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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Tiridatis Begehren verlachete Corbulo, und hielte es vor eine Bar-
barische Eitelkeit. Dieses habt ihr mit folgenden Worten beschrie-
ben,
scilicet externae superbiae sueto, non erat notitia nostri: apud quos jus
Imperii valet, inania transmittantur.
Und an einem andern Ort, da ihr
vermeldet, wie denen Römern zu ihrer Hoheit die Uneinigkeit ihrer
Feinde nicht wenig geholffen habe, gebrauchet ihr diese Worte:

Maneat quaeso duretque gentibus, si non amor nostri, at certe odium sui quan-
do vergentibus Imperii fatis, nihil jam praestare fortuna majus potest, quam
hostium Discordiam.
Darauf antwortete Tacitus: Mit denen Worten,
non erat notitia nostri, & si non amor nostri, meynet ihr Lipsi! daß ich das
gantze menschliche Geschlecht, oder die Römer allein verstanden habe?

Lipsius entsetzte sich hierüber, und sagte: Nunmehro werde ich, lieber
Tacite! meines Fehlers gewahr. Bitte euch deswegen dienstlichst
um Verzeihung, und bekenne frey öffentlich, daß, je mehr man
eure Schrifften lieset, je weniger man sie verstehet, und daß eu-
re
Annales und Historien nicht vor einen schlechten Grammaticum
gehören wie ich bin.

Folgende Relation bildet den Philosophischen Stoltz-
und Hochmuth ab:

DEr freygebige König in Franckreich Tranciscus I. begegnete gestrigen Ta-
ges der Philosophie, welche in dem Parnasso spatzieren gieng, sich zu erlusti-
gen. Sie hatte sich auf den Aristotelem und Platonem gesteuret, und weil sie
gantz nackend gieng, ward dieser König zu grossem Mittleiden bewogen, indem
er sahe, daß die Königin aller menschlichen Wissenschafften, welche werth wä-
re aller Lust und Kurtzweile einen Uberfluß zu haben, so armselig wäre, daß sie
auch nicht einen Lumpen hätte sich zu bedecken. Franciscus I. thäte derowe-
gen alsobald seinen Königlichen Mantel, voller Lilien von köstlichen Diaman-
ten und Edelgesteinen ab, diese edle Dame damit zu bedecken. Sie bedanckte
sich aber gegen den König vor diese grosse Gnade, vorgebende, sie könte oh-
ne eintziges Nachtheil und Verlust ihrer
Reputation in dem Parnasso na-
ckent auf und abgehen; allermassen sie weder Schande noch Unehre an
sich, so zu bedecken oder zu verbergen, von nöthen wären.

Fol-

Tiridatis Begehren verlachete Corbulo, und hielte es vor eine Bar-
bariſche Eitelkeit. Dieſes habt ihr mit folgenden Worten beſchrie-
ben,
ſcilicet externæ ſuperbiæ ſueto, non erat notitia noſtri: apud quos jus
Imperii valet, inania transmittantur.
Und an einem andern Ort, da ihr
vermeldet, wie denen Roͤmern zu ihrer Hoheit die Uneinigkeit ihrer
Feinde nicht wenig geholffen habe, gebrauchet ihr dieſe Worte:

Maneat quæſo duretque gentibus, ſi non amor noſtri, at certe odium ſui quan-
do vergentibus Imperii fatis, nihil jam præſtare fortuna majus poteſt, quam
hoſtium Diſcordiam.
Darauf antwortete Tacitus: Mit denen Worten,
non erat notitia noſtri, & ſi non amor noſtri, meynet ihr Lipſi! daß ich das
gantze menſchliche Geſchlecht, oder die Roͤmer allein verſtanden habe?

Lipſius entſetzte ſich hieruͤber, und ſagte: Nunmehro werde ich, lieber
Tacite! meines Fehlers gewahr. Bitte euch deswegen dienſtlichſt
um Verzeihung, und bekenne frey oͤffentlich, daß, je mehr man
eure Schrifften lieſet, je weniger man ſie verſtehet, und daß eu-
re
Annales und Hiſtorien nicht vor einen ſchlechten Grammaticum
gehoͤren wie ich bin.

