Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.Teller leckten, da mittlerweile alle andere Gelehrte die Tische voller herrlicher Apollo S
Teller leckten, da mittlerweile alle andere Gelehrte die Tiſche voller herrlicher Apollo S
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="137"/> Teller leckten, da mittlerweile alle andere Gelehrte die Tiſche voller herrlicher<lb/> Speiſe hatten, ſo von denen beſten <hi rendition="#aq">Scientiis</hi> zugerichtet waren. Damals be-<lb/> kamen die hohen und vortrefflichen <hi rendition="#aq">Ingenia</hi> einen Eckol und Abſcheu vor denen<lb/><hi rendition="#aq">Digeſtis</hi> und dem <hi rendition="#aq">Codice,</hi> als welche zu nichts dienen, dann nur den Leib zu<lb/> erfuͤllen, und groſſen Reichthum zuſammen zu ſcharren, daran ſie doch endlich,<lb/> wie an einem auszehrenden Fieber ſterben und ver ſchmachten muͤſſen. Vor<lb/> allen andern herrlichen <hi rendition="#aq">Banqueten</hi> aber, war <hi rendition="#aq">Caji Plinii</hi> ſeines ſehr merck-<lb/> wuͤrdig und wohl anzuſehen. Denn ungeachtet die vornehmſten unter denen<lb/> Gelehrten aus allen <hi rendition="#aq">Facult</hi>aͤten, ſo in dem <hi rendition="#aq">Parnaſſo reſidir</hi>en, ſich dabey befan-<lb/> den, hat er doch einen jeglichen auff das allerbeſte, mit ihrer hoͤchſten <hi rendition="#aq">Satisfa-<lb/> ction,</hi> herrlich und ſtattlich <hi rendition="#aq">tracti</hi>ret Ob aber gleich der meiſte Theil derer<lb/> Speiſen oder Gerichte, von lauter rothen Ruͤben waren, ſo hatte doch dieſer<lb/> weiſe und hochverſtaͤndige Mann, dieſelben auff mancherley Art und Weiſe<lb/> zugerichtet, dergeſtalt, daß die ſaͤmtlichen Gelehrten, ſie vor ſo viele unterſchie-<lb/> dene Speiſen hielten, auch ſolche mit ſonderlicher Luſt und Begierde aſſen und<lb/> zu ſich nahmen. Indem <hi rendition="#aq">Apollo</hi> umher ſpatzierte, die vielfaͤltigen Gaſtereyen<lb/> in Augenſchein zu nehmen, wurde ihm von einem Ferrareſiſchen Bauer, <hi rendition="#aq">Pa-<lb/> ſtor Fido</hi> genannt, eine herrliche wohlriechende Torte verehret, welche ihm<lb/> ſo wohl gefiele, daß er ſich nicht enthalten, noch der <hi rendition="#aq">ordinair</hi>en Mahlzeit er-<lb/> warten kunte, ſondern mitten auff der Straſſe ſelbige zu verſuchen anfieng,<lb/> welche ihm auch ſo <hi rendition="#aq">delicat</hi> ſchmeckte, daß er auff gut Baͤuriſch das Maul und<lb/> zehen Finger darnach leckte. Dieweil er ſie nun ſo auſſerordentlich gut be-<lb/> fande, achtete er es vor eine groſſe Unhoͤfflichkeit, wenn er dieſelbe allein auf-<lb/> zehren ſolte, hielte derowegen vor rathſam, denen ſaͤmtlichen <hi rendition="#aq">Muſen</hi> auch et-<lb/> was davon zukommen zu laſſen, damit dieſelben, als welche entweder mit<lb/> ſchoͤnen Verſen und andern loͤblichen Sachen ſchwanger gehen, daferne ſie<lb/> vielleicht luͤſtern darnach waͤren, nicht etwa zur Unzeit gebaͤren, oder ihre<lb/><hi rendition="#aq">Poëſie</hi> ein Mahlzeichen und Flecken mit auff die Welt braͤchte. Indem nun<lb/><hi rendition="#aq">Apollo</hi> und die <hi rendition="#aq">Muſen</hi> mit trefflichem <hi rendition="#aq">Appetit</hi> von dieſer Torte aſſen, wur-<lb/> den ſie gewahr, daß die Gelehrten, ſo um Ihro Parnaßiſche Majeſtaͤt wa-<lb/> ren, ein ſehr groſſes Verlangen hatten, die Torte auch zu verſuchen, wan-<lb/> nenhero Ihro Parnaßiſche Majeſtaͤt einem jeden aus denenſelbigen etwas da-<lb/> von zukommen lieſſen, welche Ihnen <hi rendition="#aq">en general</hi> ſo herrlich gut ſchmeckte, daß<lb/> ſie bekannten, ihr lebetag dergleichen nicht verſucht zu haben. Ein eintziger<lb/> unter denen Gelehrten ward gefunden, der vorgeben durffte: <hi rendition="#fr">Ihm haͤtte<lb/> davor gegrauet, dieweil ſie gar zu ſuͤß geweſen waͤre.