Belohnung werth, weil durch eine sonderliche Schickung GOttes man es sehr wenig Fursten geben könte. Hingegen gab es auch andere, obschon geringere Gelehrten, welche davor hielten, es übertreffe diese herrliche Ver- ehrung desTacitiVerdienst weit. Ja sie scheueten sich nicht öffentlich recht schimpfflich von einer solchen heroischen Action zu reden, und daß dieses eine Verschwendung seye, die demNeroninicht ungewöhnlich, ja ein solch unbesonnenes Beginnen, das von dergleichen unbedachtsamen Fursten herzukommen pflege, die mit ihren ubermäßigen Geschencken vielmehr den Namen eines unnutzen Verschwenders, als eines freygebigen und mildreichen Herrn erlangen. Dannenhero eben diese mehr aus Mißgunst gegen den Tacitum, als aus Liebe, die sie zu dem Neroni getragen, ihm selbst in das Angesicht sagten, es wäre in demParnassovon dem grösten Theil derer Gelehrten übel aufgenommen worden, daß er vier Worte, wel- che ihm zu Ehren vonTacitogeschrieben worden, mit einer so grossen Summa Geldes belohnet hätte, da doch eben selbigerHistoricusan an- dern Orten, zu seiner ewigen Schande und Schmach, solche schimpff- liche und unzüchtige Sachen von ihm vermeldet, welche das Lob, wel- ches er so hoch beschencket, gantz und gar umstiessen und verdunckelten. Allein Nero hat diesen geantwortet, daß gleichwie die vortrefflichen Mah- ler, mit denen Schattirungen, denen Bildnissen, welche sie mahleten, desto mehr Ansehens machten also verursachen auch die wahrhafften Historici,indem sie derer Laster, will geschweigen derer kleinen und ge- ringen Fehler dererjenigen Fürsten, welcher Leben sie beschreiben, mit gedencken, daß man ihnen in dem Lob, das sie ihnen geben, desto mehr Glauben zu stelle. Es wären ihm derowegen die Schandflecken und Laster, welcheTacitusvon ihm meldet, um so viel desto lieber, weil das grosse Lob so er ihm gegeben, dieselben weit überträffe, und eben durch sie um so viel glaubhaffter gemachetwurde. Denn gleichwie die allerköstlichsten Tugenden, mit welcher ein Fürst könte gezieret seyn, gantz und gar verdunckelt werden, wann er mit dem schändlichen La- ster behafftet, daß er sich von seinen Dienern meistern und regieren läs- set; also bedecket auch die herrlicheQualitaet,über seine Diner wissen al- lezeit Herr und Gebieter zu bleiben, die allergrösten Laster und Ge- brechen eines Fürsten. Solches ist auch nicht ohne. Denn gleich wie man nicht widersprechen kan, daß die Alchimisten, so daß ihrige durch den Rauch gen Himmel schicken und verdistilliren, grosse Narren und Thoren seynd, also muß man auch bekennen, daß diejenigen Fürsten, welche aus ihren Die-
nern
Belohnung werth, weil durch eine ſonderliche Schickung GOttes man es ſehr wenig Fůrſten geben koͤnte. Hingegen gab es auch andere, obſchon geringere Gelehrten, welche davor hielten, es uͤbertreffe dieſe herrliche Ver- ehrung desTacitiVerdienſt weit. Ja ſie ſcheueten ſich nicht oͤffentlich recht ſchimpfflich von einer ſolchen heroiſchen Action zu reden, und daß dieſes eine Verſchwendung ſeye, die demNeroninicht ungewoͤhnlich, ja ein ſolch unbeſonnenes Beginnen, das von dergleichen unbedachtſamen Fůrſten herzukommen pflege, die mit ihren ůbermaͤßigen Geſchencken vielmehr den Namen eines unnůtzen Verſchwenders, als eines freygebigen und mildreichen Herrn erlangen. Dannenhero eben dieſe mehr aus Mißgunſt gegen den Tacitum, als aus Liebe, die ſie zu dem Neroni getragen, ihm ſelbſt in das Angeſicht ſagten, es waͤre in demParnaſſovon dem groͤſten Theil derer Gelehrten uͤbel aufgenommen worden, daß er vier Worte, wel- che ihm zu Ehren vonTacitogeſchrieben worden, mit einer ſo groſſen Summa Geldes belohnet haͤtte, da doch eben ſelbigerHiſtoricusan an- dern Orten, zu ſeiner ewigen Schande und Schmach, ſolche ſchimpff- liche und unzuͤchtige Sachen von ihm vermeldet, welche das Lob, wel- ches er ſo hoch beſchencket, gantz und gar umſtieſſen und verdunckelten. Allein Nero hat dieſen geantwortet, daß gleichwie die vortrefflichen