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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
gewann. Jedoch über die Oberschenkel und den Unterleib ist ge-
wissermaßen eine zweite Hose gezogen, welcher auch die Wah-
rung des Anstandes bei der Kürze des Mantels zukommt: es
sind zwei dicke, runde, mit Pferdehaaren ausgestopfte Polster,
welche von unten her wie in sich gezogen erscheinen und mit far-
bigen handbreiten Bändern senkrecht umzogen sind, genau wie
bei der Pluderhose die Masse des herausgehängten Stoffes von
den Binden gehalten wird. Auch hier sind beide, Bänder und
Polster, von verschiedener Farbe. Gleiche Polster pflegen sich
um die Schultern zu legen, obwohl auch oft die Aermel glatt
und eng sind. Das Wamms, denn nur dieses trägt der Spa-
nier, reicht nur herab in die Taille zum Beginn des Beinkleides,
da die mächtigen, breit vortretenden Wülste eine größere Länge
verboten; höchstens liegt es mit schmalen Schößen ein paar Fin-
ger breit darauf. Dafür aber senkt es sich vorn immer tiefer und
tiefer in einer Spitze herunter, welche keilförmig nach der Mitte
zu mit Baumwolle oder Pferdehaaren ausgestopft wurde und
endlich wie ein dickes Polster vor Brust und Bauch herabhing.
Das ist der sogenannte, in dieser Zeit viel erwähnte Gänse-
bauch
. Die Kriegsleute machten einen eigenthümlichen Gebrauch
davon, indem sie ihn als ein selbständiges Stück wie einen
Brustpanzer vorlegten und mit Riemen um die Achseln befestig-
ten. Seine Spur finden wir auch an dem Harnisch dieser Zeit,
welcher vorn einen vorstehenden scharfen Grat zeigt, eine innere
Höhlung andeutend, welche durch den Gänsebauch ausgefüllt
wurde. In gleicher Weise sehen wir die hängenden Hüftklappen
der Rüstung um des wulstigen Beinkleides willen eine immense
Weite annehmen. Ueberhaupt erscheint das ganze Wamms mit
Baumwolle reich gesteppt und häufig mit vielen kleinen farbigen
Flecken in Art der Schlitze zierlichst benäht.

Auch den breiten Schuhen entsagte der Spanier zuerst.
Während sie in England noch unter der Königin Marie (1553
--58) durch eine Proclamation verboten wurden, waren sie in
Spanien längst allgemein umgewandelt. Der noble Herr trug
sie im Allgemeinen der Form des Fußes gemäß und vorn in eine

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
gewann. Jedoch über die Oberſchenkel und den Unterleib iſt ge-
wiſſermaßen eine zweite Hoſe gezogen, welcher auch die Wah-
rung des Anſtandes bei der Kürze des Mantels zukommt: es
ſind zwei dicke, runde, mit Pferdehaaren ausgeſtopfte Polſter,
welche von unten her wie in ſich gezogen erſcheinen und mit far-
bigen handbreiten Bändern ſenkrecht umzogen ſind, genau wie
bei der Pluderhoſe die Maſſe des herausgehängten Stoffes von
den Binden gehalten wird. Auch hier ſind beide, Bänder und
Polſter, von verſchiedener Farbe. Gleiche Polſter pflegen ſich
um die Schultern zu legen, obwohl auch oft die Aermel glatt
und eng ſind. Das Wamms, denn nur dieſes trägt der Spa-
nier, reicht nur herab in die Taille zum Beginn des Beinkleides,
da die mächtigen, breit vortretenden Wülſte eine größere Länge
verboten; höchſtens liegt es mit ſchmalen Schößen ein paar Fin-
ger breit darauf. Dafür aber ſenkt es ſich vorn immer tiefer und
tiefer in einer Spitze herunter, welche keilförmig nach der Mitte
zu mit Baumwolle oder Pferdehaaren ausgeſtopft wurde und
endlich wie ein dickes Polſter vor Bruſt und Bauch herabhing.
Das iſt der ſogenannte, in dieſer Zeit viel erwähnte Gänſe-
bauch
. Die Kriegsleute machten einen eigenthümlichen Gebrauch
davon, indem ſie ihn als ein ſelbſtändiges Stück wie einen
Bruſtpanzer vorlegten und mit Riemen um die Achſeln befeſtig-
ten. Seine Spur finden wir auch an dem Harniſch dieſer Zeit,
welcher vorn einen vorſtehenden ſcharfen Grat zeigt, eine innere
Höhlung andeutend, welche durch den Gänſebauch ausgefüllt
wurde. In gleicher Weiſe ſehen wir die hängenden Hüftklappen
der Rüſtung um des wulſtigen Beinkleides willen eine immenſe
Weite annehmen. Ueberhaupt erſcheint das ganze Wamms mit
Baumwolle reich geſteppt und häufig mit vielen kleinen farbigen
Flecken in Art der Schlitze zierlichſt benäht.

