achtzehnten Jahrhunderts bildeten ſich grade aus der
franzöſiſchen Mode wieder neue feſte Formen als Volkstracht
heraus, welche zu Goethe’s Zeit, wie wir aus Wahrheit und
Dichtung wiſſen, wieder als deutſche galten im Gegenſatz zur
Mode von Paris. Auch dieſen machte ein abſoluter Befehl ein
Ende, der nur die wenigen höflichen Worte in einer „Procla-
mation der Volksrepräſentanten“ enthielt: „Die Bürgerinnen
Straßburgs ſind eingeladen die deutſche Tracht abzulegen, da
ihre Herzen fränkiſch geſinnt ſind.“ Aber es war das Schreckens-
jahr 1793, und die Volksrepräſentanten, deren Namen darunter
ſtanden, waren St. Juſt und Lebas.

Es iſt leider an dieſer Stelle nicht weiter möglich, der länd-
lichen Volkstracht im Einzelnen nachzugehen, da ſie ſich nun ins
Unendliche zerſplittert, wenn ſie auch ihre gemeinſame Aus-
gangsquelle hat. Zwar hatte der dreißigjährige Krieg unter
dem, was das ſechszehnte Jahrhundert übrig gelaſſen, nament-
lich an dem männlichen Aeußern bedeutend aufgeräumt und
ſeine eigenen Formen an die Stelle gebracht, aber auch dieſe
gingen bald wieder aus einander. Es kam dann in den Kriegen
Ludwigs XIV. das Franzöſiſche dazu, nachdem auch die eigen-
thümlichen ſtädtiſchen Bildungen bereits auf das Land hinaus-
gedrungen waren. So verſchieden nach Zeit, Ort und Um-
ſtänden das geſchah, ſo verſchieden und bunt zuſammengeſetzt
aus den Formen mehrerer Gegenden und mehrerer Zeiten ent-
wickelten ſich auch die Volkstrachten. Noch heute können wir

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[261/0273] 4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode. kommen, allmählig verſchwinden und im nächſten Jahrhundert ganz erlöſchen. Intereſſant iſt im Kampf mit der franzöſiſchen Mode die Trachtengeſchichte Straßburgs. Dieſe Stadt hatte ſich bisher durch eigenthümliche Formen ausgezeichnet und ſie mit Vorliebe feſtgehalten. Als ſie aber im Jahr 1685 franzöſiſch wurde, da mußten Bürgermeiſter und Rath unter Beſtätigung und Ver- ſchärfung des franzöſiſchen Intendanten ein Mandat erlaſſen, welches die deutſche Tracht verbot und binnen vier Monaten die franzöſiſche anzulegen befahl. Die Stadt fügte ſich. Allein im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts bildeten ſich grade aus der franzöſiſchen Mode wieder neue feſte Formen als Volkstracht heraus, welche zu Goethe’s Zeit, wie wir aus Wahrheit und Dichtung wiſſen, wieder als deutſche galten im Gegenſatz zur Mode von Paris. Auch dieſen machte ein abſoluter Befehl ein Ende, der nur die wenigen höflichen Worte in einer „Procla- mation der Volksrepräſentanten“ enthielt: „Die Bürgerinnen Straßburgs ſind eingeladen die deutſche Tracht abzulegen, da ihre Herzen fränkiſch geſinnt ſind.“ Aber es war das Schreckens- jahr 1793, und die Volksrepräſentanten, deren Namen darunter ſtanden, waren St. Juſt und Lebas. Es iſt leider an dieſer Stelle nicht weiter möglich, der länd- lichen Volkstracht im Einzelnen nachzugehen, da ſie ſich nun ins Unendliche zerſplittert, wenn ſie auch ihre gemeinſame Aus- gangsquelle hat. Zwar hatte der dreißigjährige Krieg unter dem, was das ſechszehnte Jahrhundert übrig gelaſſen, nament- lich an dem männlichen Aeußern bedeutend aufgeräumt und ſeine eigenen Formen an die Stelle gebracht, aber auch dieſe gingen bald wieder aus einander. Es kam dann in den Kriegen Ludwigs XIV. das Franzöſiſche dazu, nachdem auch die eigen- thümlichen ſtädtiſchen Bildungen bereits auf das Land hinaus- gedrungen waren. So verſchieden nach Zeit, Ort und Um- ſtänden das geſchah, ſo verſchieden und bunt zuſammengeſetzt aus den Formen mehrerer Gegenden und mehrerer Zeiten ent- wickelten ſich auch die Volkstrachten. Noch heute können wir

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/273>, abgerufen am 26.11.2024.