Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

ren wollen, als daß sie solchen grossen Luminibus Ecclesiae mit Raison wider-
fprechen solten, Ja, sagen insgemein dergleichen Geistliche Jünger, welche vor
der Zeit eine hüpsche Knarre und feine Pfarre haben möchten, contradicire ich
meinem
Professori, Superiori &c. so muß ich befürchten, daß mich Ihro
Hochwürden, mein hochgeneigtester Herr
Patron, hernachmahls gar
zu lange auf der verdrießlichen
Expectanten-Banck sitzen lassen, und
mich hernachmahls mit keiner fetten Pfarre, Jungfer Tochter, An-
verwandtin, oder Haus-Jungfer, versorgen werden.

Hieher gehören auch, mit einem Wort, alle Brod-Gelehrte, und Brod-
Advocaten, welche um ein kahles Sechzehen groschen-Stücke, oder um einen
blanquen und geharnischten Thaler, Wissen und Gewissen an den Nagel hän-
gen, und um eines elenden Gewinstes willen Ehre und Renommee, ja gar
ihr bißgen Practiciren in die Schantze schlagen. Mehr mag ich vor diesesmal
nicht sagen, damit Niemand auf die Gedancken gerathe, ob wolte ich Perso-
nalia tracti
ren, und manchen ehrlichen und braven Mann in seinem venerablen
Barte und schwartzen Mantel proftituiren.

Das Alter kan bey denen Menschen ebenfalls unterschiedene Gelegenhei-
ten und ausserordentliche Ursachen zu Vorurtheilen geben. Denn so vielerley
Stuffen des Alters angetroffen werden, so vielmahl ereignet sich auch Gele-
genheit zu diesem oder jenem Vorurtheil. Daher siehet man täglich, daß mit
einem andern Vorurtheil ein munterer Absolon, mit einem andern aber ein al-
ter und geitziger Nabal geplaget werde. Junge Leute leben insgemein lustig,
und es heisset von ihnen überhaupt: Semper lustig, nunquam traurig. Sie
bemühen sich selten, das verlassene Guth ihrer Eltern zu conserviren; ge-
schweige dann, daß sie einen Anatocismum begehen, und Interesse mit Interes-
se
vermehren solten, weil sie dencken und unverschrocken von sich sagen: Ein
junger Kerl musse die
Courage haben, in der Welt, ehe er an Krücken
gehen müste, huntert tausend Thaler zu erwerben. Das wäre mit ei-
nem Worte Halluncken, welche die alten verrosterten Thaler, so lan-
ge im Gefängniß liegen, und so unendliche Seufftzer nach ihrer Erlö-
sung schicken ließen. Ein rechter Gurgel-Bruder wüste das Geld nach
jetziger
Mode besser unter die Leute zu bringen; zumalen da es gantz
richtig wäre, und
Salomon selbst gesaget hätte, daß der Mensch von
aller seiner Mühe und Arbeit nichtsmehr hätte, als wann er auf der
Welt fein lustig und guter Dinge gewesen wäre.
Mit denen alten Geld-

gei-

ren wollen, als daß ſie ſolchen groſſen Luminibus Eccleſiæ mit Raiſon wider-
fprechen ſolten, Ja, ſagen insgemein dergleichen Geiſtliche Juͤnger, welche vor
der Zeit eine huͤpſche Knarre und feine Pfarre haben moͤchten, contradicire ich
meinem
Profeſſori, Superiori &c. ſo muß ich befuͤrchten, daß mich Ihro
Hochwuͤrden, mein hochgeneigteſter Herr
Patron, hernachmahls gar
zu lange auf der verdrießlichen
Expectanten-Banck ſitzen laſſen, und
mich hernachmahls mit keiner fetten Pfarre, Jungfer Tochter, An-
verwandtin, oder Haus-Jungfer, verſorgen werden.

