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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
dem Werther geliebt und gelitten hatten, kleideten sich auch in
seiner Weise, und selbst den empfindsamen Damen mußte diese
Tracht verehrungswürdig erscheinen, weil Werther sagt: "in
diesen Kleidern, Lotte, will ich begraben sein, denn du hast sie
berührt, geheiliget." Die Puderfrisur und der Zopf waren
damit aber noch nicht abgelegt, sie gehörten im Gegentheil noch
zu dieser Tracht, wie die Sentimentalität den Schöngeistern nahe
stand. Selbst als Karl August im Jahr 1780 den Zopf wirklich
ablegte und das Haar rund schnitt, änderte das nichts am Kopfe
der Eleganten.

Es ist aber das bezeichnend, daß schon in den beiden letzten
Jahrzehnten vor der französischen Revolution diejenigen als die
Eleganten, als die Stutzer und Löwen galten, welche mit dem
einfachen blauen oder braunen Frack, mit rundem Hut und
Stulpstiefeln der neuen freieren Mode folgten; nur mußten auch
sie, wenn sie im Salon erschienen, Schuhe und Strümpfe tragen
und den dreieckigen Hut unter dem Arm und den Degen an der
Seite führen. Die eigentliche Anerkennung verschaffte der neuen
Tracht erst die französische Revolution und in ihrem Gefolge der
Umschwung der Ideen und Gesellschaftsformen.

Ehe wir darauf weiter eingehen und namentlich die Ge-
schichte des Hutes und der Stiefeln sowie das Ende des Zopfes
näher verfolgen, haben wir noch eine dem männlichen Stutzer-
thum ähnliche Erscheinung bei den Frauen zu bemerken. Wir
wissen, daß in den Kreisen der schöngeistigen Welt die Frauen an
allen Begebenheiten des litterarischen Lebens selbst activ theil-
nahmen, wie denn ohne sie die Sentimentalitätsperiode gar nicht
denkbar wäre. In ähnlicher Weise, den Schöngeistern gleich,
emancipiren sie sich von der Mode und schaffen sich nach dem
Muster des männlichen ein eigenes Costüm. Einige streichen
das Haar selbst herunter und binden es hinten mit einer Schleife
zu einer Art Zopf zusammen; gewöhnlicher jedoch wölben sie es
einfacher als die Mode, von Stirn und Schläfen kugelartig in
die Höhe in den s. g. herisson (Stachelschwein). Aber sie
fangen schon an, den Puder wegzulassen, oder bestreuen ihren

III. Die Neuzeit.
dem Werther geliebt und gelitten hatten, kleideten ſich auch in
ſeiner Weiſe, und ſelbſt den empfindſamen Damen mußte dieſe
Tracht verehrungswürdig erſcheinen, weil Werther ſagt: „in
dieſen Kleidern, Lotte, will ich begraben ſein, denn du haſt ſie
berührt, geheiliget.“ Die Puderfriſur und der Zopf waren
damit aber noch nicht abgelegt, ſie gehörten im Gegentheil noch
zu dieſer Tracht, wie die Sentimentalität den Schöngeiſtern nahe
ſtand. Selbſt als Karl Auguſt im Jahr 1780 den Zopf wirklich
ablegte und das Haar rund ſchnitt, änderte das nichts am Kopfe
der Eleganten.

Es iſt aber das bezeichnend, daß ſchon in den beiden letzten
Jahrzehnten vor der franzöſiſchen Revolution diejenigen als die
Eleganten, als die Stutzer und Löwen galten, welche mit dem
einfachen blauen oder braunen Frack, mit rundem Hut und
Stulpſtiefeln der neuen freieren Mode folgten; nur mußten auch
ſie, wenn ſie im Salon erſchienen, Schuhe und Strümpfe tragen
und den dreieckigen Hut unter dem Arm und den Degen an der
Seite führen. Die eigentliche Anerkennung verſchaffte der neuen
Tracht erſt die franzöſiſche Revolution und in ihrem Gefolge der
Umſchwung der Ideen und Geſellſchaftsformen.

