Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. der uns wahre Musterbilder städtisch-vornehmer Eleganz giebt,treffen wir ihn mehrfach an. -- Da die ganze Periode der reformatorischen Bewegungen den Die Frauenkleidung strebte ebenso nach Freiheit und III. Die Neuzeit. der uns wahre Muſterbilder ſtädtiſch-vornehmer Eleganz giebt,treffen wir ihn mehrfach an. — Da die ganze Periode der reformatoriſchen Bewegungen den Die Frauenkleidung ſtrebte ebenſo nach Freiheit und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0076" n="64"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> der uns wahre Muſterbilder ſtädtiſch-vornehmer Eleganz giebt,<lb/> treffen wir ihn mehrfach an. —</p><lb/> <p>Da die ganze Periode der reformatoriſchen Bewegungen den<lb/><hi rendition="#g">Mann</hi> in den Grundfeſten ſeiner geiſtigen und bürgerlichen<lb/> Exiſtenz erſchüttert und in neue Bahnen wirft, da der Ernſt der<lb/> Zeit auf ihm laſtet und alle ſeine Kräfte in Thätigkeit ruft, ſo<lb/> trägt auch die äußere Erſcheinung dieſer Menſchenwelt einen vor-<lb/> zugsweiſe männlichen Charakter. Wie im zwölften und drei-<lb/> zehnten Jahrhundert in der Entwicklung der Trachten die <hi rendition="#g">Frau</hi><lb/> voranging und weiblich edler Geſchmack den Weg zeigte und die<lb/> Formen angab, nach denen ſich auch die männliche Kleidung rich-<lb/> tete, ſo iſt jetzt der umgekehrte Fall eingetreten: der Mann iſt<lb/> der Führer, welcher ſelbſtändig und erfinderiſch im Gebiet der<lb/> Mode einherſchreitet, und die Frau folgt und wandelt ihr Aeuße-<lb/> res nach dem Vorbild und im Geiſte des Mannes. Es iſt nicht<lb/> zu ihrem Nachtheil, denn wenn ihr auch etwas von der aben-<lb/> teuerlichen Luſt und Eitelkeit des Landsknechts anfliegt, ſo ringt<lb/> ſie ſich doch aus der narrenhaften Verſchrobenheit und Bizarrerie,<lb/> aus den unnatürlichen Zwangsformen des funfzehnten Jahrhun-<lb/> derts heraus zu freier, ſtolzer, faſt männlicher Haltung, zu voller,<lb/> maleriſcher Schönheit ohne Zwang und Unnatur. Es liegt<lb/> etwas Nobles, Imponirendes in den weiblichen Erſcheinungen<lb/> dieſer Zeit, wie ſie uns die Kunſt, getreu die Natur copirend,<lb/> vorführt. Frei von aller Sentimentalität — die derb geſunde<lb/> Zeit kannte ſie nicht — ſtehen ſie im Gegenſatz zu den Frauen<lb/> des dreizehnten Jahrhunderts, welche die ſchwanke Haltung und<lb/> die faſt empfindſame Neigung des Kopfes charakteriſirt. Begün-<lb/> ſtigt von der Kleidung, bewegen ſie ſich ſo frei wie natürlich<lb/> und ſo anmuthig wie würdevoll. Aber das dauerte gleich der<lb/> männlichen Herrlichkeit nur kurze Zeit, denn wie raſch die allge-<lb/> meine Bewegung ſie emporgeriſſen hatte zu völliger Umwand-<lb/> lung, ebenſo raſch erfolgte der nothwendige Rückſchlag.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Frauenkleidung</hi> ſtrebte ebenſo nach Freiheit und<lb/> nach Natürlichkeit und andrerſeits nach Einheit und Charakter<lb/> im Gegenſatz zur Zerfahrenheit der früheren Zeit. In ihrer<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [64/0076]
III. Die Neuzeit.
der uns wahre Muſterbilder ſtädtiſch-vornehmer Eleganz giebt,
treffen wir ihn mehrfach an. —
Da die ganze Periode der reformatoriſchen Bewegungen den
Mann in den Grundfeſten ſeiner geiſtigen und bürgerlichen
Exiſtenz erſchüttert und in neue Bahnen wirft, da der Ernſt der
Zeit auf ihm laſtet und alle ſeine Kräfte in Thätigkeit ruft, ſo
trägt auch die äußere Erſcheinung dieſer Menſchenwelt einen vor-
zugsweiſe männlichen Charakter. Wie im zwölften und drei-
zehnten Jahrhundert in der Entwicklung der Trachten die Frau
voranging und weiblich edler Geſchmack den Weg zeigte und die
Formen angab, nach denen ſich auch die männliche Kleidung rich-
tete, ſo iſt jetzt der umgekehrte Fall eingetreten: der Mann iſt
der Führer, welcher ſelbſtändig und erfinderiſch im Gebiet der
Mode einherſchreitet, und die Frau folgt und wandelt ihr Aeuße-
res nach dem Vorbild und im Geiſte des Mannes. Es iſt nicht
zu ihrem Nachtheil, denn wenn ihr auch etwas von der aben-
teuerlichen Luſt und Eitelkeit des Landsknechts anfliegt, ſo ringt
ſie ſich doch aus der narrenhaften Verſchrobenheit und Bizarrerie,
aus den unnatürlichen Zwangsformen des funfzehnten Jahrhun-
derts heraus zu freier, ſtolzer, faſt männlicher Haltung, zu voller,
maleriſcher Schönheit ohne Zwang und Unnatur. Es liegt
etwas Nobles, Imponirendes in den weiblichen Erſcheinungen
dieſer Zeit, wie ſie uns die Kunſt, getreu die Natur copirend,
vorführt. Frei von aller Sentimentalität — die derb geſunde
Zeit kannte ſie nicht — ſtehen ſie im Gegenſatz zu den Frauen
des dreizehnten Jahrhunderts, welche die ſchwanke Haltung und
die faſt empfindſame Neigung des Kopfes charakteriſirt. Begün-
ſtigt von der Kleidung, bewegen ſie ſich ſo frei wie natürlich
und ſo anmuthig wie würdevoll. Aber das dauerte gleich der
männlichen Herrlichkeit nur kurze Zeit, denn wie raſch die allge-
meine Bewegung ſie emporgeriſſen hatte zu völliger Umwand-
lung, ebenſo raſch erfolgte der nothwendige Rückſchlag.
Die Frauenkleidung ſtrebte ebenſo nach Freiheit und
nach Natürlichkeit und andrerſeits nach Einheit und Charakter
im Gegenſatz zur Zerfahrenheit der früheren Zeit. In ihrer
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