Hieher gehoͤren auch, mit einem Wort, alle Brod-Gelehrte, und Brod-
Advocaten, welche um ein kahles Sechzehen groſchen-Stuͤcke, oder um einen
blanquen und geharniſchten Thaler, Wiſſen und Gewiſſen an den Nagel haͤn-
gen, und um eines elenden Gewinſtes willen Ehre und Renommée, ja gar
ihr bißgen Practiciren in die Schantze ſchlagen. Mehr mag ich vor dieſesmal
nicht ſagen, damit Niemand auf die Gedancken gerathe, ob wolte ich Perſo-
nalia tracti
ren, und manchen ehrlichen und braven Mann in ſeinem venerablen
Barte und ſchwartzen Mantel proftituiren.

Das Alter kan bey denen Menſchen ebenfalls unterſchiedene Gelegenhei-
ten und auſſerordentliche Urſachen zu Vorurtheilen geben. Denn ſo vielerley
Stuffen des Alters angetroffen werden, ſo vielmahl ereignet ſich auch Gele-
genheit zu dieſem oder jenem Vorurtheil. Daher ſiehet man taͤglich, daß mit
einem andern Vorurtheil ein munterer Abſolon, mit einem andern aber ein al-
ter und geitziger Nabal geplaget werde. Junge Leute leben insgemein luſtig,
und es heiſſet von ihnen uͤberhaupt: Semper luſtig, nunquam traurig. Sie
bemuͤhen ſich ſelten, das verlaſſene Guth ihrer Eltern zu conſerviren; ge-
ſchweige dann, daß ſie einen Anatociſmum begehen, und Intereſſe mit Intereſ-
ſe
vermehren ſolten, weil ſie dencken und unverſchrocken von ſich ſagen: Ein
junger Kerl můſſe die
Courage haben, in der Welt, ehe er an Kruͤcken
gehen muͤſte, huntert tauſend Thaler zu erwerben. Das waͤre mit ei-
nem Worte Halluncken, welche die alten verroſterten Thaler, ſo lan-
ge im Gefaͤngniß liegen, und ſo unendliche Seufftzer nach ihrer Erloͤ-
ſung ſchicken ließen. Ein rechter Gurgel-Bruder wuͤſte das Geld nach
jetziger
Mode beſſer unter die Leute zu bringen; zumalen da es gantz
richtig waͤre, und
Salomon ſelbſt geſaget haͤtte, daß der Menſch von
aller ſeiner Muͤhe und Arbeit nichtsmehr haͤtte, als wann er auf der
Welt fein luſtig und guter Dinge geweſen waͤre.
Mit denen alten Geld-

