Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Die Neuzeit.
mit einem Schnürlein umwinden oder durchziehen sollen, wie
von Alters herkommen". Von dieser letzteren Bestimmung ist ein
adliger Ritter frei, doch soll die Kette nicht über vierhundert Gul-
den werth sein. Für die Edelfrauen wird der Schmuck an Heft-
lein, Halsbändern und andern Kleinodien, Ringe ausgenommen,
auf zweihundert Gulden festgesetzt, wozu noch für vierzig Gul-
den an Schmuck der Haube und des Baretts kommen und eben-
soviel an goldenen Borten und Gürteln. Grafen und Herren
sind Ketten zu fünfhundert Gulden erlaubt und ihren Frauen zu
sechshundert. -- Einige andere Bestimmungen dieser sehr ins
Einzelne gehenden Verordnung, das Barett und die Zerschlitzung
betreffend, kennen wir bereits, auf andere, die sich auf die Frauen
beziehen, werden wir noch zurückkommen.

Den Fürsten sowohl wie den Behörden der Städte wurde
aufgegeben, dieses Gesetz in ihre Lande einzuführen und zu über-
wachen; es geschah aber nicht oder doch nur sehr unzureichend,
sodaß im Jahre 1548 eine Erneuerung folgte mit verschärfter
Drohung und Festsetzung einer Geldstrafe für die säumigen
Obrigkeiten. Wenn dennoch uns aus den unzähligen Bildern
dieser kunstreichen Zeit eine vollständig auch im Aeußern geglie-
derte Welt entgegentritt, so ist das mehr Zeichen und Frucht
eines gesunden Lebens und natürlicher, freier Entwicklung als
Erfolg zweifelhafter Luxusgesetze.

Es ist wieder die Schaube, "das Ehrenkleid", wie sie in der
österreichischen Verordnung ausdrücklich genannt wird, es ist die-
ser stattliche weite Ueberwurf, ohnehin schon das charakteristische
Kleidungsstück des Mannes in der Reformationsperiode, an
welchem diese Unterschiede sich offenbaren. Die Schaube ist das
Fürstenkleid, der Ehrenrock des Patriziers und das Sonntags-
kleid des Bürgers und des wohlhabenden Bauern. Von "gülden
und silbern Stück", d. h. von Gold- und Silberbrokat, mit Zo-
bel oder Hermelin gefüttert und ausgeschlagen und mit gleichem
breit ausgelegten Kragen umhüllte er die fürstlichen Schultern.
Der Brokatstoff konnte reines Metallfadengewirke sein mit rei-
cher Musterung, "Gold übergoldet", "Silber über Silber", ein

III. Die Neuzeit.
mit einem Schnürlein umwinden oder durchziehen ſollen, wie
von Alters herkommen“. Von dieſer letzteren Beſtimmung iſt ein
adliger Ritter frei, doch ſoll die Kette nicht über vierhundert Gul-
den werth ſein. Für die Edelfrauen wird der Schmuck an Heft-
lein, Halsbändern und andern Kleinodien, Ringe ausgenommen,
auf zweihundert Gulden feſtgeſetzt, wozu noch für vierzig Gul-
den an Schmuck der Haube und des Baretts kommen und eben-
ſoviel an goldenen Borten und Gürteln. Grafen und Herren
ſind Ketten zu fünfhundert Gulden erlaubt und ihren Frauen zu
ſechshundert. — Einige andere Beſtimmungen dieſer ſehr ins
Einzelne gehenden Verordnung, das Barett und die Zerſchlitzung
betreffend, kennen wir bereits, auf andere, die ſich auf die Frauen
beziehen, werden wir noch zurückkommen.

Den Fürſten ſowohl wie den Behörden der Städte wurde
aufgegeben, dieſes Geſetz in ihre Lande einzuführen und zu über-
wachen; es geſchah aber nicht oder doch nur ſehr unzureichend,
ſodaß im Jahre 1548 eine Erneuerung folgte mit verſchärfter
Drohung und Feſtſetzung einer Geldſtrafe für die ſäumigen
Obrigkeiten. Wenn dennoch uns aus den unzähligen Bildern
dieſer kunſtreichen Zeit eine vollſtändig auch im Aeußern geglie-
derte Welt entgegentritt, ſo iſt das mehr Zeichen und Frucht
eines geſunden Lebens und natürlicher, freier Entwicklung als
Erfolg zweifelhafter Luxusgeſetze.

