Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.grosser Herren Gebrauch, daß sie der Jurisdiction halber sich leichtlich entrüsten) wel-
groſſer Herren Gebrauch, daß ſie der Jurisdiction halber ſich leichtlich entruͤſten) wel-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0172" n="128"/> groſſer Herren Gebrauch, daß ſie der <hi rendition="#aq">Jurisdiction</hi> halber ſich leichtlich entruͤſten)<lb/> daß er der <hi rendition="#aq">Poët</hi>en-Wache unverzuͤglich anbefehlen lieſſe, den verwegenen <hi rendition="#aq">Philo-<lb/> ſophum</hi> gebunden vor ihn zu bringen, wie auch geſchahe. <hi rendition="#aq">Apollo</hi> fuhr ihn mit<lb/> grimmigen und erblaſſetem Angeſicht, wie nicht weniger mit harten Worten an<lb/> und ſagte, <hi rendition="#fr">ob er der vermeſſene und hochtrabende Geſelle waͤre, der ſich<lb/> haͤtte doͤrffen geluͤſten laſſen, ſeinen Tugendhafften, Geſetze und Ord-<lb/> nungen vorzuſchreiben, denen er allezeit die voͤllige Freyheit, zu ſchrei-<lb/> ben, und etwas zu erdencken, geſtattet und vergoͤnnet haͤtte. Denn<lb/> die vortrefflichen</hi> <hi rendition="#aq">Jngenia</hi> <hi rendition="#fr">ſeiner Gelehrten, ſo von allen vorgeſchriebe-<lb/> nen Regeln und</hi> <hi rendition="#aq">Præceptis exemt</hi> <hi rendition="#fr">und frey, vermehrten von Tag zu Tag,<lb/> mit ſeiner nicht geringen Beluſtigung die</hi> <hi rendition="#aq">Bibliothequen</hi> <hi rendition="#fr">mit allerhand<lb/> neuen Sachen. Abſonderlich aber die</hi> <hi rendition="#aq">Poë</hi><hi rendition="#fr">ten an gewiſſe Regeln und<lb/> Geſetze zu binden, waͤre nichts anders, als ihren Schrifften alle Lieb-<lb/> lichkeit und Anmuth benehmen, auch ihre vorttefflichen</hi> <hi rendition="#aq">Ingenia</hi> <hi rendition="#fr">ver-<lb/> droßen zu machen, welche, wann ſie mit ihrer gewoͤhnlichen Freyheit der<lb/> Feder ihren Lauff laſſen, ſolche Sachen an den Tag geben, mit denen<lb/> ſich</hi> <hi rendition="#aq">Apollo</hi> <hi rendition="#fr">ſelbſten, wie auch die vielgeliebten</hi> <hi rendition="#aq">Muſ</hi><hi rendition="#fr">en nicht allein beluſti-<lb/> gen, ſondern zum hoͤchſten daruͤber verwundern. Und weil des</hi> <hi rendition="#aq">Taſſi<lb/> Poë</hi><hi rendition="#fr">tiſches Gedicht von der gantzen Welt mit groſſen Frohlocken ange-<lb/> nommen worden waͤre, ſo ſaͤhe man augenſcheinlich, daß in demſelben<lb/> alle Regeln ſo denen</hi> <hi rendition="#aq">Poë</hi><hi rendition="#fr">ten jemahls vorgeſchrieben werden koͤnten, auf<lb/> das allergenaueſte in Acht genommen waͤren.</hi> Der arme <hi rendition="#aq">Ariſtoteles</hi><lb/> erzitterte ob dieſen Worten, bate Ihro <hi rendition="#aq">Parnaſſi</hi>ſche Majeſtaͤt gantz unterthaͤ-<lb/> nig, <hi rendition="#fr">ſein hohes Alter anzuſehen, und einen ſolchen</hi> <hi rendition="#aq">Philoſophum,</hi> <hi rendition="#fr">wie er<lb/> waͤre, wegen eines andern Unwiſſenheit nicht in Gefahr zu ſetzen. Er<lb/> habe ſelbige Regeln nicht in der Meynung geſchrieben, wie ihm von<lb/> denen Ungelehrten beygemeſſen wuͤrde, als ob ohne dieſelbe kein</hi> <hi rendition="#aq">Poëti-</hi><lb/><hi rendition="#fr">ſches Gedichte ſeine vollkommenheit haben koͤnte; ſondern er habe al-<lb/> lein den Weg gezeiget deſto leichter zu dieſer Kunſt zu gelangen, auf<lb/> welchem auch die beruͤhmteſten</hi> <hi rendition="#aq">Poë</hi><hi rendition="#fr">ten nicht ohne ſonderbaren Ruhm<lb/> gewandelt haͤtten. Der Ehrgeitz ſeye der eintzige Fehler, den er began-<lb/> gen habe, deswegen er auch