Folgende Relation bildet den Philoſophiſchen Stoltz-
und Hochmuth ab:

DEr freygebige Koͤnig in Franckreich Tranciſcus I. begegnete geſtrigen Ta-
ges der Philoſophie, welche in dem Parnaſſo ſpatzieren gieng, ſich zu erluſti-
gen. Sie hatte ſich auf den Ariſtotelem und Platonem geſteuret, und weil ſie
gantz nackend gieng, ward dieſer Koͤnig zu groſſem Mittleiden bewogen, indem
er ſahe, daß die Koͤnigin aller menſchlichen Wiſſenſchafften, welche werth waͤ-
re aller Luſt und Kurtzweile einen Uberfluß zu haben, ſo armſelig waͤre, daß ſie
auch nicht einen Lumpen haͤtte ſich zu bedecken. Franciſcus I. thaͤte derowe-
gen alſobald ſeinen Koͤniglichen Mantel, voller Lilien von koͤſtlichen Diaman-
ten und Edelgeſteinen ab, dieſe edle Dame damit zu bedecken. Sie bedanckte
ſich aber gegen den Koͤnig vor dieſe groſſe Gnade, vorgebende, ſie koͤnte oh-
ne eintziges Nachtheil und Verluſt ihrer
Reputation in dem Parnaſſo na-
ckent auf und abgehen; allermaſſen ſie weder Schande noch Unehre an
ſich, ſo zu bedecken oder zu verbergen, von noͤthen waͤren.

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[126/0170] Tiridatis Begehren verlachete Corbulo, und hielte es vor eine Bar- bariſche Eitelkeit. Dieſes habt ihr mit folgenden Worten beſchrie- ben, ſcilicet externæ ſuperbiæ ſueto, non erat notitia noſtri: apud quos jus Imperii valet, inania transmittantur. Und an einem andern Ort, da ihr vermeldet, wie denen Roͤmern zu ihrer Hoheit die Uneinigkeit ihrer Feinde nicht wenig geholffen habe, gebrauchet ihr dieſe Worte: Maneat quæſo duretque gentibus, ſi non amor noſtri, at certe odium ſui quan- do vergentibus Imperii fatis, nihil jam præſtare fortuna majus poteſt, quam hoſtium Diſcordiam. Darauf antwortete Tacitus: Mit denen Worten, non erat notitia noſtri, & ſi non amor noſtri, meynet ihr Lipſi! daß ich das gantze menſchliche Geſchlecht, oder die Roͤmer allein verſtanden habe? Lipſius entſetzte ſich hieruͤber, und ſagte: Nunmehro werde ich, lieber Tacite! meines Fehlers gewahr. Bitte euch deswegen dienſtlichſt um Verzeihung, und bekenne frey oͤffentlich, daß, je mehr man eure Schrifften lieſet, je weniger man ſie verſtehet, und daß eu- re Annales und Hiſtorien nicht vor einen ſchlechten Grammaticum gehoͤren wie ich bin. Folgende Relation bildet den Philoſophiſchen Stoltz- und Hochmuth ab: DEr freygebige Koͤnig in Franckreich Tranciſcus I. begegnete geſtrigen Ta- ges der Philoſophie, welche in dem Parnaſſo ſpatzieren gieng, ſich zu erluſti- gen. Sie hatte ſich auf den Ariſtotelem und Platonem geſteuret, und weil ſie gantz nackend gieng, ward dieſer Koͤnig zu groſſem Mittleiden bewogen, indem er ſahe, daß die Koͤnigin aller menſchlichen Wiſſenſchafften, welche werth waͤ- re aller Luſt und Kurtzweile einen Uberfluß zu haben, ſo armſelig waͤre, daß ſie auch nicht einen Lumpen haͤtte ſich zu bedecken. Franciſcus I. thaͤte derowe- gen alſobald ſeinen Koͤniglichen Mantel, voller Lilien von koͤſtlichen Diaman- ten und Edelgeſteinen ab, dieſe edle Dame damit zu bedecken. Sie bedanckte ſich aber gegen den Koͤnig vor dieſe groſſe Gnade, vorgebende, ſie koͤnte oh- ne eintziges Nachtheil und Verluſt ihrer Reputation in dem Parnaſſo na- ckent auf und abgehen; allermaſſen ſie weder Schande noch Unehre an ſich, ſo zu bedecken oder zu verbergen, von noͤthen waͤren. Fol-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/170>, abgerufen am 24.11.2024.