Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. Landgraf von Hessen-Cassel, derselbe, welcher später als Kur-fürst nach dem Auskehren der westphälischen Wirthschaft den Zopf in seinen Staaten wieder einzuführen suchte, bediente sich eines Mittels, welches wohl öfter angewandt worden ist. Er suchte die neue Tracht, die er für ein Zeichen des Jakobinismus hielt, verächtlich zu machen und kleidete deßhalb (1799) eine ge- wisse Classe von Zuchthäuslern, die s. g. Galerensklaven, wie man sie in Cassel nannte, in dieselbe. So trugen sie den gro- ßen Rundhut, einen Frack mit langem und breitem Schnitt von dem gröbsten und schlechtesten Tuch von violetter Farbe, vorn mit einer Reihe weit stehender Knöpfe, ungeheuer weit und schlotternd; weite Pantalons von Trillig; einen schrecklichen Halstuchwulst von einer weit größeren Peripherie als der Kopf selbst; Schnabelschuhe, wenigstens eine Elle lang, von hartem, schlechtem Leder mit zollhohen, plumpen Rahmensohlen, einen Kopf a la Charles XII., rattenkahl abgesäbelt, dessen Sturzeln sie alle Tage in die Höhe wichsen mußten. So werden sie ge- schildert, und so erschienen sie zum Schrecken aller Stutzer, mit Ketten an den Gliedern und Werkzeugen zur Straßensäuberung in den Händen, freilich von einer Wache begleitet, an öffent- lichen Orten, im Theater, auf der Straße, überall, wo der Stutzer seinen Lieblingsaufenthalt hatte. Wenn auch die Casselaner Stutzer vor solchem Anblick flo- III. Die Neuzeit. Landgraf von Heſſen-Caſſel, derſelbe, welcher ſpäter als Kur-fürſt nach dem Auskehren der weſtphäliſchen Wirthſchaft den Zopf in ſeinen Staaten wieder einzuführen ſuchte, bediente ſich eines Mittels, welches wohl öfter angewandt worden iſt. Er ſuchte die neue Tracht, die er für ein Zeichen des Jakobinismus hielt, verächtlich zu machen und kleidete deßhalb (1799) eine ge- wiſſe Claſſe von Zuchthäuslern, die ſ. g. Galerenſklaven, wie man ſie in Caſſel nannte, in dieſelbe. So trugen ſie den gro- ßen Rundhut, einen Frack mit langem und breitem Schnitt von dem gröbſten und ſchlechteſten Tuch von violetter Farbe, vorn mit einer Reihe weit ſtehender Knöpfe, ungeheuer weit und ſchlotternd; weite Pantalons von Trillig; einen ſchrecklichen Halstuchwulſt von einer weit größeren Peripherie als der Kopf ſelbſt; Schnabelſchuhe, wenigſtens eine Elle lang, von hartem, ſchlechtem Leder mit zollhohen, plumpen Rahmenſohlen, einen Kopf à la Charles XII., rattenkahl abgeſäbelt, deſſen Sturzeln ſie alle Tage in die Höhe wichſen mußten. So werden ſie ge- ſchildert, und ſo erſchienen ſie zum Schrecken aller Stutzer, mit Ketten an den Gliedern und Werkzeugen zur Straßenſäuberung in den Händen, freilich von einer Wache begleitet, an öffent- lichen Orten, im Theater, auf der Straße, überall, wo der Stutzer ſeinen Lieblingsaufenthalt hatte. Wenn auch die Caſſelaner Stutzer vor ſolchem Anblick flo- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0330" n="318"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> Landgraf von Heſſen-Caſſel, derſelbe, welcher ſpäter als Kur-<lb/> fürſt nach dem Auskehren der weſtphäliſchen Wirthſchaft den<lb/> Zopf in ſeinen Staaten wieder einzuführen ſuchte, bediente ſich<lb/> eines Mittels, welches wohl öfter angewandt worden iſt. Er<lb/> ſuchte die neue Tracht, die er für ein Zeichen des Jakobinismus<lb/> hielt, verächtlich zu machen und kleidete deßhalb (1799) eine ge-<lb/> wiſſe Claſſe von Zuchthäuslern, die ſ. g. Galerenſklaven, wie<lb/> man ſie in Caſſel nannte, in dieſelbe. 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III. Die Neuzeit.
Landgraf von Heſſen-Caſſel, derſelbe, welcher ſpäter als Kur-
fürſt nach dem Auskehren der weſtphäliſchen Wirthſchaft den
Zopf in ſeinen Staaten wieder einzuführen ſuchte, bediente ſich
eines Mittels, welches wohl öfter angewandt worden iſt. Er
ſuchte die neue Tracht, die er für ein Zeichen des Jakobinismus
hielt, verächtlich zu machen und kleidete deßhalb (1799) eine ge-
wiſſe Claſſe von Zuchthäuslern, die ſ. g. Galerenſklaven, wie
man ſie in Caſſel nannte, in dieſelbe. So trugen ſie den gro-
ßen Rundhut, einen Frack mit langem und breitem Schnitt von
dem gröbſten und ſchlechteſten Tuch von violetter Farbe, vorn
mit einer Reihe weit ſtehender Knöpfe, ungeheuer weit und
ſchlotternd; weite Pantalons von Trillig; einen ſchrecklichen
Halstuchwulſt von einer weit größeren Peripherie als der Kopf
ſelbſt; Schnabelſchuhe, wenigſtens eine Elle lang, von hartem,
ſchlechtem Leder mit zollhohen, plumpen Rahmenſohlen, einen
Kopf à la Charles XII., rattenkahl abgeſäbelt, deſſen Sturzeln
ſie alle Tage in die Höhe wichſen mußten. So werden ſie ge-
ſchildert, und ſo erſchienen ſie zum Schrecken aller Stutzer, mit
Ketten an den Gliedern und Werkzeugen zur Straßenſäuberung
in den Händen, freilich von einer Wache begleitet, an öffent-
lichen Orten, im Theater, auf der Straße, überall, wo der
Stutzer ſeinen Lieblingsaufenthalt hatte.
Wenn auch die Caſſelaner Stutzer vor ſolchem Anblick flo-
hen, ſo half die Maßregel auf die Dauer ſo wenig wie die An-
griffe, die man anderswo gegen den runden Hut als das
Hauptzeichen des Jakobinismus ſchleuderte. Es heißt unter an-
derm: „Der runde Hut ſchändet die Figur des Mannes eben ſo
ſehr als die Hundsohren, womit er ſich zu ſchmücken beliebt.
Unter der Ueberflügelung ſeines Hutes ſcheint er irgend eine
ſchändliche Abſicht, eine ſchwarze That auszubrüten, ſowie der
Bediente in der Komödie mit niedergeſtülptem Hut, zu dem
ſein Kamerad ſagte: er gleiche einem Mitverſchwornen, wie ein
Waſſertropfen dem andern .... Wenn ehemals in Paris ein
Miſſethäter zur öffentlichen Preisſtellung ausgeführt ward, ſo
bat er ſeinen Henker um die Erlaubniß, ſeinen Hut niederſchla-
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