Es iſt wieder die Schaube, „das Ehrenkleid“, wie ſie in der
öſterreichiſchen Verordnung ausdrücklich genannt wird, es iſt die-
ſer ſtattliche weite Ueberwurf, ohnehin ſchon das charakteriſtiſche
Kleidungsſtück des Mannes in der Reformationsperiode, an
welchem dieſe Unterſchiede ſich offenbaren. Die Schaube iſt das
Fürſtenkleid, der Ehrenrock des Patriziers und das Sonntags-
kleid des Bürgers und des wohlhabenden Bauern. Von „gülden
und ſilbern Stück“, d. h. von Gold- und Silberbrokat, mit Zo-
bel oder Hermelin gefüttert und ausgeſchlagen und mit gleichem
breit ausgelegten Kragen umhüllte er die fürſtlichen Schultern.
Der Brokatſtoff konnte reines Metallfadengewirke ſein mit rei-
cher Muſterung, „Gold übergoldet“, „Silber über Silber“, ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0072" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/>
mit einem Schnürlein umwinden oder durchziehen &#x017F;ollen, wie<lb/>
von Alters herkommen&#x201C;. Von die&#x017F;er letzteren Be&#x017F;timmung i&#x017F;t ein<lb/>
adliger Ritter frei, doch &#x017F;oll die Kette nicht über vierhundert Gul-<lb/>
den werth &#x017F;ein. Für die Edelfrauen wird der Schmuck an Heft-<lb/>
lein, Halsbändern und andern Kleinodien, Ringe ausgenommen,<lb/>
auf zweihundert Gulden fe&#x017F;tge&#x017F;etzt, wozu noch für vierzig Gul-<lb/>
den an Schmuck der Haube und des Baretts kommen und eben-<lb/>
&#x017F;oviel an goldenen Borten und Gürteln. Grafen und Herren<lb/>
&#x017F;ind Ketten zu fünfhundert Gulden erlaubt und ihren Frauen zu<lb/>
&#x017F;echshundert. &#x2014; Einige andere Be&#x017F;timmungen die&#x017F;er &#x017F;ehr ins<lb/>
Einzelne gehenden Verordnung, das Barett und die Zer&#x017F;chlitzung<lb/>
betreffend, kennen wir bereits, auf andere, die &#x017F;ich auf die Frauen<lb/>
beziehen, werden wir noch zurückkommen.</p><lb/>
          <p>Den Für&#x017F;ten &#x017F;owohl wie den Behörden der Städte wurde<lb/>
aufgegeben, die&#x017F;es Ge&#x017F;etz in ihre Lande einzuführen und zu über-<lb/>
wachen; es ge&#x017F;chah aber nicht oder doch nur &#x017F;ehr unzureichend,<lb/>
&#x017F;odaß im Jahre 1548 eine Erneuerung folgte mit ver&#x017F;chärfter<lb/>
Drohung und Fe&#x017F;t&#x017F;etzung einer Geld&#x017F;trafe für die &#x017F;äumigen<lb/>
Obrigkeiten. Wenn dennoch uns aus den unzähligen Bildern<lb/>
die&#x017F;er kun&#x017F;treichen Zeit eine voll&#x017F;tändig auch im Aeußern geglie-<lb/>
derte Welt entgegentritt, &#x017F;o i&#x017F;t das mehr Zeichen und Frucht<lb/>
eines ge&#x017F;unden Lebens und natürlicher, freier Entwicklung als<lb/>
Erfolg zweifelhafter Luxusge&#x017F;etze.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t wieder die Schaube, &#x201E;das Ehrenkleid&#x201C;, wie &#x017F;ie in der<lb/>
ö&#x017F;terreichi&#x017F;chen Verordnung ausdrücklich genannt wird, es i&#x017F;t die-<lb/>
&#x017F;er &#x017F;tattliche weite Ueberwurf, ohnehin &#x017F;chon das charakteri&#x017F;ti&#x017F;che<lb/>
Kleidungs&#x017F;tück des Mannes in der Reformationsperiode, an<lb/>
