Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.könten. Wie verkehrt aber die Leute in der Welt erzogen werden, das siehet wis- Z 3
koͤnten. Wie verkehrt aber die Leute in der Welt erzogen werden, das ſiehet wiſ- Z 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0225" n="181"/> koͤnten. Wie verkehrt aber die Leute in der Welt erzogen werden, das ſiehet<lb/> man gar deutlich an ihrer verkehrten Lebens-Art. Denn an ſtatt, daß ſie fleiſ-<lb/> ſig beten, und unermuͤdet ſtudieren und arbeiten ſolten, ſo gehen die jungen Her-<lb/> ren zumalen wann ſie brave Mutter-Pfennige haben, den gantzen Tag muͤßig,<lb/> und koͤnnen aͤrger als die Lands-Knechte fluchen, ja alle Teuffel und hundert<lb/> tauſend Sacramente ohne allem Anſtoß herbethen. Eine ſolche Auferziehung,<lb/> ob ſie ſchon nach der <hi rendition="#aq">Mode</hi> vieler Leute, kan unmoͤglich einen erwuͤnſchten <hi rendition="#aq">Effect</hi><lb/> nach ſich ziehen, weil die jungen Kinder, in ihrer zarten Jugend insgemein<lb/> faulen, <hi rendition="#aq">abſurd</hi>en und <hi rendition="#aq">ſuperſtitioſen</hi> alten Weibern, die man an einigen Orten<lb/> Muhmen zu nennen pfleget, anvertrauet werden, durch welche ſie dann, von<lb/> Jugend auf zur Wolluſt und naͤrriſchen Aberglauben angefuͤhret werden; oder,<lb/> wann es ja hoch kommt, ſo vertrauet man ſie nachgehends ſolchen <hi rendition="#aq">Informato-<lb/> ribus,</hi> die ſehr ſchlechte Stuͤmper ſeyn, von welchen ſie dann die Kunſt fruͤhe<lb/> zeitig zu <hi rendition="#aq">raiſonir</hi>en und unvergleichlich aufzuſchneiden erlernen. Ich habe mit<lb/> Fleiß ein wenig oben, beym <hi rendition="#aq">Mode educandi,</hi> den Leib unſerer vernuͤnfftigen<lb/> Seele vorgezogen, weil dieſes nicht allein der <hi rendition="#aq">communis error in praxi</hi> iſt, da<lb/> ſich die jungen Faͤndgen, vor der Zeit eine <hi rendition="#aq">gravitæti</hi>ſche <hi rendition="#aq">Mine,</hi> und einen <hi rendition="#aq">au-<lb/> thoritæti</hi>ſchen Gang angewoͤhnen, auch eher eine <hi rendition="#aq">Menuet</hi> und <hi rendition="#aq">Paſſepied</hi> tantzen<lb/> muͤſſen, als ſie den Verſtand <hi rendition="#aq">excoli</hi>ret, und ſich mit guten und nuͤtzlichen Wiſ-<lb/> ſenſchafftem gezieret haben. Solches bekraͤfftigten taͤglich ſehr viele Exem-<lb/> pel derer <hi rendition="#aq">Studioſorum</hi> auf <hi rendition="#aq">Univerſitæt</hi>en, da ſie ſich am allererſten um einen<lb/> guten Tiſch, und luſtig-gelegene Stube bekuͤmmern, als daß ſie ſich vornehm-<lb/> lich bemuͤhen ſolten, zu erfahren, welcher <hi rendition="#aq">Profeſſor, Doctor, Licentiat</hi> und <hi rendition="#aq">Ma-<lb/> giſter,</hi> die beſten und nuͤtzlichſten <hi rendition="#aq">Collegia</hi> zu halten pflegen. Was nun al-<lb/> ſo die Kraͤffte unſeres Leibes entweder durch allzuuͤbermaͤßiges Schwelgen,<lb/> oder durch eine allzugroſſe Eigenſinnigkeit <hi rendition="#aq">ruini</hi>ret, daſſelbe muß man voͤllig von<lb/> der rechten Art der Auferziehung <hi rendition="#aq">removi</hi>ren, weil es ſchnurſtracks wider den End-<lb/> zweck einer geſchickten Auferziehung laͤufft. Daher iſt es etwas recht ungereim-<lb/> tes, ja in der That was viehiſches zu nennen, wann etliche, auch von denen<lb/> Gelehrten ſagen: <hi rendition="#fr">Ich eſſe und trincke was mir ſchmeckt, und leide dabey<lb/> was ich leiden ſoll und muß.