Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. Verdacht kamen falsch zu sein. Die Satire bemächtigte sich balddieses Gegenstandes, und man erzählte sich, man habe die neuen Wachsbusen nun auch mit Springfedern versehen, wodurch man Seufzer und Herzklopfen natürlich nachmachen könne; ja man habe sogar die Verfeinerung angebracht, auf der wächsernen Oberfläche ein jungfräuliches Erröthen erscheinen zu lassen u. dergl. m. Uebrigens sah man auch in Paris im Jahr 1805 in einem Putzmacherladen des Palais royal künstliche Busen-, Schulter- und Rückenstücke von fein geröthetem Leder mit darauf gemaltem feinen Geäder; Ressorts ahmten das künstliche Athmen nach; der Preis war sieben Napoleonsd'or. Die damalige über- triebene Decolletirung hatte dergleichen künstliche Aushülfen der Eitelkeit nothwendig erscheinen lassen. Hiermit sind wir aber schon in die Zeit der französischen In den ersten Jahren schien es fast, als wollte die Mode III. Die Neuzeit. Verdacht kamen falſch zu ſein. Die Satire bemächtigte ſich balddieſes Gegenſtandes, und man erzählte ſich, man habe die neuen Wachsbuſen nun auch mit Springfedern verſehen, wodurch man Seufzer und Herzklopfen natürlich nachmachen könne; ja man habe ſogar die Verfeinerung angebracht, auf der wächſernen Oberfläche ein jungfräuliches Erröthen erſcheinen zu laſſen u. dergl. m. Uebrigens ſah man auch in Paris im Jahr 1805 in einem Putzmacherladen des Palais royal künſtliche Buſen-, Schulter- und Rückenſtücke von fein geröthetem Leder mit darauf gemaltem feinen Geäder; Reſſorts ahmten das künſtliche Athmen nach; der Preis war ſieben Napoleonsd’or. Die damalige über- triebene Decolletirung hatte dergleichen künſtliche Aushülfen der Eitelkeit nothwendig erſcheinen laſſen. Hiermit ſind wir aber ſchon in die Zeit der franzöſiſchen In den erſten Jahren ſchien es faſt, als wollte die Mode <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0318" n="306"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> Verdacht kamen falſch zu ſein. Die Satire bemächtigte ſich bald<lb/> dieſes Gegenſtandes, und man erzählte ſich, man habe die neuen<lb/> Wachsbuſen nun auch mit Springfedern verſehen, wodurch man<lb/> Seufzer und Herzklopfen natürlich nachmachen könne; ja man<lb/> habe ſogar die Verfeinerung angebracht, auf der wächſernen<lb/> Oberfläche ein jungfräuliches Erröthen erſcheinen zu laſſen u.<lb/> dergl. m. Uebrigens ſah man auch in Paris im Jahr 1805 in<lb/> einem Putzmacherladen des Palais royal künſtliche Buſen-,<lb/> Schulter- und Rückenſtücke von fein geröthetem Leder mit darauf<lb/> gemaltem feinen Geäder; Reſſorts ahmten das künſtliche Athmen<lb/> nach; der Preis war ſieben Napoleonsd’or. Die damalige über-<lb/> triebene Decolletirung hatte dergleichen künſtliche Aushülfen der<lb/> Eitelkeit nothwendig erſcheinen laſſen.</p><lb/> <p>Hiermit ſind wir aber ſchon in die Zeit der franzöſiſchen<lb/> Revolution eingetreten; ſehen wir nun, wie ſie umwandelnd auf<lb/> das Coſtüm einwirkte.</p><lb/> <p>In den erſten Jahren ſchien es faſt, als wollte die Mode<lb/> in Paris ſtill ſtehen, und als ſei alles Intereſſe, auch das der<lb/> Damen, von den drängenden Ereigniſſen der Politik in Anſpruch<lb/> genommen. Selbſt der Correſpondent des Modejournals hat<lb/> Mühe, ſeine Berichte auszufüllen, und ſpricht weit mehr von<lb/> der Politik als von den eigentlichen Gegenſtänden ſeiner Briefe.