ten Gold- und Silberknöpfen. Man findet noch häufig diese Erbstöcke aus der Großväter oder Urgroßväter Zeit.
Der Stock machte den Degen an der Seite nicht über- flüssig, ja derselbe gehörte in seiner zierlichen Salongestalt mit dem blitzenden, brillantirten Stahlgriff so nothwendig zum Gan- zen, daß König Ludwig von Bayern mit Recht das Costüm die "Degentracht" nennen konnte. Eigentlich ist er nur als ein Ueber- bleibsel der ersten kriegerischen Hälfte des siebzehnten Jahr- hunderts zu betrachten, aber er verwuchs ganz mit der neuen Zeit, welche bei ihrer Schwächlichkeit um so eifriger sich ein wehrhaftes Ansehn zu geben suchte. Grade wie in der manierir- ten spanischen Zeit wurde er auch jetzt in mehr horizontaler als senkrechter Lage getragen. Schon im siebzehnten Jahrhundert mußte er den Handwerksburschen verboten werden, die seiner freilich auf der Wanderschaft bei der Unsicherheit der Straßen wohl bedurften. Im achtzehnten waren die vornehmen Stände, bei denen ihn auch die Kinder zur Gala trugen, sehr eifersüchtig auf seinen Gebrauch, doch konnten sie nicht verhindern, daß er in einer Allgemeinheit getragen wurde, welche fast nur die Geist- lichen ausschloß. Bei der Verweltlichung der damaligen Geist- lichkeit gab es nicht wenig Candidaten, die sich sehr nach ihm sehnten. Eine hannoverische Ordnung von 1731 verbietet den Degen allen Pagen und Lakaien des Hofes oder der Hofbeamten, allen Livreebedienten ohne Ausnahme, allen Köchen, Schülern, Kauf- und Ladendienern, allen Gesellen der Maler, Gold- schmiede, Bildhauer, Uhrmacher, Glasschneider und aller derer, die sich Künstler nennen, den Handwerksburschen, Knechten und Gesellen, Reisende ausgenommen. Auch der studirenden Jugend wird er verboten, Kinder von "Standespersonen" und solche, welche schon wirkliche Akademien besuchen, also Studenten, aus- genommen; den Musikanten, Barbier- und Apothekergehülfen ist er nicht gestattet, den beeidigten Provisoren aber erlaubt. In- deß ging es mit diesen Gesetzen nicht besser wie mit den übrigen Kleiderordnungen.
Es ist kaum nöthig zu erwähnen, daß in allen diesen Din-
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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
ten Gold- und Silberknöpfen. Man findet noch häufig dieſe Erbſtöcke aus der Großväter oder Urgroßväter Zeit.
Der Stock machte den Degen an der Seite nicht über- flüſſig, ja derſelbe gehörte in ſeiner zierlichen Salongeſtalt mit dem blitzenden, brillantirten Stahlgriff ſo nothwendig zum Gan- zen, daß König Ludwig von Bayern mit Recht das Coſtüm die „Degentracht“ nennen konnte. Eigentlich iſt er nur als ein Ueber- bleibſel der erſten kriegeriſchen Hälfte des ſiebzehnten Jahr- hunderts zu betrachten, aber er verwuchs ganz mit der neuen Zeit, welche bei ihrer Schwächlichkeit um ſo eifriger ſich ein wehrhaftes Anſehn zu geben ſuchte. Grade wie in der manierir- ten ſpaniſchen Zeit wurde er auch jetzt in mehr horizontaler als ſenkrechter Lage getragen. Schon im ſiebzehnten Jahrhundert mußte er den Handwerksburſchen verboten werden, die ſeiner freilich auf der Wanderſchaft bei der Unſicherheit der Straßen wohl bedurften. Im achtzehnten waren die vornehmen Stände, bei denen ihn auch die Kinder zur Gala trugen, ſehr eiferſüchtig auf ſeinen Gebrauch, doch konnten ſie nicht verhindern, daß er in einer Allgemeinheit getragen wurde, welche faſt nur die Geiſt- lichen ausſchloß. Bei der Verweltlichung der damaligen Geiſt- lichkeit gab es nicht wenig Candidaten, die ſich ſehr nach ihm ſehnten. Eine hannoveriſche Ordnung von 1731 verbietet den Degen allen Pagen und Lakaien des Hofes oder der Hofbeamten, allen Livréebedienten ohne Ausnahme, allen Köchen, Schülern, Kauf- und Ladendienern, allen Geſellen der Maler, Gold- ſchmiede, Bildhauer, Uhrmacher, Glasſchneider und aller derer, die ſich Künſtler nennen, den Handwerksburſchen, Knechten und Geſellen, Reiſende ausgenommen. Auch der ſtudirenden Jugend wird er verboten, Kinder von „Standesperſonen“ und ſolche, welche ſchon wirkliche Akademien beſuchen, alſo Studenten, aus- genommen; den Muſikanten, Barbier- und Apothekergehülfen iſt er nicht geſtattet, den beeidigten Proviſoren aber erlaubt. In- deß ging es mit dieſen Geſetzen nicht beſſer wie mit den übrigen Kleiderordnungen.
