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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.

Der Mann kleidete sich en neglige, wenn er seinen gewöhn-
lichen Tagesgeschäften und Arbeiten nachging. Dann trugen
nur noch die äußersten Pedanten, die alten Herren, die noch
ganz in der Erinnerung ihrer Jugendgalanterie lebten, den drei-
eckigen Hut unter dem Arm; sonst drückte man den Hut a l' An-
drosmane
auf die gepuderte Zopffrisur. Dieser Hut ist das
Vorbild des napoleonischen: der Kopf war rund und ziemlich
klein, im Nacken stand eine breite Krämpe hochaufgerichtet, und
die beiden Seitenkrämpen, die eigentlich nur eine waren, bilde-
ten eine Kante über der Stirn. Rock und Weste hatten keine
oder doch nur eine Andeutung von Stickerei; die letztere war
kürzer und ohne Schöße. Die Strümpfe waren farbig, meist
buntgestreift, und den Degen ersetzte das lange Bambusrohr mit
Knopf, Band und Quaste. Ueber dem Rock und Frack lag auch,
je nach dem Wetter, ein langer, buntgestreifter Sürtout oder
Oberrock.

Die gestreiften und geblümten Stoffe liebte noch vorzugs-
weise der wohlhabende deutsche Bürgersmann. Der bunte kost-
bare Rock oder Oberrock, die geblümte und bestickte Weste, ein-
mal zur Hochzeit angeschafft, mußten fast ein Menschenalter aus-
halten und pflegten dann in verkleinerter Gestalt auf die Kinder
überzugehen. So ist des Großvaters bunte seidene Weste mit
großen Taschen und Klappen darüber eine traditionelle Erinne-
rung der Familien geblieben, und in mancher mag sie sich gar
als ehrwürdiges, mit Pietät geschontes Erbstück noch bis heute
erhalten haben. Wir wollen beispielsweise ein paar solcher
Muster Lyoner Fabrikats, wie sie im Jahr 1786 Mode waren,
aufführen; man sieht ihnen an, daß die künstlerische Phantasie
ziemlich zu Ende war. Es gab einen Moirewestenstoff von vio-
lettem Grund mit grüner Bordüre, in welcher lauter Affen waren,
die silberne Sonnenschirme trugen; ein anderer violetter Moire-
stoff hatte weiße Bordüre und grünes Eichenlaub mit Figuren
von der Niederjagd, Hasen, Hunde, Feldhühner, Vögel; ein
anderer wieder hatte die höhere Jagd; einer wird so beschrieben:
"Grund fumee de Londres, mit Gartenwerk und Vogelfang,

5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.

Der Mann kleidete ſich en negligé, wenn er ſeinen gewöhn-
lichen Tagesgeſchäften und Arbeiten nachging. Dann trugen
nur noch die äußerſten Pedanten, die alten Herren, die noch
ganz in der Erinnerung ihrer Jugendgalanterie lebten, den drei-
eckigen Hut unter dem Arm; ſonſt drückte man den Hut à l’ An-
drosmane
auf die gepuderte Zopffriſur. Dieſer Hut iſt das
Vorbild des napoleoniſchen: der Kopf war rund und ziemlich
klein, im Nacken ſtand eine breite Krämpe hochaufgerichtet, und
die beiden Seitenkrämpen, die eigentlich nur eine waren, bilde-
ten eine Kante über der Stirn. Rock und Weſte hatten keine
oder doch nur eine Andeutung von Stickerei; die letztere war
kürzer und ohne Schöße. Die Strümpfe waren farbig, meiſt
buntgeſtreift, und den Degen erſetzte das lange Bambusrohr mit
Knopf, Band und Quaſte. Ueber dem Rock und Frack lag auch,
je nach dem Wetter, ein langer, buntgeſtreifter Sürtout oder
Oberrock.

