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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
Mode loszusagen. Es wird von seiner Haartracht erzählt: "Der
König hatte das schönste Haar in der Welt gehabt von einem
dunklen Blond, allein er hatte es abschneiden lassen und lange
Zeit braune Zopfperrücken getragen; in den letzten Jahren seines
Lebens trug er kleine, selbst weiße Perrücken, die zwar schlecht
gemacht waren, die aber, wie einem schönen Gesicht alles gut
steht, ihn doch gut kleideten." In gleichem Sinne mußte sich
Hof und Beamtenwelt umgestalten, und die fremden Staats-
perrücken und Haarbeutel, welche als Gesandte oder in anderer
Eigenschaft bei ihm erschienen und die sein Eigenwille nicht er-
reichen konnte, verhöhnte er dadurch, daß er alles, was für un-
ehrlich galt, Henker, Schinder und Büttel, ebenso kleiden ließ.

Die folgenreichste Umänderung nahm er mit dem Militär
vor, dessen Aeußeres er in allen Dingen vereinfachte, wodurch
es bald zum Muster für die übrigen Staaten wurde. Das lange,
ohnehin für den Gamaschendienst unbequeme Eigenhaar des Sol-
daten ließ er hinten zusammenfassen und in einen Zopf binden,
dessen Ruhm alsbald in seiner Länge und Dicke bestand. Das
war die erste Ehre, welche dem natürlichen Haar wieder zu Theil
wurde. Indem ihn auch der Offizier annahm bis zum General
hinauf, erhielt der Zopf auch für die höheren Kreise der Gesell-
schaft ein gewisses Bürgerrecht, obwohl er nur langsam in die
civile Welt überging, und die Offiziere der nichtpreußischen Ar-
meen, der Franzosen, Engländer und der andern Deutschen,
noch Jahrzehnte lang bis über die Mitte des Jahrhunderts hin-
aus eine ansehnliche Perrücke trugen. Der Uebergang und der
Sieg des Zopfes wurde dadurch erleichtert, daß er sich auch seiner
Gegnerin anhing, und somit Beutelperrücke und Zopfperrücke
noch neben dem Eigenhaar ihren Kampf auszukämpfen hatten.
Der Salon wollte noch lange nichts von ihm wissen -- in
Preußen gab es eigentlich damals keinen solchen unter dem bür-
gerlichen Regiment des Königs --; vor allen aber widersetzten
sich diejenigen, welche die Würde, die Gravität des Amtes und
der Wissenschaft in Anspruch nahmen, die Geistlichen und die
Gelehrten. Sie hielten auch am längsten an der großen Form

III. Die Neuzeit.
Mode loszuſagen. Es wird von ſeiner Haartracht erzählt: „Der
König hatte das ſchönſte Haar in der Welt gehabt von einem
dunklen Blond, allein er hatte es abſchneiden laſſen und lange
Zeit braune Zopfperrücken getragen; in den letzten Jahren ſeines
Lebens trug er kleine, ſelbſt weiße Perrücken, die zwar ſchlecht
gemacht waren, die aber, wie einem ſchönen Geſicht alles gut
ſteht, ihn doch gut kleideten.“ In gleichem Sinne mußte ſich
Hof und Beamtenwelt umgeſtalten, und die fremden Staats-
perrücken und Haarbeutel, welche als Geſandte oder in anderer
Eigenſchaft bei ihm erſchienen und die ſein Eigenwille nicht er-
reichen konnte, verhöhnte er dadurch, daß er alles, was für un-
ehrlich galt, Henker, Schinder und Büttel, ebenſo kleiden ließ.