Es iſt kaum nöthig zu erwähnen, daß in allen dieſen Din-
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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
ten Gold- und Silberknöpfen. Man findet noch häufig dieſe
Erbſtöcke aus der Großväter oder Urgroßväter Zeit.
Der Stock machte den Degen an der Seite nicht über-
flüſſig, ja derſelbe gehörte in ſeiner zierlichen Salongeſtalt mit
dem blitzenden, brillantirten Stahlgriff ſo nothwendig zum Gan-
zen, daß König Ludwig von Bayern mit Recht das Coſtüm die
„Degentracht“ nennen konnte. Eigentlich iſt er nur als ein Ueber-
bleibſel der erſten kriegeriſchen Hälfte des ſiebzehnten Jahr-
hunderts zu betrachten, aber er verwuchs ganz mit der neuen
Zeit, welche bei ihrer Schwächlichkeit um ſo eifriger ſich ein
wehrhaftes Anſehn zu geben ſuchte. Grade wie in der manierir-
ten ſpaniſchen Zeit wurde er auch jetzt in mehr horizontaler als
ſenkrechter Lage getragen. Schon im ſiebzehnten Jahrhundert
mußte er den Handwerksburſchen verboten werden, die ſeiner
freilich auf der Wanderſchaft bei der Unſicherheit der Straßen
wohl bedurften. Im achtzehnten waren die vornehmen Stände,
bei denen ihn auch die Kinder zur Gala trugen, ſehr eiferſüchtig
auf ſeinen Gebrauch, doch konnten ſie nicht verhindern, daß er
in einer Allgemeinheit getragen wurde, welche faſt nur die Geiſt-
lichen ausſchloß. Bei der Verweltlichung der damaligen Geiſt-
lichkeit gab es nicht wenig Candidaten, die ſich ſehr nach ihm
ſehnten. Eine hannoveriſche Ordnung von 1731 verbietet den
Degen allen Pagen und Lakaien des Hofes oder der Hofbeamten,
allen Livréebedienten ohne Ausnahme, allen Köchen, Schülern,
Kauf- und Ladendienern, allen Geſellen der Maler, Gold-
ſchmiede, Bildhauer, Uhrmacher, Glasſchneider und aller derer,
die ſich Künſtler nennen, den Handwerksburſchen, Knechten und
Geſellen, Reiſende ausgenommen. Auch der ſtudirenden Jugend
wird er verboten, Kinder von „Standesperſonen“ und ſolche,
welche ſchon wirkliche Akademien beſuchen, alſo Studenten, aus-
genommen; den Muſikanten, Barbier- und Apothekergehülfen
iſt er nicht geſtattet, den beeidigten Proviſoren aber erlaubt. In-
deß ging es mit dieſen Geſetzen nicht beſſer wie mit den übrigen
Kleiderordnungen.
Es iſt kaum nöthig zu erwähnen, daß in allen dieſen Din-
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/287>, abgerufen am 29.07.2024.
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