gei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0222" n="178"/>
ren wollen, als daß &#x017F;ie &#x017F;olchen gro&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Luminibus Eccle&#x017F;</hi> mit <hi rendition="#aq">Rai&#x017F;on</hi> wider-<lb/>
fprechen &#x017F;olten, Ja, &#x017F;agen insgemein dergleichen Gei&#x017F;tliche Ju&#x0364;nger, welche vor<lb/>
der Zeit eine hu&#x0364;p&#x017F;che Knarre und feine Pfarre haben mo&#x0364;chten, <hi rendition="#aq">contradicire</hi> <hi rendition="#fr">ich<lb/>
meinem</hi> <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ori, Superiori &amp;c.</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß ich befu&#x0364;rchten, daß mich Ihro<lb/>
Hochwu&#x0364;rden, mein hochgeneigte&#x017F;ter Herr</hi> <hi rendition="#aq">Patron,</hi> <hi rendition="#fr">hernachmahls gar<lb/>
zu lange auf der verdrießlichen</hi> <hi rendition="#aq">Expectanten-</hi><hi rendition="#fr">Banck &#x017F;itzen la&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
mich hernachmahls mit keiner fetten Pfarre, Jungfer Tochter, An-<lb/>
verwandtin, oder Haus-Jungfer, ver&#x017F;orgen werden.</hi></p><lb/>
        <p>Hieher geho&#x0364;ren auch, mit einem Wort, alle Brod-Gelehrte, und Brod-<lb/><hi rendition="#aq">Advoca</hi>ten, welche um ein kahles Sechzehen gro&#x017F;chen-Stu&#x0364;cke, oder um einen<lb/><hi rendition="#aq">blanquen</hi> und geharni&#x017F;chten Thaler, Wi&#x017F;&#x017F;en und Gewi&#x017F;&#x017F;en an den Nagel ha&#x0364;n-<lb/>
gen, und um eines elenden Gewin&#x017F;tes willen Ehre und <hi rendition="#aq">Renommée,</hi> ja gar<lb/>
ihr bißgen <hi rendition="#aq">Practici</hi>ren in die Schantze &#x017F;chlagen. Mehr mag ich vor die&#x017F;esmal<lb/>
nicht &#x017F;agen, damit Niemand auf die Gedancken gerathe, ob wolte ich <hi rendition="#aq">Per&#x017F;o-<lb/>
nalia tracti</hi>ren, und manchen ehrlichen und braven Mann in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">venerabl</hi>en<lb/>
Barte und &#x017F;chwartzen Mantel <hi rendition="#aq">proftitui</hi>ren.</p><lb/>
        <p>Das Alter kan bey denen Men&#x017F;chen ebenfalls unter&#x017F;chiedene Gelegenhei-<lb/>
ten und au&#x017F;&#x017F;erordentliche Ur&#x017F;achen zu Vorurtheilen geben. Denn &#x017F;o vielerley<lb/>
Stuffen des Alters angetroffen werden, &#x017F;o vielmahl ereignet &#x017F;ich auch Gele-<lb/>
genheit zu die&#x017F;em oder jenem Vorurtheil. Daher &#x017F;iehet man ta&#x0364;glich, daß mit<lb/>
einem andern Vorurtheil ein munterer <hi rendition="#aq">Ab&#x017F;olon,</hi> mit einem andern aber ein al-<lb/>
ter und geitziger Nabal geplaget werde. Junge Leute leben insgemein lu&#x017F;tig,<lb/>
und es hei&#x017F;&#x017F;et von ihnen u&#x0364;berhaupt: <hi rendition="#aq">Semper</hi> lu&#x017F;tig, <hi rendition="#aq">nunquam</hi> traurig. Sie<lb/>
bemu&#x0364;hen &#x017F;ich &#x017F;elten, das verla&#x017F;&#x017F;ene Guth ihrer Eltern zu <hi rendition="#aq">con&#x017F;ervi</hi>ren; ge-<lb/>
&#x017F;chweige dann, daß &#x017F;ie einen <hi rendition="#aq">Anatoci&#x017F;mum</hi> begehen, und <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;e</hi> mit <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e</hi> vermehren &#x017F;olten, weil &#x017F;ie dencken und unver&#x017F;chrocken von &#x017F;ich &#x017F;agen: <hi rendition="#fr">Ein<lb/>
junger Kerl m&#x016F;&#x017F;&#x017F;e die</hi> <hi rendition="#aq">Courage</hi> <hi rendition="#fr">haben, in der Welt, ehe er an Kru&#x0364;cken<lb/>
gehen mu&#x0364;&#x017F;te, huntert tau&#x017F;end Thaler zu erwerben. Das wa&#x0364;re mit ei-<lb/>
