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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
nicht entziehen. Nur die höchsten Festtage des Lebens zeigen sie
in heller, glänzender, bunter Pracht.

Wenn man die zahlreichen Portraits der Niederländer be-
trachtet, des Rubens, van Dyck und ihrer Zeitgenossen, so sollte
man meinen, es sei der Anblick der Menschen in der ersten Hälfte
des siebzehnten Jahrhunderts derselbe geblieben. Allein selbst in
den Niederlanden waren es nur die Männer und zwar vorzugs-
weise der wohlhabenden Classen, denen der solide, schwere Ernst
des schwarzen Sammets gefiel, und den sie mit nobler Haltung
zu verbinden wußten; die Frauen machten ein glänzendes, fast
farbenüppiges Gegenbild dazu, das aber der allgemeine Ge-
schmack, der Farbensinn, den die niederländische Kunst hervor-
rief, zu wirkungsvoller, doch wohlthuender Harmonie zusammen
stimmte. In Deutschland war alsbald die Aufregung des
Krieges drauf und dran, den finstern Ernst der Kleidung zu ver-
jagen, so sehr, daß nun die protestantischen Geistlichen selbst die
Hülfe der Obrigkeiten herbeiriefen, um wenigstens für die Kirche
den schwarzen Anzug aufrecht zu erhalten. Vordem hatte nie-
mand daran Anstoß genommen wenn die heitere Farbenlust auch
in der Kirche zum Gottesdienst sich einstellte, zumal die alte
Kirche selbst ihre feierlichen Handlungen mit höchster Pracht be-
gleitete. Die Zeit des dreißigjährigen Kriegs sah überall im
Leben die hellen Farben wieder emporblühen und überließ das
Schwarz der protestantischen Geistlichkeit und rathsherrlicher
Würde in den Reichsstädten, die mit zähem Beharren beim Alten
blieben. Auf die übrige Welt scheint etwas vom niederländischen
Farbensinn übergegangen zu sein; man verbindet die vollen
Farben mit gebrochenen und weiß sie zusammen zu stimmen,
vielleicht unabsichtlich, aber doch mit richtigem Gefühl.

Das ändert sich in dem Zeitalter des großen Ludwig. Wir
haben oben kennen lernen, wie der Charakter dieser Periode sich
aus den stärksten Gegensätzen zusammenbildet. Die abgestumpf-
ten Naturen bedurften starker Reizmittel; für Feinheit war kein
Gefühl vorhanden, und so schwindet der künstlerische Sinn, der
Reiz der vollendeten Harmonie, die eigentliche Farbenstimmung.

III. Die Neuzeit.
nicht entziehen. Nur die höchſten Feſttage des Lebens zeigen ſie
in heller, glänzender, bunter Pracht.

Wenn man die zahlreichen Portraits der Niederländer be-
trachtet, des Rubens, van Dyck und ihrer Zeitgenoſſen, ſo ſollte
man meinen, es ſei der Anblick der Menſchen in der erſten Hälfte
des ſiebzehnten Jahrhunderts derſelbe geblieben. Allein ſelbſt in
den Niederlanden waren es nur die Männer und zwar vorzugs-
weiſe der wohlhabenden Claſſen, denen der ſolide, ſchwere Ernſt
des ſchwarzen Sammets gefiel, und den ſie mit nobler Haltung
zu verbinden wußten; die Frauen machten ein glänzendes, faſt
farbenüppiges Gegenbild dazu, das aber der allgemeine Ge-
ſchmack, der Farbenſinn, den die niederländiſche Kunſt hervor-
rief, zu wirkungsvoller, doch wohlthuender Harmonie zuſammen
ſtimmte. In Deutſchland war alsbald die Aufregung des
Krieges drauf und dran, den finſtern Ernſt der Kleidung zu ver-
jagen, ſo ſehr, daß nun die proteſtantiſchen Geiſtlichen ſelbſt die
Hülfe der Obrigkeiten herbeiriefen, um wenigſtens für die Kirche
den ſchwarzen Anzug aufrecht zu erhalten. Vordem hatte nie-
mand daran Anſtoß genommen wenn die heitere Farbenluſt auch
in der Kirche zum Gottesdienſt ſich einſtellte, zumal die alte
Kirche ſelbſt ihre feierlichen Handlungen mit höchſter Pracht be-
gleitete. Die Zeit des dreißigjährigen Kriegs ſah überall im
Leben die hellen Farben wieder emporblühen und überließ das
Schwarz der proteſtantiſchen Geiſtlichkeit und rathsherrlicher
Würde in den Reichsſtädten, die mit zähem Beharren beim Alten
blieben. Auf die übrige Welt ſcheint etwas vom niederländiſchen
Farbenſinn übergegangen zu ſein; man verbindet die vollen
Farben mit gebrochenen und weiß ſie zuſammen zu ſtimmen,
vielleicht unabſichtlich, aber doch mit richtigem Gefühl.