Ehe wir darauf weiter eingehen und namentlich die Ge-
ſchichte des Hutes und der Stiefeln ſowie das Ende des Zopfes
näher verfolgen, haben wir noch eine dem männlichen Stutzer-
thum ähnliche Erſcheinung bei den Frauen zu bemerken. Wir
wiſſen, daß in den Kreiſen der ſchöngeiſtigen Welt die Frauen an
allen Begebenheiten des litterariſchen Lebens ſelbſt activ theil-
nahmen, wie denn ohne ſie die Sentimentalitätsperiode gar nicht
denkbar wäre. In ähnlicher Weiſe, den Schöngeiſtern gleich,
emancipiren ſie ſich von der Mode und ſchaffen ſich nach dem
Muſter des männlichen ein eigenes Coſtüm. Einige ſtreichen
das Haar ſelbſt herunter und binden es hinten mit einer Schleife
zu einer Art Zopf zuſammen; gewöhnlicher jedoch wölben ſie es
einfacher als die Mode, von Stirn und Schläfen kugelartig in
die Höhe in den ſ. g. hérisson (Stachelſchwein). Aber ſie
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[298/0310] III. Die Neuzeit. dem Werther geliebt und gelitten hatten, kleideten ſich auch in ſeiner Weiſe, und ſelbſt den empfindſamen Damen mußte dieſe Tracht verehrungswürdig erſcheinen, weil Werther ſagt: „in dieſen Kleidern, Lotte, will ich begraben ſein, denn du haſt ſie berührt, geheiliget.“ Die Puderfriſur und der Zopf waren damit aber noch nicht abgelegt, ſie gehörten im Gegentheil noch zu dieſer Tracht, wie die Sentimentalität den Schöngeiſtern nahe ſtand. Selbſt als Karl Auguſt im Jahr 1780 den Zopf wirklich ablegte und das Haar rund ſchnitt, änderte das nichts am Kopfe der Eleganten. Es iſt aber das bezeichnend, daß ſchon in den beiden letzten Jahrzehnten vor der franzöſiſchen Revolution diejenigen als die Eleganten, als die Stutzer und Löwen galten, welche mit dem einfachen blauen oder braunen Frack, mit rundem Hut und Stulpſtiefeln der neuen freieren Mode folgten; nur mußten auch ſie, wenn ſie im Salon erſchienen, Schuhe und Strümpfe tragen und den dreieckigen Hut unter dem Arm und den Degen an der Seite führen. Die eigentliche Anerkennung verſchaffte der neuen Tracht erſt die franzöſiſche Revolution und in ihrem Gefolge der Umſchwung der Ideen und Geſellſchaftsformen. Ehe wir darauf weiter eingehen und namentlich die Ge- ſchichte des Hutes und der Stiefeln ſowie das Ende des Zopfes näher verfolgen, haben wir noch eine dem männlichen Stutzer- thum ähnliche Erſcheinung bei den Frauen zu bemerken. Wir wiſſen, daß in den Kreiſen der ſchöngeiſtigen Welt die Frauen an allen Begebenheiten des litterariſchen Lebens ſelbſt activ theil- nahmen, wie denn ohne ſie die Sentimentalitätsperiode gar nicht denkbar wäre. In ähnlicher Weiſe, den Schöngeiſtern gleich, emancipiren ſie ſich von der Mode und ſchaffen ſich nach dem Muſter des männlichen ein eigenes Coſtüm. Einige ſtreichen das Haar ſelbſt herunter und binden es hinten mit einer Schleife zu einer Art Zopf zuſammen; gewöhnlicher jedoch wölben ſie es einfacher als die Mode, von Stirn und Schläfen kugelartig in die Höhe in den ſ. g. hérisson (Stachelſchwein). Aber ſie fangen ſchon an, den Puder wegzulaſſen, oder beſtreuen ihren

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/310>, abgerufen am 24.11.2024.