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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Wider andere haben durch Syllogistiche Gründe den Sand ausrechnen
wollen, wie viel nemlich dessen in der gantzen Welt wäre. Solches alles
aber kommet von der Logica her, wann sich blöde und tumme, oder sonst nicht
allzu richtige Köpffe damit verwirren. Bohuslaus Hassensteinius schreibet dem-
nach in seinem Wercklein de miser. human. pag. 312. von denen Logicis gantz recht
also: Die Logici schiessen Enthymemata loß, und bauen Wälder von
Syllogismis, damit sie durch verwirrte und betrügliche Schlüsse
die Unerfahrnen berücken mögen. Socrates spottet über diese Leu-
te bey dem Plato. Dion vergleicht sie mit denen Verschnittenen, und
Origenes verstehet unter denen Mäusen und Fröschen mit wel-
chen die Egyptier geplaget worden, das eitle Geschwätze derer
Dialecticorum.

Von denen Rhetorischen Springern, und Commoedianten ähnlichen Red-
nern, muß ich hier ebenfalls etwas gedencken, weil heut zu Tage nicht wenig ge-
funden werden, die mit wunderlich erhobener Stimme, vielfältig verändertem
Gesichte, frechen herumschweiffenden Augen, klatschenden Händen, hüpffen-
den Füssen, und andern dergleichen thörichten Geberden und gaucklerischen
Verbäugungen, die insgemein ein Zeichen ihres flatterhafften Gemüthes sind,
die Zuhörer anzureden pflegen, indem sie vielleicht den Ausspruch des De-
mosthenis
beobachten wollen, von welchen Valerius erzehlet, daß er dreymal
hinter einander seye gefraget worden, was das vornehmste an einem Red-
ner seye?
worauf er jedesmal ohne Bedencken geantwortet: Die äusserliche
Aufführung, der er bey nahe alle Krafft und Wirckung in der Bered-
samkeit allein zugeschrieben.
Und zwar, so wissen wir auch gar wohl, daß
schon Socrates, Plato, Cicero, Quintilianus, und die meisten Stoicker diese
Kunst einem Redner vor sehr nützlich und nöthig gehalten haben; so weit sie
nemlich in einer anständigen Leibes-Stellung, muntern Augen, unerschrocke-
nem Gesichte, durchdringender Aussprache, und endlich überhaupt in einer
geschickten, und dem Innhalt der Rede gemäßen Aufführung bestehet. Da-
her hat Peter Frantzius solche Kunst nicht nur wieder Mode machen, sondern
auch auf das äusserste treiben wollen, zu welchem Ende derselbe eine neue Art
der Eloquentz erdacht, so er die äusserliche Beredsamkeit genennet hat. Er
führte die jungen Leute allezeit vor den Spiegel, das sie von diesem Lehrmei-

ster
E e

Wider andere haben durch Syllogiſtiche Gruͤnde den Sand ausrechnen
wollen, wie viel nemlich deſſen in der gantzen Welt waͤre. Solches alles
aber kommet von der Logica her, wann ſich bloͤde und tumme, oder ſonſt nicht
allzu richtige Koͤpffe damit verwirren. Bohuslaus Haſſenſteinius ſchreibet dem-
nach in ſeinem Wercklein de miſer. human. pag. 312. von denen Logicis gantz recht
alſo: Die Logici ſchieſſen Enthymemata loß, und bauen Waͤlder von
Syllogismis, damit ſie durch verwirrte und betruͤgliche Schluͤſſe
die Unerfahrnen beruͤcken moͤgen. Socrates ſpottet uͤber dieſe Leu-
te bey dem Plato. Dion vergleicht ſie mit denen Verſchnittenen, und
Origenes verſtehet unter denen Maͤuſen und Froͤſchen mit wel-
chen die Egyptier geplaget worden, das eitle Geſchwaͤtze derer
Dialecticorum.

