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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Von der Tadelsucht noch weiter zu reden, so hat sich dadurch unter an-
dern auch Claudius Verdier, ein Frantzose berühmt gemacht, indem er die Un-
besonnenheit begangen, daß er etlichen wenigen Bogen den hoffartigen Ti-
tel
einer Censur aller alten und neuen Scribenten beygeleget, auch seinen
eigenen Vater Antonius nicht verschonet hat, der seiner doch in der sogenann-
ten Frantzösischen Bibliothec aufs rühmlichste erwehnet. Die alten Autores
aber und darunter auch den Tullium, Virgilium und Horatium, hat er aufs
schärffste herum genommen, und bald an einem die harte Schreib-Art, bald
an dem andern die fremden und ungewöhnlichen Wörter getadelt. Eben die-
ses that auch der Poet Johann Ciampulus, der beständig auf den Virgilius,
Horatius
und den Petrarcha lästerte, die zusammen er ordentlich vor unwis-
sende Schüler
schalt, in der Absicht, daß er seine Gedichte über die ihrigen er-
heben möchte. Hierzu kam, daß er von seinen vermeynten Meriten auf eine
gantz rasende Weise eingenommen war, alle andere neben sich verachtete, auf
jederman schmähete, auch seiner eigenen Verwandten nicht schonete.

Franciscus Robortellus kunte seines gleichen durch aus nicht vertragen, wes-
wegen er denen gelehrten Männern Alciatus, Sigonius und Egnatius viel Ver-
druß angethan hat. Denn es war in selbigem ein verwegenes aufgeblasenes
Gemüthe, und ungezäumte Begierde nach allgemeiner Hochachtung, daher
man auch nicht leicht jemand gefunden, welcher im guten Glücke so trotzig,
und in widerwärtigen Zufällen so verzagt gewesen wäre.

Bey der Gelegenheit kan ich auch gar wohl noch etwas von denen münd-
lichen Zwey-Kämpffen
sagen, die man auf Universitaeten vom Catheder
herunter zu halten pfleget. Der Anfangs beym Disputiren abgezielte Endzweck
war zwar sehr gut; ist aber nunmehro dermassen verloschen, daß man sich öffters
um die nichtswürdigsten und abgeschmacktesten Dinge mit langweiligen Ge-
schwätze, und gröster Gemühts-Bewegung herum zancket; welcherley Strei-
tigkeiten aber schon die Alten nicht unbillig vitilitigia oder Schand-Gezäncke
genennet haben. Also haben sich auch vor Zeiten, nach des Tullius Zeugniß,
der Amafinius und Rabirius, wegen gantz deutlicher und Handgreifflicher Sa-
chen, biß aufs Schlagen herum gebissen, zwischen dem Palaemon und Orbilius
aber ist ein hefftiger Streit gewesen; Ob AEneas, als er in Italien ange-
kommen mit dem rechten oder lincken Fuß zu erst ans Land getreten
seye?
Der Redner Maximus hat den Schul-Lehrer Zoporion nicht wenig her-

un-

Von der Tadelſucht noch weiter zu reden, ſo hat ſich dadurch unter an-
dern auch Claudius Verdier, ein Frantzoſe beruͤhmt gemacht, indem er die Un-
beſonnenheit begangen, daß er etlichen wenigen Bogen den hoffartigen Ti-
tel
einer Cenſur aller alten und neuen Scribenten beygeleget, auch ſeinen
eigenen Vater Antonius nicht verſchonet hat, der ſeiner doch in der ſogenann-
ten Frantzoͤſiſchen Bibliothec aufs ruͤhmlichſte erwehnet. Die alten Autores
aber und darunter auch den Tullium, Virgilium und Horatium, hat er aufs
ſchaͤrffſte herum genommen, und bald an einem die harte Schreib-Art, bald
an dem andern die fremden und ungewoͤhnlichen Woͤrter getadelt. Eben die-
ſes that auch der Poët Johann Ciampulus, der beſtaͤndig auf den Virgilius,
Horatius
und den Petrarcha laͤſterte, die zuſammen er ordentlich vor unwiſ-
ſende Schuͤler
ſchalt, in der Abſicht, daß er ſeine Gedichte uͤber die ihrigen er-
heben moͤchte. Hierzu kam, daß er von ſeinen vermeynten Meriten auf eine
gantz raſende Weiſe eingenommen war, alle andere neben ſich verachtete, auf
jederman ſchmaͤhete, auch ſeiner eigenen Verwandten nicht ſchonete.

Franciſcus Robortellus kunte ſeines gleichen durch aus nicht vertragen, wes-
wegen er denen gelehrten Maͤnnern Alciatus, Sigonius und Egnatius viel Ver-
druß angethan hat. Denn es war in ſelbigem ein verwegenes aufgeblaſenes
Gemuͤthe, und ungezaͤumte Begierde nach allgemeiner Hochachtung, daher
man auch nicht leicht jemand gefunden, welcher im guten Gluͤcke ſo trotzig,
und in widerwaͤrtigen Zufaͤllen ſo verzagt geweſen waͤre.