Die geſtreiften und geblümten Stoffe liebte noch vorzugs-
weiſe der wohlhabende deutſche Bürgersmann. Der bunte koſt-
bare Rock oder Oberrock, die geblümte und beſtickte Weſte, ein-
mal zur Hochzeit angeſchafft, mußten faſt ein Menſchenalter aus-
halten und pflegten dann in verkleinerter Geſtalt auf die Kinder
überzugehen. So iſt des Großvaters bunte ſeidene Weſte mit
großen Taſchen und Klappen darüber eine traditionelle Erinne-
rung der Familien geblieben, und in mancher mag ſie ſich gar
als ehrwürdiges, mit Pietät geſchontes Erbſtück noch bis heute
erhalten haben. Wir wollen beiſpielsweiſe ein paar ſolcher
Muſter Lyoner Fabrikats, wie ſie im Jahr 1786 Mode waren,
aufführen; man ſieht ihnen an, daß die künſtleriſche Phantaſie
ziemlich zu Ende war. Es gab einen Moiréweſtenſtoff von vio-
lettem Grund mit grüner Bordüre, in welcher lauter Affen waren,
die ſilberne Sonnenſchirme trugen; ein anderer violetter Moiré-
ſtoff hatte weiße Bordüre und grünes Eichenlaub mit Figuren
von der Niederjagd, Haſen, Hunde, Feldhühner, Vögel; ein
anderer wieder hatte die höhere Jagd; einer wird ſo beſchrieben:
„Grund fumée de Londres, mit Gartenwerk und Vogelfang,

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[303/0315] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. Der Mann kleidete ſich en negligé, wenn er ſeinen gewöhn- lichen Tagesgeſchäften und Arbeiten nachging. Dann trugen nur noch die äußerſten Pedanten, die alten Herren, die noch ganz in der Erinnerung ihrer Jugendgalanterie lebten, den drei- eckigen Hut unter dem Arm; ſonſt drückte man den Hut à l’ An- drosmane auf die gepuderte Zopffriſur. Dieſer Hut iſt das Vorbild des napoleoniſchen: der Kopf war rund und ziemlich klein, im Nacken ſtand eine breite Krämpe hochaufgerichtet, und die beiden Seitenkrämpen, die eigentlich nur eine waren, bilde- ten eine Kante über der Stirn. Rock und Weſte hatten keine oder doch nur eine Andeutung von Stickerei; die letztere war kürzer und ohne Schöße. Die Strümpfe waren farbig, meiſt buntgeſtreift, und den Degen erſetzte das lange Bambusrohr mit Knopf, Band und Quaſte. Ueber dem Rock und Frack lag auch, je nach dem Wetter, ein langer, buntgeſtreifter Sürtout oder Oberrock. Die geſtreiften und geblümten Stoffe liebte noch vorzugs- weiſe der wohlhabende deutſche Bürgersmann. Der bunte koſt- bare Rock oder Oberrock, die geblümte und beſtickte Weſte, ein- mal zur Hochzeit angeſchafft, mußten faſt ein Menſchenalter aus- halten und pflegten dann in verkleinerter Geſtalt auf die Kinder überzugehen. So iſt des Großvaters bunte ſeidene Weſte mit großen Taſchen und Klappen darüber eine traditionelle Erinne- rung der Familien geblieben, und in mancher mag ſie ſich gar als ehrwürdiges, mit Pietät geſchontes Erbſtück noch bis heute erhalten haben. Wir wollen beiſpielsweiſe ein paar ſolcher Muſter Lyoner Fabrikats, wie ſie im Jahr 1786 Mode waren, aufführen; man ſieht ihnen an, daß die künſtleriſche Phantaſie ziemlich zu Ende war. Es gab einen Moiréweſtenſtoff von vio- lettem Grund mit grüner Bordüre, in welcher lauter Affen waren, die ſilberne Sonnenſchirme trugen; ein anderer violetter Moiré- ſtoff hatte weiße Bordüre und grünes Eichenlaub mit Figuren von der Niederjagd, Haſen, Hunde, Feldhühner, Vögel; ein anderer wieder hatte die höhere Jagd; einer wird ſo beſchrieben: „Grund fumée de Londres, mit Gartenwerk und Vogelfang,

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/315>, abgerufen am 24.11.2024.