Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. Kaiser Maximilian, der den Damen Augsburgs sehr gewogenwar, konnte auch in seinen alten Tagen dergleichen nicht leiden, und als er in dem genannten Jahre zu einem Geschlechtertanz eingeladen war, erbat er sich von den Damen die Gunst, daß sie dabei die Schleier ablegen und mit offenen Gesichtern erscheinen möchten. Das geschah denn auch. Durch den Mund des Bür- germeisters Peutinger eröffneten sie dem Kaiser, daß sie seinem Befehle nachzukommen bereit wären. In der Blüthezeit der Barette fristet der Schleier gewissermaßen nur sein Dasein, und es hat wenig zu bedeuten, wenn in der Augsburger Ordnung von 1530 der goldgeränderte Schleier den Frauen der Bauern und Handwerker abgesprochen und denen der Kaufleute nur ein Rand von fünf Finger Breite zugestanden wird. Auch hier ist es mehr auf Wahrung des Ranges und Standes abgesehen. Wir haben bereits oben bemerkt, wie noch am Ende des 5*
1. Die Reformation an Haupt und Gliedern. Kaiſer Maximilian, der den Damen Augsburgs ſehr gewogenwar, konnte auch in ſeinen alten Tagen dergleichen nicht leiden, und als er in dem genannten Jahre zu einem Geſchlechtertanz eingeladen war, erbat er ſich von den Damen die Gunſt, daß ſie dabei die Schleier ablegen und mit offenen Geſichtern erſcheinen möchten. Das geſchah denn auch. Durch den Mund des Bür- germeiſters Peutinger eröffneten ſie dem Kaiſer, daß ſie ſeinem Befehle nachzukommen bereit wären. In der Blüthezeit der Barette friſtet der Schleier gewiſſermaßen nur ſein Daſein, und es hat wenig zu bedeuten, wenn in der Augsburger Ordnung von 1530 der goldgeränderte Schleier den Frauen der Bauern und Handwerker abgeſprochen und denen der Kaufleute nur ein Rand von fünf Finger Breite zugeſtanden wird. Auch hier iſt es mehr auf Wahrung des Ranges und Standes abgeſehen. Wir haben bereits oben bemerkt, wie noch am Ende des 5*
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1. Die Reformation an Haupt und Gliedern.
Kaiſer Maximilian, der den Damen Augsburgs ſehr gewogen
war, konnte auch in ſeinen alten Tagen dergleichen nicht leiden,
und als er in dem genannten Jahre zu einem Geſchlechtertanz
eingeladen war, erbat er ſich von den Damen die Gunſt, daß ſie
dabei die Schleier ablegen und mit offenen Geſichtern erſcheinen
möchten. Das geſchah denn auch. Durch den Mund des Bür-
germeiſters Peutinger eröffneten ſie dem Kaiſer, daß ſie ſeinem
Befehle nachzukommen bereit wären. In der Blüthezeit der
Barette friſtet der Schleier gewiſſermaßen nur ſein Daſein, und
es hat wenig zu bedeuten, wenn in der Augsburger Ordnung
von 1530 der goldgeränderte Schleier den Frauen der Bauern
und Handwerker abgeſprochen und denen der Kaufleute nur ein
Rand von fünf Finger Breite zugeſtanden wird. Auch hier iſt
es mehr auf Wahrung des Ranges und Standes abgeſehen.
Wir haben bereits oben bemerkt, wie noch am Ende des
fünfzehnten Jahrhunderts das Barett auf den weiblichen Kopf
überzugehen beginnt und ſchon Geiler die Bemerkung von der
Gleichheit des männlichen und weiblichen Kopfes macht. Nichts
iſt mehr geeignet, unſre Behauptung zu verdeutlichen, daß die
weibliche Kleidung der vorherrſchenden Richtung der Zeit gemäß
männlichen Charakter annimmt. Zwar wird die Calotte andrer-
ſeits auch Eigenthum des Mannes, aber ſie erſcheint immer als
das Unweſentliche dem alles überragenden Barett gegenüber.
Dieſes vollendet ſeine Herrſchaft in demſelben Maße, wie die
verſchiedenen Geſtalten der Hauben zurückweichen und verſchwin-
den. Ums Jahr 1510 iſt noch alles eine bunte Miſchung, ſodaß
wir z. B. auf einem ſtädtiſchen Geſchlechterball neben verſchie-
denen unausgebildeten Formen des Baretts die gelbe Kugelhaube
faſt in gleicher Geltung ſehen können, während ganz im Hinter-
grunde auf den Bänken der Zuſchauer die ältlichen Frauen in der
großen weißen Haube ſitzen. Zwiſchen den Jahren zwanzig und
dreißig kommt das Barett wenigſtens bei allen denen, die noch
Anſprüche an das Leben machen, zur Alleinherrſchaft, und zwar
durch alle Stände hindurch von der Fürſtin bis herab zur dienen-
den Magd und zum Weib des Landsknechts, das ihn im Troß
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