Von denen Rhetoriſchen Springern, und Commœdianten aͤhnlichen Red-
nern, muß ich hier ebenfalls etwas gedencken, weil heut zu Tage nicht wenig ge-
funden werden, die mit wunderlich erhobener Stimme, vielfaͤltig veraͤndertem
Geſichte, frechen herumſchweiffenden Augen, klatſchenden Haͤnden, huͤpffen-
den Fuͤſſen, und andern dergleichen thoͤrichten Geberden und gauckleriſchen
Verbaͤugungen, die insgemein ein Zeichen ihres flatterhafften Gemuͤthes ſind,
die Zuhoͤrer anzureden pflegen, indem ſie vielleicht den Ausſpruch des De-
moſthenis
beobachten wollen, von welchen Valerius erzehlet, daß er dreymal
hinter einander ſeye gefraget worden, was das vornehmſte an einem Red-
ner ſeye?
worauf er jedesmal ohne Bedencken geantwortet: Die aͤuſſerliche
Auffuͤhrung, der er bey nahe alle Krafft und Wirckung in der Bered-
ſamkeit allein zugeſchrieben.
Und zwar, ſo wiſſen wir auch gar wohl, daß
ſchon Socrates, Plato, Cicero, Quintilianus, und die meiſten Stoicker dieſe
Kunſt einem Redner vor ſehr nuͤtzlich und noͤthig gehalten haben; ſo weit ſie
nemlich in einer anſtaͤndigen Leibes-Stellung, muntern Augen, unerſchrocke-
nem Geſichte, durchdringender Ausſprache, und endlich uͤberhaupt in einer
geſchickten, und dem Innhalt der Rede gemaͤßen Auffuͤhrung beſtehet. Da-
her hat Peter Frantzius ſolche Kunſt nicht nur wieder Mode machen, ſondern
auch auf das aͤuſſerſte treiben wollen, zu welchem Ende derſelbe eine neue Art
der Eloquentz erdacht, ſo er die aͤuſſerliche Beredſamkeit genennet hat. Er
fuͤhrte die jungen Leute allezeit vor den Spiegel, das ſie von dieſem Lehrmei-

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[217/0261] Wider andere haben durch Syllogiſtiche Gruͤnde den Sand ausrechnen wollen, wie viel nemlich deſſen in der gantzen Welt waͤre. Solches alles aber kommet von der Logica her, wann ſich bloͤde und tumme, oder ſonſt nicht allzu richtige Koͤpffe damit verwirren. Bohuslaus Haſſenſteinius ſchreibet dem- nach in ſeinem Wercklein de miſer. human. pag. 312. von denen Logicis gantz recht alſo: Die Logici ſchieſſen Enthymemata loß, und bauen Waͤlder von Syllogismis, damit ſie durch verwirrte und betruͤgliche Schluͤſſe die Unerfahrnen beruͤcken moͤgen. Socrates ſpottet uͤber dieſe Leu- te bey dem Plato. Dion vergleicht ſie mit denen Verſchnittenen, und Origenes verſtehet unter denen Maͤuſen und Froͤſchen mit wel- chen die Egyptier geplaget worden, das eitle Geſchwaͤtze derer Dialecticorum. Von denen Rhetoriſchen Springern, und Commœdianten aͤhnlichen Red- nern, muß ich hier ebenfalls etwas gedencken, weil heut zu Tage nicht wenig ge- funden werden, die mit wunderlich erhobener Stimme, vielfaͤltig veraͤndertem Geſichte, frechen herumſchweiffenden Augen, klatſchenden Haͤnden, huͤpffen- den Fuͤſſen, und andern dergleichen thoͤrichten Geberden und gauckleriſchen Verbaͤugungen, die insgemein ein Zeichen ihres flatterhafften Gemuͤthes ſind, die Zuhoͤrer anzureden pflegen, indem ſie vielleicht den Ausſpruch des De- moſthenis beobachten wollen, von welchen Valerius erzehlet, daß er dreymal hinter einander ſeye gefraget worden, was das vornehmſte an einem Red- ner ſeye? worauf er jedesmal ohne Bedencken geantwortet: Die aͤuſſerliche Auffuͤhrung, der er bey nahe alle Krafft und Wirckung in der Bered- ſamkeit allein zugeſchrieben. Und zwar, ſo wiſſen wir auch gar wohl, daß ſchon Socrates, Plato, Cicero, Quintilianus, und die meiſten Stoicker dieſe Kunſt einem Redner vor ſehr nuͤtzlich und noͤthig gehalten haben; ſo weit ſie nemlich in einer anſtaͤndigen Leibes-Stellung, muntern Augen, unerſchrocke- nem Geſichte, durchdringender Ausſprache, und endlich uͤberhaupt in einer geſchickten, und dem Innhalt der Rede gemaͤßen Auffuͤhrung beſtehet. Da- her hat Peter Frantzius ſolche Kunſt nicht nur wieder Mode machen, ſondern auch auf das aͤuſſerſte treiben wollen, zu welchem Ende derſelbe eine neue Art der Eloquentz erdacht, ſo er die aͤuſſerliche Beredſamkeit genennet hat. Er fuͤhrte die jungen Leute allezeit vor den Spiegel, das ſie von dieſem Lehrmei- ſter E e

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/261>, abgerufen am 25.11.2024.