Bey der Gelegenheit kan ich auch gar wohl noch etwas von denen muͤnd-
lichen Zwey-Kaͤmpffen
ſagen, die man auf Univerſitæten vom Catheder
herunter zu halten pfleget. Der Anfangs beym Diſputiren abgezielte Endzweck
war zwar ſehr gut; iſt aber nunmehro dermaſſen verloſchen, daß man ſich oͤffters
um die nichtswuͤrdigſten und abgeſchmackteſten Dinge mit langweiligen Ge-
ſchwaͤtze, und groͤſter Gemuͤhts-Bewegung herum zancket; welcherley Strei-
tigkeiten aber ſchon die Alten nicht unbillig vitilitigia oder Schand-Gezaͤncke
genennet haben. Alſo haben ſich auch vor Zeiten, nach des Tullius Zeugniß,
der Amafinius und Rabirius, wegen gantz deutlicher und Handgreifflicher Sa-
chen, biß aufs Schlagen herum gebiſſen, zwiſchen dem Palæmon und Orbilius
aber iſt ein hefftiger Streit geweſen; Ob Æneas, als er in Italien ange-
kommen mit dem rechten oder lincken Fuß zu erſt ans Land getreten
ſeye?
Der Redner Maximus hat den Schul-Lehrer Zoporion nicht wenig her-

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[207/0251] Von der Tadelſucht noch weiter zu reden, ſo hat ſich dadurch unter an- dern auch Claudius Verdier, ein Frantzoſe beruͤhmt gemacht, indem er die Un- beſonnenheit begangen, daß er etlichen wenigen Bogen den hoffartigen Ti- tel einer Cenſur aller alten und neuen Scribenten beygeleget, auch ſeinen eigenen Vater Antonius nicht verſchonet hat, der ſeiner doch in der ſogenann- ten Frantzoͤſiſchen Bibliothec aufs ruͤhmlichſte erwehnet. Die alten Autores aber und darunter auch den Tullium, Virgilium und Horatium, hat er aufs ſchaͤrffſte herum genommen, und bald an einem die harte Schreib-Art, bald an dem andern die fremden und ungewoͤhnlichen Woͤrter getadelt. Eben die- ſes that auch der Poët Johann Ciampulus, der beſtaͤndig auf den Virgilius, Horatius und den Petrarcha laͤſterte, die zuſammen er ordentlich vor unwiſ- ſende Schuͤler ſchalt, in der Abſicht, daß er ſeine Gedichte uͤber die ihrigen er- heben moͤchte. Hierzu kam, daß er von ſeinen vermeynten Meriten auf eine gantz raſende Weiſe eingenommen war, alle andere neben ſich verachtete, auf jederman ſchmaͤhete, auch ſeiner eigenen Verwandten nicht ſchonete. Franciſcus Robortellus kunte ſeines gleichen durch aus nicht vertragen, wes- wegen er denen gelehrten Maͤnnern Alciatus, Sigonius und Egnatius viel Ver- druß angethan hat. Denn es war in ſelbigem ein verwegenes aufgeblaſenes Gemuͤthe, und ungezaͤumte Begierde nach allgemeiner Hochachtung, daher man auch nicht leicht jemand gefunden, welcher im guten Gluͤcke ſo trotzig, und in widerwaͤrtigen Zufaͤllen ſo verzagt geweſen waͤre. Bey der Gelegenheit kan ich auch gar wohl noch etwas von denen muͤnd- lichen Zwey-Kaͤmpffen ſagen, die man auf Univerſitæten vom Catheder herunter zu halten pfleget. Der Anfangs beym Diſputiren abgezielte Endzweck war zwar ſehr gut; iſt aber nunmehro dermaſſen verloſchen, daß man ſich oͤffters um die nichtswuͤrdigſten und abgeſchmackteſten Dinge mit langweiligen Ge- ſchwaͤtze, und groͤſter Gemuͤhts-Bewegung herum zancket; welcherley Strei- tigkeiten aber ſchon die Alten nicht unbillig vitilitigia oder Schand-Gezaͤncke genennet haben. Alſo haben ſich auch vor Zeiten, nach des Tullius Zeugniß, der Amafinius und Rabirius, wegen gantz deutlicher und Handgreifflicher Sa- chen, biß aufs Schlagen herum gebiſſen, zwiſchen dem Palæmon und Orbilius aber iſt ein hefftiger Streit geweſen; Ob Æneas, als er in Italien ange- kommen mit dem rechten oder lincken Fuß zu erſt ans Land getreten ſeye? Der Redner Maximus hat den Schul-Lehrer Zoporion nicht wenig her- un-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/251>, abgerufen am 24.11.2024.