Die folgenreichſte Umänderung nahm er mit dem Militär
vor, deſſen Aeußeres er in allen Dingen vereinfachte, wodurch
es bald zum Muſter für die übrigen Staaten wurde. Das lange,
ohnehin für den Gamaſchendienſt unbequeme Eigenhaar des Sol-
daten ließ er hinten zuſammenfaſſen und in einen Zopf binden,
deſſen Ruhm alsbald in ſeiner Länge und Dicke beſtand. Das
war die erſte Ehre, welche dem natürlichen Haar wieder zu Theil
wurde. Indem ihn auch der Offizier annahm bis zum General
hinauf, erhielt der Zopf auch für die höheren Kreiſe der Geſell-
ſchaft ein gewiſſes Bürgerrecht, obwohl er nur langſam in die
civile Welt überging, und die Offiziere der nichtpreußiſchen Ar-
meen, der Franzoſen, Engländer und der andern Deutſchen,
noch Jahrzehnte lang bis über die Mitte des Jahrhunderts hin-
aus eine anſehnliche Perrücke trugen. Der Uebergang und der
Sieg des Zopfes wurde dadurch erleichtert, daß er ſich auch ſeiner
Gegnerin anhing, und ſomit Beutelperrücke und Zopfperrücke
noch neben dem Eigenhaar ihren Kampf auszukämpfen hatten.
Der Salon wollte noch lange nichts von ihm wiſſen — in
Preußen gab es eigentlich damals keinen ſolchen unter dem bür-
gerlichen Regiment des Königs —; vor allen aber widerſetzten
ſich diejenigen, welche die Würde, die Gravität des Amtes und
der Wiſſenſchaft in Anſpruch nahmen, die Geiſtlichen und die
Gelehrten. Sie hielten auch am längſten an der großen Form

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[268/0280] III. Die Neuzeit. Mode loszuſagen. Es wird von ſeiner Haartracht erzählt: „Der König hatte das ſchönſte Haar in der Welt gehabt von einem dunklen Blond, allein er hatte es abſchneiden laſſen und lange Zeit braune Zopfperrücken getragen; in den letzten Jahren ſeines Lebens trug er kleine, ſelbſt weiße Perrücken, die zwar ſchlecht gemacht waren, die aber, wie einem ſchönen Geſicht alles gut ſteht, ihn doch gut kleideten.“ In gleichem Sinne mußte ſich Hof und Beamtenwelt umgeſtalten, und die fremden Staats- perrücken und Haarbeutel, welche als Geſandte oder in anderer Eigenſchaft bei ihm erſchienen und die ſein Eigenwille nicht er- reichen konnte, verhöhnte er dadurch, daß er alles, was für un- ehrlich galt, Henker, Schinder und Büttel, ebenſo kleiden ließ. Die folgenreichſte Umänderung nahm er mit dem Militär vor, deſſen Aeußeres er in allen Dingen vereinfachte, wodurch es bald zum Muſter für die übrigen Staaten wurde. Das lange, ohnehin für den Gamaſchendienſt unbequeme Eigenhaar des Sol- daten ließ er hinten zuſammenfaſſen und in einen Zopf binden, deſſen Ruhm alsbald in ſeiner Länge und Dicke beſtand. Das war die erſte Ehre, welche dem natürlichen Haar wieder zu Theil wurde. Indem ihn auch der Offizier annahm bis zum General hinauf, erhielt der Zopf auch für die höheren Kreiſe der Geſell- ſchaft ein gewiſſes Bürgerrecht, obwohl er nur langſam in die civile Welt überging, und die Offiziere der nichtpreußiſchen Ar- meen, der Franzoſen, Engländer und der andern Deutſchen, noch Jahrzehnte lang bis über die Mitte des Jahrhunderts hin- aus eine anſehnliche Perrücke trugen. Der Uebergang und der Sieg des Zopfes wurde dadurch erleichtert, daß er ſich auch ſeiner Gegnerin anhing, und ſomit Beutelperrücke und Zopfperrücke noch neben dem Eigenhaar ihren Kampf auszukämpfen hatten. Der Salon wollte noch lange nichts von ihm wiſſen — in Preußen gab es eigentlich damals keinen ſolchen unter dem bür- gerlichen Regiment des Königs —; vor allen aber widerſetzten ſich diejenigen, welche die Würde, die Gravität des Amtes und der Wiſſenſchaft in Anſpruch nahmen, die Geiſtlichen und die Gelehrten. Sie hielten auch am längſten an der großen Form

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/280>, abgerufen am 26.11.2024.