welchem die&#x017F;e Unter&#x017F;chiede &#x017F;ich offenbaren. Die Schaube i&#x017F;t das<lb/>
Für&#x017F;tenkleid, der Ehrenrock des Patriziers und das Sonntags-<lb/>
kleid des Bürgers und des wohlhabenden Bauern. Von &#x201E;gülden<lb/>
und &#x017F;ilbern Stück&#x201C;, d. h. von Gold- und Silberbrokat, mit Zo-<lb/>
bel oder Hermelin gefüttert und ausge&#x017F;chlagen und mit gleichem<lb/>
breit ausgelegten Kragen umhüllte er die für&#x017F;tlichen Schultern.<lb/>
Der Brokat&#x017F;toff konnte reines Metallfadengewirke &#x017F;ein mit rei-<lb/>
cher Mu&#x017F;terung, &#x201E;Gold übergoldet&#x201C;, &#x201E;Silber über Silber&#x201C;, ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0072] III. Die Neuzeit. mit einem Schnürlein umwinden oder durchziehen ſollen, wie von Alters herkommen“. Von dieſer letzteren Beſtimmung iſt ein adliger Ritter frei, doch ſoll die Kette nicht über vierhundert Gul- den werth ſein. Für die Edelfrauen wird der Schmuck an Heft- lein, Halsbändern und andern Kleinodien, Ringe ausgenommen, auf zweihundert Gulden feſtgeſetzt, wozu noch für vierzig Gul- den an Schmuck der Haube und des Baretts kommen und eben- ſoviel an goldenen Borten und Gürteln. Grafen und Herren ſind Ketten zu fünfhundert Gulden erlaubt und ihren Frauen zu ſechshundert. — Einige andere Beſtimmungen dieſer ſehr ins Einzelne gehenden Verordnung, das Barett und die Zerſchlitzung betreffend, kennen wir bereits, auf andere, die ſich auf die Frauen beziehen, werden wir noch zurückkommen. Den Fürſten ſowohl wie den Behörden der Städte wurde aufgegeben, dieſes Geſetz in ihre Lande einzuführen und zu über- wachen; es geſchah aber nicht oder doch nur ſehr unzureichend, ſodaß im Jahre 1548 eine Erneuerung folgte mit verſchärfter Drohung und Feſtſetzung einer Geldſtrafe für die ſäumigen Obrigkeiten. Wenn dennoch uns aus den unzähligen Bildern dieſer kunſtreichen Zeit eine vollſtändig auch im Aeußern geglie- derte Welt entgegentritt, ſo iſt das mehr Zeichen und Frucht eines geſunden Lebens und natürlicher, freier Entwicklung als Erfolg zweifelhafter Luxusgeſetze. Es iſt wieder die Schaube, „das Ehrenkleid“, wie ſie in der öſterreichiſchen Verordnung ausdrücklich genannt wird, es iſt die- ſer ſtattliche weite Ueberwurf, ohnehin ſchon das charakteriſtiſche Kleidungsſtück des Mannes in der Reformationsperiode, an welchem dieſe Unterſchiede ſich offenbaren. Die Schaube iſt das Fürſtenkleid, der Ehrenrock des Patriziers und das Sonntags- kleid des Bürgers und des wohlhabenden Bauern. Von „gülden und ſilbern Stück“, d. h. von Gold- und Silberbrokat, mit Zo- bel oder Hermelin gefüttert und ausgeſchlagen und mit gleichem breit ausgelegten Kragen umhüllte er die fürſtlichen Schultern. Der Brokatſtoff konnte reines Metallfadengewirke ſein mit rei- cher Muſterung, „Gold übergoldet“, „Silber über Silber“, ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/72
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/72>, abgerufen am 21.11.2024.