Auch den breiten Schuhen entſagte der Spanier zuerſt.
Während ſie in England noch unter der Königin Marie (1553
—58) durch eine Proclamation verboten wurden, waren ſie in
Spanien längſt allgemein umgewandelt. Der noble Herr trug
ſie im Allgemeinen der Form des Fußes gemäß und vorn in eine

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[87/0099] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. gewann. Jedoch über die Oberſchenkel und den Unterleib iſt ge- wiſſermaßen eine zweite Hoſe gezogen, welcher auch die Wah- rung des Anſtandes bei der Kürze des Mantels zukommt: es ſind zwei dicke, runde, mit Pferdehaaren ausgeſtopfte Polſter, welche von unten her wie in ſich gezogen erſcheinen und mit far- bigen handbreiten Bändern ſenkrecht umzogen ſind, genau wie bei der Pluderhoſe die Maſſe des herausgehängten Stoffes von den Binden gehalten wird. Auch hier ſind beide, Bänder und Polſter, von verſchiedener Farbe. Gleiche Polſter pflegen ſich um die Schultern zu legen, obwohl auch oft die Aermel glatt und eng ſind. Das Wamms, denn nur dieſes trägt der Spa- nier, reicht nur herab in die Taille zum Beginn des Beinkleides, da die mächtigen, breit vortretenden Wülſte eine größere Länge verboten; höchſtens liegt es mit ſchmalen Schößen ein paar Fin- ger breit darauf. Dafür aber ſenkt es ſich vorn immer tiefer und tiefer in einer Spitze herunter, welche keilförmig nach der Mitte zu mit Baumwolle oder Pferdehaaren ausgeſtopft wurde und endlich wie ein dickes Polſter vor Bruſt und Bauch herabhing. Das iſt der ſogenannte, in dieſer Zeit viel erwähnte Gänſe- bauch. Die Kriegsleute machten einen eigenthümlichen Gebrauch davon, indem ſie ihn als ein ſelbſtändiges Stück wie einen Bruſtpanzer vorlegten und mit Riemen um die Achſeln befeſtig- ten. Seine Spur finden wir auch an dem Harniſch dieſer Zeit, welcher vorn einen vorſtehenden ſcharfen Grat zeigt, eine innere Höhlung andeutend, welche durch den Gänſebauch ausgefüllt wurde. In gleicher Weiſe ſehen wir die hängenden Hüftklappen der Rüſtung um des wulſtigen Beinkleides willen eine immenſe Weite annehmen. Ueberhaupt erſcheint das ganze Wamms mit Baumwolle reich geſteppt und häufig mit vielen kleinen farbigen Flecken in Art der Schlitze zierlichſt benäht. Auch den breiten Schuhen entſagte der Spanier zuerſt. Während ſie in England noch unter der Königin Marie (1553 —58) durch eine Proclamation verboten wurden, waren ſie in Spanien längſt allgemein umgewandelt. Der noble Herr trug ſie im Allgemeinen der Form des Fußes gemäß und vorn in eine

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/99>, abgerufen am 21.11.2024.