<lb/> Während die Form im Großen, der ganze Charakter der Klei-<lb/> dung noch zu bleiben ſcheint wie er war, erinnern uns nur Ein-<lb/> zelheiten mit ihren wechſelnden Namen an die gleich der Mode<lb/> raſch vorübereilenden Tagesereigniſſe und an die Männer, welche<lb/> die <hi rendition="#aq">Aura popularis</hi> heute hebt und morgen ſtürzt. So hatte<lb/> man gleich im Anfang Tabatieren <hi rendition="#aq">à la Necker,</hi> man hatte eine<lb/><hi rendition="#aq">couleur de Bastille,</hi> eine <hi rendition="#aq">Robe à la Nation,</hi> Fächer <hi rendition="#aq">à la Mira-<lb/> beau</hi> und auch einen ganzen Anzug <hi rendition="#aq">à l’Egalité.</hi> Eine vorüber-<lb/> gehende Laune war es, wenn im Jahr 1790 nach dem Vorgange<lb/> der kleinen Stadt Iſſoudun ganz Frankreich ſeine ſilbernen<lb/> Schuhſchnallen auf dem Altar des Vaterlandes zum Opfer bringen<lb/> und fortan nur tombackne Schnallen oder ſchwarze Bänder tragen<lb/> wollte. Bald darauf trug man in ganz Frankreich auf’s neue<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [306/0318]
III. Die Neuzeit.
Verdacht kamen falſch zu ſein. Die Satire bemächtigte ſich bald
dieſes Gegenſtandes, und man erzählte ſich, man habe die neuen
Wachsbuſen nun auch mit Springfedern verſehen, wodurch man
Seufzer und Herzklopfen natürlich nachmachen könne; ja man
habe ſogar die Verfeinerung angebracht, auf der wächſernen
Oberfläche ein jungfräuliches Erröthen erſcheinen zu laſſen u.
dergl. m. Uebrigens ſah man auch in Paris im Jahr 1805 in
einem Putzmacherladen des Palais royal künſtliche Buſen-,
Schulter- und Rückenſtücke von fein geröthetem Leder mit darauf
gemaltem feinen Geäder; Reſſorts ahmten das künſtliche Athmen
nach; der Preis war ſieben Napoleonsd’or. Die damalige über-
triebene Decolletirung hatte dergleichen künſtliche Aushülfen der
Eitelkeit nothwendig erſcheinen laſſen.
Hiermit ſind wir aber ſchon in die Zeit der franzöſiſchen
Revolution eingetreten; ſehen wir nun, wie ſie umwandelnd auf
das Coſtüm einwirkte.
In den erſten Jahren ſchien es faſt, als wollte die Mode
in Paris ſtill ſtehen, und als ſei alles Intereſſe, auch das der
Damen, von den drängenden Ereigniſſen der Politik in Anſpruch
genommen. Selbſt der Correſpondent des Modejournals hat
Mühe, ſeine Berichte auszufüllen, und ſpricht weit mehr von
der Politik als von den eigentlichen Gegenſtänden ſeiner Briefe.
Während die Form im Großen, der ganze Charakter der Klei-
dung noch zu bleiben ſcheint wie er war, erinnern uns nur Ein-
zelheiten mit ihren wechſelnden Namen an die gleich der Mode
raſch vorübereilenden Tagesereigniſſe und an die Männer, welche
die Aura popularis heute hebt und morgen ſtürzt. So hatte
man gleich im Anfang Tabatieren à la Necker, man hatte eine
couleur de Bastille, eine Robe à la Nation, Fächer à la Mira-
beau und auch einen ganzen Anzug à l’Egalité. Eine vorüber-
gehende Laune war es, wenn im Jahr 1790 nach dem Vorgange
der kleinen Stadt Iſſoudun ganz Frankreich ſeine ſilbernen
Schuhſchnallen auf dem Altar des Vaterlandes zum Opfer bringen
und fortan nur tombackne Schnallen oder ſchwarze Bänder tragen
wollte. Bald darauf trug man in ganz Frankreich auf’s neue
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