Ihro</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">P</hi>arnasſi</hi><hi rendition="#fr">ſche Majeſtaͤt gantz unter-<lb/> thaͤnig um Verzeihung baͤte. Denn weil er ſich lange zuvor leichtlich<lb/> einbilden koͤnnen, es wuͤrden viele Ungelehrte dieſe ſeine</hi> <hi rendition="#aq">Obſervationes</hi><lb/><hi rendition="#fr">vor nothwendige Regeln und</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">P</hi>ræcepta</hi> <hi rendition="#fr">ausgeben, habe er ſich mit der<lb/> Hoffnung</hi> <hi rendition="#aq">Flatti</hi><hi rendition="#fr">ret, ſein Name werde dadurch zu einer deſto groͤſſeren<lb/> Ehre und</hi> <hi rendition="#aq">Reutation</hi> <hi rendition="#fr">gelangen; der Ehrgeitz aber ſeye eine Sache,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">wel-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0172]
groſſer Herren Gebrauch, daß ſie der Jurisdiction halber ſich leichtlich entruͤſten)
daß er der Poëten-Wache unverzuͤglich anbefehlen lieſſe, den verwegenen Philo-
ſophum gebunden vor ihn zu bringen, wie auch geſchahe. Apollo fuhr ihn mit
grimmigen und erblaſſetem Angeſicht, wie nicht weniger mit harten Worten an
und ſagte, ob er der vermeſſene und hochtrabende Geſelle waͤre, der ſich
haͤtte doͤrffen geluͤſten laſſen, ſeinen Tugendhafften, Geſetze und Ord-
nungen vorzuſchreiben, denen er allezeit die voͤllige Freyheit, zu ſchrei-
ben, und etwas zu erdencken, geſtattet und vergoͤnnet haͤtte. Denn
die vortrefflichen Jngenia ſeiner Gelehrten, ſo von allen vorgeſchriebe-
nen Regeln und Præceptis exemt und frey, vermehrten von Tag zu Tag,
mit ſeiner nicht geringen Beluſtigung die Bibliothequen mit allerhand
neuen Sachen. Abſonderlich aber die Poëten an gewiſſe Regeln und
Geſetze zu binden, waͤre nichts anders, als ihren Schrifften alle Lieb-
lichkeit und Anmuth benehmen, auch ihre vorttefflichen Ingenia ver-
droßen zu machen, welche, wann ſie mit ihrer gewoͤhnlichen Freyheit der
Feder ihren Lauff laſſen, ſolche Sachen an den Tag geben, mit denen
ſich Apollo ſelbſten, wie auch die vielgeliebten Muſen nicht allein beluſti-
gen, ſondern zum hoͤchſten daruͤber verwundern. Und weil des Taſſi
Poëtiſches Gedicht von der gantzen Welt mit groſſen Frohlocken ange-
nommen worden waͤre, ſo ſaͤhe man augenſcheinlich, daß in demſelben
alle Regeln ſo denen Poëten jemahls vorgeſchrieben werden koͤnten, auf
das allergenaueſte in Acht genommen waͤren. Der arme Ariſtoteles
erzitterte ob dieſen Worten, bate Ihro Parnaſſiſche Majeſtaͤt gantz unterthaͤ-
nig, ſein hohes Alter anzuſehen, und einen ſolchen Philoſophum, wie er
waͤre, wegen eines andern Unwiſſenheit nicht in Gefahr zu ſetzen. Er
habe ſelbige Regeln nicht in der Meynung geſchrieben, wie ihm von
denen Ungelehrten beygemeſſen wuͤrde, als ob ohne dieſelbe kein Poëti-
ſches Gedichte ſeine vollkommenheit haben koͤnte; ſondern er habe al-
lein den Weg gezeiget deſto leichter zu dieſer Kunſt zu gelangen, auf
welchem auch die beruͤhmteſten Poëten nicht ohne ſonderbaren Ruhm
gewandelt haͤtten. Der Ehrgeitz ſeye der eintzige Fehler, den er began-
gen habe, deswegen er auch Ihro Parnasſiſche Majeſtaͤt gantz unter-
thaͤnig um Verzeihung baͤte. Denn weil er ſich lange zuvor leichtlich
einbilden koͤnnen, es wuͤrden viele Ungelehrte dieſe ſeine Obſervationes
vor nothwendige Regeln und Præcepta ausgeben, habe er ſich mit der
Hoffnung Flattiret, ſein Name werde dadurch zu einer deſto groͤſſeren
Ehre und Reutation gelangen; der Ehrgeitz aber ſeye eine Sache,
wel-
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