Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.dente, wie jener Hund, welchem man den Schwantz wider Vermuthen abge- Auch wird zu einer rechtschaffenen und vertrauten Aufführung vornemlich Noch eine Ursache, welche endlich bey dem Menschen viele wunderliche ihrem
dente, wie jener Hund, welchem man den Schwantz wider Vermuthen abge- Auch wird zu einer rechtſchaffenen und vertrauten Auffuͤhrung vornemlich Noch eine Urſache, welche endlich bey dem Menſchen viele wunderliche ihrem
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0230" n="186"/> dente, wie jener Hund, welchem man den Schwantz wider Vermuthen abge-<lb/> hacket, gantz betruͤbt nach Hauſe gegangen.</p><lb/> <p>Auch wird zu einer rechtſchaffenen und vertrauten Auffuͤhrung vornemlich<lb/><hi rendition="#aq">Communicatio rerum & verborum</hi> erfordert, d. i. es muß ein guter Freund<lb/> dem andern in zweiffelhafften Sachen aufrichtig rathen, in ſchweren Dingen<lb/><hi rendition="#aq">reali</hi>ter helffen, in widerwaͤrtigen Sachen aber nachdruͤcklich und nach Vermoͤ-<lb/> gen troͤſten, weil der Zweck einer aufrichtigen <hi rendition="#aq">Converſation</hi> dahin gehen ſolle,<lb/> daß man nicht allein eine wahre Freundſchafft auf ein Jahr und etliche Wo-<lb/> chen einzugehen ſuche, ſondern auch dieſelbe ſo lange als man lebet auf die moͤg-<lb/> lichſte Art und Weiſe zu erhalten trachte. Dahero iſt dieſes eine rechte Schma-<lb/> rotzer-<hi rendition="#aq">Conduite,</hi> wann etliche Sauff-Bruͤder in der <hi rendition="#aq">Converſation</hi> gegen einan-<lb/> der ſagen: <hi rendition="#fr">Ich bin des</hi> H<hi rendition="#fr">errn ſein ſchuldigſter, ſein gantz ergebenſter,<lb/> und</hi> (<hi rendition="#aq">ô Judicium</hi>) <hi rendition="#fr">ſein unterthaͤnigſter Diener. Der Herr gebe mir nur</hi><lb/> G<hi rendition="#fr">elegenheit an die Hand, womit ich ihm dienen koͤnne.</hi> Allein wann die<lb/> Noth an Mann gehet, und die Ochſen, ſo zu reden am Berge ſtehen, ſo iſt weder<lb/> der ergebenſte, weder der ſchuldigſte, noch der unterthaͤnigſte Diener zu Hauſe.<lb/> Da heiſt es wohl recht nach dem bekannten Vers: <hi rendition="#aq">Donec eris felix, multos<lb/> numerabis amicos; tempora ſi fuerint nubila, ſolus eris.</hi>; das iſt: <hi rendition="#fr">So lan-<lb/> ge als du gluͤcklich biſt, wirſt du viele gute Freunde zehlen koͤnnen; dich<lb/> aber gantz allein befinden, daferne betruͤbte Zeiten einfallen.</hi> Ich ha-<lb/> be dieſe <hi rendition="#aq">Materie</hi> von der <hi rendition="#aq">Conduite</hi> allhier mit Fleiß etwas weitlaͤufftig und<lb/> nachdruͤcklich anfuͤhren wollen, weil nicht allein die meiſten und gemeinſten<lb/> Fehler in der <hi rendition="#aq">Converſation</hi> begangen, ſondern auch die liederlichſten und<lb/> leichtfertigſten Voͤgel und Sau-Maͤgen in dem gemeinen Umgang meiſtentheils<lb/> als <hi rendition="#aq">Compagnons,</hi> erzehlet werden, von welchen man nichts als Zotten und<lb/> Poſſen, luſtige Raͤncke und leichtfertige Tuͤcken, nicht aber etwas geſcheutes<lb/> und nuͤtzliches erlernen kan.</p><lb/> <p>Noch eine Urſache, welche endlich bey dem Menſchen viele wunderliche<lb/> und unnuͤtze <hi rendition="#aq">Principia</hi> erwecket, auch die einmal eingeſogenen Meynungen in<lb/> ihrem <hi rendition="#aq">Eſſe</hi> gleichſam <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ret, iſt die alte und boͤſe Gewohnheit, daß die<lb/> einmahl von vielen Vorurtheilen bezauberten Menſchen ſich nicht beſſern, ob<lb/> ſie gleich die groͤſte <hi rendition="#aq">Raiſon</hi> haͤtten, ſich in der Zeit viel kluͤger und geſcheuter<lb/> aufzufuͤhren. Es iſt aber das Vorurtheil der boͤſen Gewohnheit nichts an-<lb/> ders, als ein eingewurtzelter Fehler des verkehrten Willens, da die Leute in<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ihrem</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0230]
dente, wie jener Hund, welchem man den Schwantz wider Vermuthen abge-
hacket, gantz betruͤbt nach Hauſe gegangen.