Mah- ler, mit denen Schattirungen, denen Bildniſſen, welche ſie mahleten, deſto mehr Anſehens machten alſo verurſachen auch die wahrhafften Hiſtorici,indem ſie derer Laſter, will geſchweigen derer kleinen und ge- ringen Fehler dererjenigen Fuͤrſten, welcher Leben ſie beſchreiben, mit gedencken, daß man ihnen in dem Lob, das ſie ihnen geben, deſto mehr Glauben zu ſtelle. Es waͤren ihm derowegen die Schandflecken und Laſter, welcheTacitusvon ihm meldet, um ſo viel deſto lieber, weil das groſſe Lob ſo er ihm gegeben, dieſelben weit uͤbertraͤffe, und eben durch ſie um ſo viel glaubhaffter gemachetwůrde. Denn gleichwie die allerkoͤſtlichſten Tugenden, mit welcher ein Fuͤrſt koͤnte gezieret ſeyn, gantz und gar verdunckelt werden, wann er mit dem ſchaͤndlichen La- ſter behafftet, daß er ſich von ſeinen Dienern meiſtern und regieren laͤſ- ſet; alſo bedecket auch die herrlicheQualitæt,uͤber ſeine Diner wiſſen al- lezeit Herr und Gebieter zu bleiben, die allergroͤſten Laſter und Ge- brechen eines Fuͤrſten. Solches iſt auch nicht ohne. Denn gleich wie man nicht widerſprechen kan, daß die Alchimiſten, ſo daß ihrige durch den Rauch gen Himmel ſchicken und verdiſtilliren, groſſe Narren und Thoren ſeynd, alſo muß man auch bekennen, daß diejenigen Fuͤrſten, welche aus ihren Die-
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Belohnung werth, weil durch eine ſonderliche Schickung GOttes man
es ſehr wenig Fůrſten geben koͤnte. Hingegen gab es auch andere, obſchon
geringere Gelehrten, welche davor hielten, es uͤbertreffe dieſe herrliche Ver-
ehrung des Taciti Verdienſt weit. Ja ſie ſcheueten ſich nicht oͤffentlich recht
ſchimpfflich von einer ſolchen heroiſchen Action zu reden, und daß dieſes eine
Verſchwendung ſeye, die dem Neroni nicht ungewoͤhnlich, ja ein ſolch
unbeſonnenes Beginnen, das von dergleichen unbedachtſamen Fůrſten
herzukommen pflege, die mit ihren ůbermaͤßigen Geſchencken vielmehr
den Namen eines unnůtzen Verſchwenders, als eines freygebigen und
mildreichen Herrn erlangen. Dannenhero eben dieſe mehr aus Mißgunſt
gegen den Tacitum, als aus Liebe, die ſie zu dem Neroni getragen, ihm ſelbſt
in das Angeſicht ſagten, es waͤre in dem Parnaſſo von dem groͤſten Theil
derer Gelehrten uͤbel aufgenommen worden, daß er vier Worte, wel-
che ihm zu Ehren von Tacito geſchrieben worden, mit einer ſo groſſen
Summa Geldes belohnet haͤtte, da doch eben ſelbiger Hiſtoricus an an-
dern Orten, zu ſeiner ewigen Schande und Schmach, ſolche ſchimpff-
liche und unzuͤchtige Sachen von ihm vermeldet, welche das Lob, wel-
ches er ſo hoch beſchencket, gantz und gar umſtieſſen und verdunckelten.
Allein Nero hat dieſen geantwortet, daß gleichwie die vortrefflichen Mah-
ler, mit denen Schattirungen, denen Bildniſſen, welche ſie mahleten,
deſto mehr Anſehens machten alſo verurſachen auch die wahrhafften
Hiſtorici, indem ſie derer Laſter, will geſchweigen derer kleinen und ge-
ringen Fehler dererjenigen Fuͤrſten, welcher Leben ſie beſchreiben, mit
gedencken, daß man ihnen in dem Lob, das ſie ihnen geben, deſto mehr
Glauben zu ſtelle. Es waͤren ihm derowegen die Schandflecken und
Laſter, welche Tacitus von ihm meldet, um ſo viel deſto lieber, weil
das groſſe Lob ſo er ihm gegeben, dieſelben weit uͤbertraͤffe, und eben
durch ſie um ſo viel glaubhaffter gemachetwůrde. Denn gleichwie die
allerkoͤſtlichſten Tugenden, mit welcher ein Fuͤrſt koͤnte gezieret ſeyn,
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lezeit Herr und Gebieter zu bleiben, die allergroͤſten Laſter und Ge-
brechen eines Fuͤrſten. Solches iſt auch nicht ohne. Denn gleich wie man
nicht widerſprechen kan, daß die Alchimiſten, ſo daß ihrige durch den Rauch
gen Himmel ſchicken und verdiſtilliren, groſſe Narren und Thoren ſeynd, alſo
muß man auch bekennen, daß diejenigen Fuͤrſten, welche aus ihren Die-
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/160>, abgerufen am 16.02.2025.
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