nem Worte Halluncken, welche die alten verro&#x017F;terten Thaler, &#x017F;o lan-<lb/>
ge im Gefa&#x0364;ngniß liegen, und &#x017F;o unendliche Seufftzer nach ihrer Erlo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ung &#x017F;chicken ließen. Ein rechter Gurgel-Bruder wu&#x0364;&#x017F;te das Geld nach<lb/>
jetziger</hi> <hi rendition="#aq">Mode</hi> <hi rendition="#fr">be&#x017F;&#x017F;er unter die Leute zu bringen; zumalen da es gantz<lb/>
richtig wa&#x0364;re, und</hi> <hi rendition="#aq">Salomon</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;aget ha&#x0364;tte, daß der Men&#x017F;ch von<lb/>
aller &#x017F;einer Mu&#x0364;he und Arbeit nichtsmehr ha&#x0364;tte, als wann er auf der<lb/>
Welt fein lu&#x017F;tig und guter Dinge gewe&#x017F;en wa&#x0364;re.</hi> Mit denen alten Geld-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gei-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0222] ren wollen, als daß ſie ſolchen groſſen Luminibus Eccleſiæ mit Raiſon wider- fprechen ſolten, Ja, ſagen insgemein dergleichen Geiſtliche Juͤnger, welche vor der Zeit eine huͤpſche Knarre und feine Pfarre haben moͤchten, contradicire ich meinem Profeſſori, Superiori &c. ſo muß ich befuͤrchten, daß mich Ihro Hochwuͤrden, mein hochgeneigteſter Herr Patron, hernachmahls gar zu lange auf der verdrießlichen Expectanten-Banck ſitzen laſſen, und mich hernachmahls mit keiner fetten Pfarre, Jungfer Tochter, An- verwandtin, oder Haus-Jungfer, verſorgen werden. Hieher gehoͤren auch, mit einem Wort, alle Brod-Gelehrte, und Brod- Advocaten, welche um ein kahles Sechzehen groſchen-Stuͤcke, oder um einen blanquen und geharniſchten Thaler, Wiſſen und Gewiſſen an den Nagel haͤn- gen, und um eines elenden Gewinſtes willen Ehre und Renommée, ja gar ihr bißgen Practiciren in die Schantze ſchlagen. Mehr mag ich vor dieſesmal nicht ſagen, damit Niemand auf die Gedancken gerathe, ob wolte ich Perſo- nalia tractiren, und manchen ehrlichen und braven Mann in ſeinem venerablen Barte und ſchwartzen Mantel proftituiren. Das Alter kan bey denen Menſchen ebenfalls unterſchiedene Gelegenhei- ten und auſſerordentliche Urſachen zu Vorurtheilen geben. Denn ſo vielerley Stuffen des Alters angetroffen werden, ſo vielmahl ereignet ſich auch Gele- genheit zu dieſem oder jenem Vorurtheil. Daher ſiehet man taͤglich, daß mit einem andern Vorurtheil ein munterer Abſolon, mit einem andern aber ein al- ter und geitziger Nabal geplaget werde. Junge Leute leben insgemein luſtig, und es heiſſet von ihnen uͤberhaupt: Semper luſtig, nunquam traurig. Sie bemuͤhen ſich ſelten, das verlaſſene Guth ihrer Eltern zu conſerviren; ge- ſchweige dann, daß ſie einen Anatociſmum begehen, und Intereſſe mit Intereſ- ſe vermehren ſolten, weil ſie dencken und unverſchrocken von ſich ſagen: Ein junger Kerl můſſe die Courage haben, in der Welt, ehe er an Kruͤcken gehen muͤſte, huntert tauſend Thaler zu erwerben. Das waͤre mit ei- nem Worte Halluncken, welche die alten verroſterten Thaler, ſo lan- ge im Gefaͤngniß liegen, und ſo unendliche Seufftzer nach ihrer Erloͤ- ſung ſchicken ließen. Ein rechter Gurgel-Bruder wuͤſte das Geld nach jetziger Mode beſſer unter die Leute zu bringen; zumalen da es gantz richtig waͤre, und Salomon ſelbſt geſaget haͤtte, daß der Menſch von aller ſeiner Muͤhe und Arbeit nichtsmehr haͤtte, als wann er auf der Welt fein luſtig und guter Dinge geweſen waͤre. Mit denen alten Geld- gei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/222
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/222>, abgerufen am 24.11.2024.