Das ändert ſich in dem Zeitalter des großen Ludwig. Wir
haben oben kennen lernen, wie der Charakter dieſer Periode ſich
aus den ſtärkſten Gegenſätzen zuſammenbildet. Die abgeſtumpf-
ten Naturen bedurften ſtarker Reizmittel; für Feinheit war kein
Gefühl vorhanden, und ſo ſchwindet der künſtleriſche Sinn, der
Reiz der vollendeten Harmonie, die eigentliche Farbenſtimmung.

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[326/0338] III. Die Neuzeit. nicht entziehen. Nur die höchſten Feſttage des Lebens zeigen ſie in heller, glänzender, bunter Pracht. Wenn man die zahlreichen Portraits der Niederländer be- trachtet, des Rubens, van Dyck und ihrer Zeitgenoſſen, ſo ſollte man meinen, es ſei der Anblick der Menſchen in der erſten Hälfte des ſiebzehnten Jahrhunderts derſelbe geblieben. Allein ſelbſt in den Niederlanden waren es nur die Männer und zwar vorzugs- weiſe der wohlhabenden Claſſen, denen der ſolide, ſchwere Ernſt des ſchwarzen Sammets gefiel, und den ſie mit nobler Haltung zu verbinden wußten; die Frauen machten ein glänzendes, faſt farbenüppiges Gegenbild dazu, das aber der allgemeine Ge- ſchmack, der Farbenſinn, den die niederländiſche Kunſt hervor- rief, zu wirkungsvoller, doch wohlthuender Harmonie zuſammen ſtimmte. In Deutſchland war alsbald die Aufregung des Krieges drauf und dran, den finſtern Ernſt der Kleidung zu ver- jagen, ſo ſehr, daß nun die proteſtantiſchen Geiſtlichen ſelbſt die Hülfe der Obrigkeiten herbeiriefen, um wenigſtens für die Kirche den ſchwarzen Anzug aufrecht zu erhalten. Vordem hatte nie- mand daran Anſtoß genommen wenn die heitere Farbenluſt auch in der Kirche zum Gottesdienſt ſich einſtellte, zumal die alte Kirche ſelbſt ihre feierlichen Handlungen mit höchſter Pracht be- gleitete. Die Zeit des dreißigjährigen Kriegs ſah überall im Leben die hellen Farben wieder emporblühen und überließ das Schwarz der proteſtantiſchen Geiſtlichkeit und rathsherrlicher Würde in den Reichsſtädten, die mit zähem Beharren beim Alten blieben. Auf die übrige Welt ſcheint etwas vom niederländiſchen Farbenſinn übergegangen zu ſein; man verbindet die vollen Farben mit gebrochenen und weiß ſie zuſammen zu ſtimmen, vielleicht unabſichtlich, aber doch mit richtigem Gefühl. Das ändert ſich in dem Zeitalter des großen Ludwig. Wir haben oben kennen lernen, wie der Charakter dieſer Periode ſich aus den ſtärkſten Gegenſätzen zuſammenbildet. Die abgeſtumpf- ten Naturen bedurften ſtarker Reizmittel; für Feinheit war kein Gefühl vorhanden, und ſo ſchwindet der künſtleriſche Sinn, der Reiz der vollendeten Harmonie, die eigentliche Farbenſtimmung.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/338>, abgerufen am 02.06.2024.