Auch wird zu einer rechtſchaffenen und vertrauten Auffuͤhrung vornemlich
Communicatio rerum & verborum erfordert, d. i. es muß ein guter Freund
dem andern in zweiffelhafften Sachen aufrichtig rathen, in ſchweren Dingen
realiter helffen, in widerwaͤrtigen Sachen aber nachdruͤcklich und nach Vermoͤ-
gen troͤſten, weil der Zweck einer aufrichtigen Converſation dahin gehen ſolle,
daß man nicht allein eine wahre Freundſchafft auf ein Jahr und etliche Wo-
chen einzugehen ſuche, ſondern auch dieſelbe ſo lange als man lebet auf die moͤg-
lichſte Art und Weiſe zu erhalten trachte. Dahero iſt dieſes eine rechte Schma-
rotzer-Conduite, wann etliche Sauff-Bruͤder in der Converſation gegen einan-
der ſagen: Ich bin des Herrn ſein ſchuldigſter, ſein gantz ergebenſter,
und (ô Judicium) ſein unterthaͤnigſter Diener. Der Herr gebe mir nur
Gelegenheit an die Hand, womit ich ihm dienen koͤnne. Allein wann die
Noth an Mann gehet, und die Ochſen, ſo zu reden am Berge ſtehen, ſo iſt weder
der ergebenſte, weder der ſchuldigſte, noch der unterthaͤnigſte Diener zu Hauſe.
Da heiſt es wohl recht nach dem bekannten Vers: Donec eris felix, multos
numerabis amicos; tempora ſi fuerint nubila, ſolus eris.; das iſt: So lan-
ge als du gluͤcklich biſt, wirſt du viele gute Freunde zehlen koͤnnen; dich
aber gantz allein befinden, daferne betruͤbte Zeiten einfallen. Ich ha-
be dieſe Materie von der Conduite allhier mit Fleiß etwas weitlaͤufftig und
nachdruͤcklich anfuͤhren wollen, weil nicht allein die meiſten und gemeinſten
Fehler in der Converſation begangen, ſondern auch die liederlichſten und
leichtfertigſten Voͤgel und Sau-Maͤgen in dem gemeinen Umgang meiſtentheils
als Compagnons, erzehlet werden, von welchen man nichts als Zotten und
Poſſen, luſtige Raͤncke und leichtfertige Tuͤcken, nicht aber etwas geſcheutes
und nuͤtzliches erlernen kan.
Noch eine Urſache, welche endlich bey dem Menſchen viele wunderliche
und unnuͤtze Principia erwecket, auch die einmal eingeſogenen Meynungen in
ihrem Eſſe gleichſam conſerviret, iſt die alte und boͤſe Gewohnheit, daß die
einmahl von vielen Vorurtheilen bezauberten Menſchen ſich nicht beſſern, ob
ſie gleich die groͤſte Raiſon haͤtten, ſich in der Zeit viel kluͤger und geſcheuter
aufzufuͤhren. Es iſt aber das Vorurtheil der boͤſen Gewohnheit nichts an-
ders, als ein eingewurtzelter Fehler des verkehrten Willens, da die Leute in
ihrem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |