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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
schon wieder seinem Falle. Mit dem Beginn des achtzehnten
Jahrhunderts zum zweiten Male in's Leben gekommen, fällt sein
Werden und Wachsen mit dem Sinken der Fontange und mit
der kleinen Frisur zusammen, so daß wir die ganze Regirungs-
zeit Ludwigs XV. als seine vorzüglichste Periode betrachten
müssen. Man sagte damals von den Frauen:

"Was ihnen an der Höh' des Hauptes ist benommen,
Dasselbe haben sie an Breite itzt bekommen;
Das Fundament wird weit, der Gipfel aber klein,
Und alles muß dabei nicht nach der Baukunst sein."

Die neue Mode trat sofort in solcher Ausdehnung auf,
daß schon im Jahr 1714 sich eine litterarische Fehde darüber er-
hob, welche sich in Spottschriften für und wider fortsetzte. Es
liegt uns von dem genannten Jahre eine, wie es scheint, ernst-
lich gemeinte Vertheidigungsschrift vor, welche den Titel führt:
"Eines Galanten und gelehrten Frauenzimmers Gutachten von
zwey curieuser Leute Sentiment über die Contusch- und Reiffen-
Röcke. Gedruckt in Meissen Anno 1714." Es mußte also be-
reits ein doppelter Angriff vor sich gegangen sein, gegen den
Reifrock wie gegen die Contusche, ein durch jenen erst entstan-
denes Kleidungsstück. Die Schrift wirft nicht mit Unrecht die
Vorwürfe auf die Männer und ihre Perrücke zurück und bringt dann
zum Lobe des Reifrocks und seines Erfinders unter anderem fol-
gendes vor: "Ja der kluge Erfinder desselben hat allerdings
verdienet, daß er von den Edelsten unsers Geschlechtes mit bil-
ligen Panegyricis bei Lebenszeit bis in Himmel erhoben, bei
seinem Absterben aber, wie einstens Mons. Frauenlob, zu Grabe
getragen worden wäre, und daß man ihm den allermöglichsten,
uns aber nicht disreputirlichen Douceur in gewissen Jubilaeis
machte und den Tag der Erfindung mit einigen Freudenbezei-
gungen feierlich beginge. Denn, bedenket nur, geliebte Schwe-
stern, was vor Nutzen und Bequemlichkeit hat er uns durch
seine kluge Erfindung zuwege gebracht. Es ist einmal nicht nur
unter uns, sondern unter dem männlichen Geschlechte eine aus-

5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
ſchon wieder ſeinem Falle. Mit dem Beginn des achtzehnten
Jahrhunderts zum zweiten Male in’s Leben gekommen, fällt ſein
Werden und Wachſen mit dem Sinken der Fontange und mit
der kleinen Friſur zuſammen, ſo daß wir die ganze Regirungs-
zeit Ludwigs XV. als ſeine vorzüglichſte Periode betrachten
müſſen. Man ſagte damals von den Frauen:

„Was ihnen an der Höh’ des Hauptes iſt benommen,
Daſſelbe haben ſie an Breite itzt bekommen;
Das Fundament wird weit, der Gipfel aber klein,
Und alles muß dabei nicht nach der Baukunſt ſein.“

Die neue Mode trat ſofort in ſolcher Ausdehnung auf,
daß ſchon im Jahr 1714 ſich eine litterariſche Fehde darüber er-
hob, welche ſich in Spottſchriften für und wider fortſetzte. Es
liegt uns von dem genannten Jahre eine, wie es ſcheint, ernſt-
lich gemeinte Vertheidigungsſchrift vor, welche den Titel führt:
„Eines Galanten und gelehrten Frauenzimmers Gutachten von
zwey curieuſer Leute Sentiment über die Contuſch- und Reiffen-
Röcke. Gedruckt in Meiſſen Anno 1714.“ Es mußte alſo be-
reits ein doppelter Angriff vor ſich gegangen ſein, gegen den
Reifrock wie gegen die Contuſche, ein durch jenen erſt entſtan-
denes Kleidungsſtück. Die Schrift wirft nicht mit Unrecht die
Vorwürfe auf die Männer und ihre Perrücke zurück und bringt dann
zum Lobe des Reifrocks und ſeines Erfinders unter anderem fol-
gendes vor: „Ja der kluge Erfinder deſſelben hat allerdings
verdienet, daß er von den Edelſten unſers Geſchlechtes mit bil-
ligen Panegyricis bei Lebenszeit bis in Himmel erhoben, bei
ſeinem Abſterben aber, wie einſtens Mons. Frauenlob, zu Grabe
getragen worden wäre, und daß man ihm den allermöglichſten,
uns aber nicht disreputirlichen Douceur in gewiſſen Jubilaeis
machte und den Tag der Erfindung mit einigen Freudenbezei-
gungen feierlich beginge. Denn, bedenket nur, geliebte Schwe-
ſtern, was vor Nutzen und Bequemlichkeit hat er uns durch
ſeine kluge Erfindung zuwege gebracht. Es iſt einmal nicht nur
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[283/0295] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. ſchon wieder ſeinem Falle. Mit dem Beginn des achtzehnten Jahrhunderts zum zweiten Male in’s Leben gekommen, fällt ſein Werden und Wachſen mit dem Sinken der Fontange und mit der kleinen Friſur zuſammen, ſo daß wir die ganze Regirungs- zeit Ludwigs XV. als ſeine vorzüglichſte Periode betrachten müſſen. Man ſagte damals von den Frauen: „Was ihnen an der Höh’ des Hauptes iſt benommen, Daſſelbe haben ſie an Breite itzt bekommen; Das Fundament wird weit, der Gipfel aber klein, Und alles muß dabei nicht nach der Baukunſt ſein.“ Die neue Mode trat ſofort in ſolcher Ausdehnung auf, daß ſchon im Jahr 1714 ſich eine litterariſche Fehde darüber er- hob, welche ſich in Spottſchriften für und wider fortſetzte. Es liegt uns von dem genannten Jahre eine, wie es ſcheint, ernſt- lich gemeinte Vertheidigungsſchrift vor, welche den Titel führt: „Eines Galanten und gelehrten Frauenzimmers Gutachten von zwey curieuſer Leute Sentiment über die Contuſch- und Reiffen- Röcke. Gedruckt in Meiſſen Anno 1714.“ Es mußte alſo be- reits ein doppelter Angriff vor ſich gegangen ſein, gegen den Reifrock wie gegen die Contuſche, ein durch jenen erſt entſtan- denes Kleidungsſtück. Die Schrift wirft nicht mit Unrecht die Vorwürfe auf die Männer und ihre Perrücke zurück und bringt dann zum Lobe des Reifrocks und ſeines Erfinders unter anderem fol- gendes vor: „Ja der kluge Erfinder deſſelben hat allerdings verdienet, daß er von den Edelſten unſers Geſchlechtes mit bil- ligen Panegyricis bei Lebenszeit bis in Himmel erhoben, bei ſeinem Abſterben aber, wie einſtens Mons. Frauenlob, zu Grabe getragen worden wäre, und daß man ihm den allermöglichſten, uns aber nicht disreputirlichen Douceur in gewiſſen Jubilaeis machte und den Tag der Erfindung mit einigen Freudenbezei- gungen feierlich beginge. Denn, bedenket nur, geliebte Schwe- ſtern, was vor Nutzen und Bequemlichkeit hat er uns durch ſeine kluge Erfindung zuwege gebracht. Es iſt einmal nicht nur unter uns, ſondern unter dem männlichen Geſchlechte eine aus-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/295>, abgerufen am 25.11.2024.