</hi> Dem gab aber<lb/> <fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Apollo</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0181]
Teller leckten, da mittlerweile alle andere Gelehrte die Tiſche voller herrlicher
Speiſe hatten, ſo von denen beſten Scientiis zugerichtet waren. Damals be-
kamen die hohen und vortrefflichen Ingenia einen Eckol und Abſcheu vor denen
Digeſtis und dem Codice, als welche zu nichts dienen, dann nur den Leib zu
erfuͤllen, und groſſen Reichthum zuſammen zu ſcharren, daran ſie doch endlich,
wie an einem auszehrenden Fieber ſterben und ver ſchmachten muͤſſen. Vor
allen andern herrlichen Banqueten aber, war Caji Plinii ſeines ſehr merck-
wuͤrdig und wohl anzuſehen. Denn ungeachtet die vornehmſten unter denen
Gelehrten aus allen Facultaͤten, ſo in dem Parnaſſo reſidiren, ſich dabey befan-
den, hat er doch einen jeglichen auff das allerbeſte, mit ihrer hoͤchſten Satisfa-
ction, herrlich und ſtattlich tractiret Ob aber gleich der meiſte Theil derer
Speiſen oder Gerichte, von lauter rothen Ruͤben waren, ſo hatte doch dieſer
weiſe und hochverſtaͤndige Mann, dieſelben auff mancherley Art und Weiſe
zugerichtet, dergeſtalt, daß die ſaͤmtlichen Gelehrten, ſie vor ſo viele unterſchie-
dene Speiſen hielten, auch ſolche mit ſonderlicher Luſt und Begierde aſſen und
zu ſich nahmen. Indem Apollo umher ſpatzierte, die vielfaͤltigen Gaſtereyen
in Augenſchein zu nehmen, wurde ihm von einem Ferrareſiſchen Bauer, Pa-
ſtor Fido genannt, eine herrliche wohlriechende Torte verehret, welche ihm
ſo wohl gefiele, daß er ſich nicht enthalten, noch der ordinairen Mahlzeit er-
warten kunte, ſondern mitten auff der Straſſe ſelbige zu verſuchen anfieng,
welche ihm auch ſo delicat ſchmeckte, daß er auff gut Baͤuriſch das Maul und
zehen Finger darnach leckte. Dieweil er ſie nun ſo auſſerordentlich gut be-
fande, achtete er es vor eine groſſe Unhoͤfflichkeit, wenn er dieſelbe allein auf-
zehren ſolte, hielte derowegen vor rathſam, denen ſaͤmtlichen Muſen auch et-
was davon zukommen zu laſſen, damit dieſelben, als welche entweder mit
ſchoͤnen Verſen und andern loͤblichen Sachen ſchwanger gehen, daferne ſie
vielleicht luͤſtern darnach waͤren, nicht etwa zur Unzeit gebaͤren, oder ihre
Poëſie ein Mahlzeichen und Flecken mit auff die Welt braͤchte. Indem nun
Apollo und die Muſen mit trefflichem Appetit von dieſer Torte aſſen, wur-
den ſie gewahr, daß die Gelehrten, ſo um Ihro Parnaßiſche Majeſtaͤt wa-
ren, ein ſehr groſſes Verlangen hatten, die Torte auch zu verſuchen, wan-
nenhero Ihro Parnaßiſche Majeſtaͤt einem jeden aus denenſelbigen etwas da-
von zukommen lieſſen, welche Ihnen en general ſo herrlich gut ſchmeckte, daß
ſie bekannten, ihr lebetag dergleichen nicht verſucht zu haben. Ein eintziger
unter denen Gelehrten ward gefunden, der vorgeben durffte: Ihm haͤtte
davor gegrauet, dieweil ſie gar zu ſuͤß geweſen waͤre. Dem gab aber
Apollo
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