</hi> Denn dieſemnach waͤre es nicht noͤthig ge-<lb/> weſen, daß uns der weiſeſte Schoͤpffer eine Vernunfft eingepflantzet haͤtte,<lb/> nach welcher wir unſere Verrichtungen beurtheilen ſolten, ob ſie uns beym<lb/> Ausgang nuͤtzlich oder ſchaͤdlich ſeyn koͤnten. Auch ein Ochſe und Eſel friſſet<lb/> ſo lange, als er kan, und wann er endlich nicht mehr freſſen und ſauffen mag,<lb/> ſo hoͤrt er von ſich ſelbſten auf, weil ein ſolches unvernuͤnſſtiges Thier ehe nicht<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Z 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wiſ-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [181/0225]
koͤnten. Wie verkehrt aber die Leute in der Welt erzogen werden, das ſiehet
man gar deutlich an ihrer verkehrten Lebens-Art. Denn an ſtatt, daß ſie fleiſ-
ſig beten, und unermuͤdet ſtudieren und arbeiten ſolten, ſo gehen die jungen Her-
ren zumalen wann ſie brave Mutter-Pfennige haben, den gantzen Tag muͤßig,
und koͤnnen aͤrger als die Lands-Knechte fluchen, ja alle Teuffel und hundert
tauſend Sacramente ohne allem Anſtoß herbethen. Eine ſolche Auferziehung,
ob ſie ſchon nach der Mode vieler Leute, kan unmoͤglich einen erwuͤnſchten Effect
nach ſich ziehen, weil die jungen Kinder, in ihrer zarten Jugend insgemein
faulen, abſurden und ſuperſtitioſen alten Weibern, die man an einigen Orten
Muhmen zu nennen pfleget, anvertrauet werden, durch welche ſie dann, von
Jugend auf zur Wolluſt und naͤrriſchen Aberglauben angefuͤhret werden; oder,
wann es ja hoch kommt, ſo vertrauet man ſie nachgehends ſolchen Informato-
ribus, die ſehr ſchlechte Stuͤmper ſeyn, von welchen ſie dann die Kunſt fruͤhe
zeitig zu raiſoniren und unvergleichlich aufzuſchneiden erlernen. Ich habe mit
Fleiß ein wenig oben, beym Mode educandi, den Leib unſerer vernuͤnfftigen
Seele vorgezogen, weil dieſes nicht allein der communis error in praxi iſt, da
ſich die jungen Faͤndgen, vor der Zeit eine gravitætiſche Mine, und einen au-
thoritætiſchen Gang angewoͤhnen, auch eher eine Menuet und Paſſepied tantzen
muͤſſen, als ſie den Verſtand excoliret, und ſich mit guten und nuͤtzlichen Wiſ-
ſenſchafftem gezieret haben. Solches bekraͤfftigten taͤglich ſehr viele Exem-
pel derer Studioſorum auf Univerſitæten, da ſie ſich am allererſten um einen
guten Tiſch, und luſtig-gelegene Stube bekuͤmmern, als daß ſie ſich vornehm-
lich bemuͤhen ſolten, zu erfahren, welcher Profeſſor, Doctor, Licentiat und Ma-
giſter, die beſten und nuͤtzlichſten Collegia zu halten pflegen. Was nun al-
ſo die Kraͤffte unſeres Leibes entweder durch allzuuͤbermaͤßiges Schwelgen,
oder durch eine allzugroſſe Eigenſinnigkeit ruiniret, daſſelbe muß man voͤllig von
der rechten Art der Auferziehung removiren, weil es ſchnurſtracks wider den End-
zweck einer geſchickten Auferziehung laͤufft. Daher iſt es etwas recht ungereim-
tes, ja in der That was viehiſches zu nennen, wann etliche, auch von denen
Gelehrten ſagen: Ich eſſe und trincke was mir ſchmeckt, und leide dabey
was ich leiden ſoll und muß. Denn dieſemnach waͤre es nicht noͤthig ge-
weſen, daß uns der weiſeſte Schoͤpffer eine Vernunfft eingepflantzet haͤtte,
nach welcher wir unſere Verrichtungen beurtheilen ſolten, ob ſie uns beym
Ausgang nuͤtzlich oder ſchaͤdlich ſeyn koͤnten. Auch ein Ochſe und Eſel friſſet
ſo lange, als er kan, und wann er endlich nicht mehr freſſen und ſauffen mag,
ſo hoͤrt er von ſich ſelbſten auf, weil ein ſolches unvernuͤnſſtiges Thier ehe nicht
wiſ-
Z 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |