Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.in die lächerlichen Worte ausgebrochen: Mensch! was redet ihr? Das Darzu gab ihm hauptsächlich der Cardinal Bessarion Anlaß, der sich an Wann
in die laͤcherlichen Worte ausgebrochen: Menſch! was redet ihr? Das Darzu gab ihm hauptſaͤchlich der Cardinal Beſſarion Anlaß, der ſich an Wann
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="2"/> in die laͤcherlichen Worte ausgebrochen: <hi rendition="#fr">Menſch! was redet ihr? Das<lb/> kan nicht ſtincken. Es gehet ja niemand darauf als ich, und ihr muͤſſet<lb/> wiſſen daß ich</hi> <hi rendition="#aq">Doctor</hi> <hi rendition="#fr">bin.</hi> Wie viele von Stoltz und Hochmuth gantz auf-<lb/> geblaſene, mit ihren <hi rendition="#aq">Academi</hi>ſchen Titeln, eben wie ein Pfau mit ſeinem<lb/> praͤchtigen Schwantze, ſtoltzierende Gelehrte findet man auch ſonſt nicht, wel-<lb/> che ſich nicht ſcheuen in oͤffentlichen <hi rendition="#aq">Compagni</hi>en herauszuplatzen und zu ſagen:<lb/><hi rendition="#fr">Ich bin</hi> <hi rendition="#aq">Doctor,</hi> <hi rendition="#fr">ich bin</hi> <hi rendition="#aq">Licentiat,</hi> <hi rendition="#fr">ich bin</hi> <hi rendition="#aq">Magiſter; Ergo,</hi> <hi rendition="#fr">daß muß ich beſ-<lb/> ſer wiſſen,</hi> wann ſie gleich hoͤchſt unrecht haben, und ſolches alle andere ge-<lb/> genwaͤrtige vernuͤnfftige Leute begreiffen. Allein ſie ſtehen in dem Wahn es<lb/> gereiche einem <hi rendition="#aq">Doctori, Licentiato</hi> und <hi rendition="#aq">Magiſtro,</hi> item einem Geiſtlichen<lb/> Herrn, zur groſſen Schande, wann er der geſunden Vernunfft etwas nach-<lb/> geben ſolte, falls er von dieſer uͤberzeuget wird, und ſiehet, daß er ſich in einer<lb/> oder der andern Sache geirret. Der Name und der Titel, den ſie fuͤhren,<lb/> und die nach ihrer Meynung, damit verknuͤpffte <hi rendition="#aq">Autoritæt</hi>, wollen allenthal-<lb/> ben den Meiſter ſpielen, dergeſtalt, daß dergleichen Gelehrte Narren geden-<lb/> cken, ein jeder muͤſſe das Maul halten, und nur ſie reden laſſen. Ja, ſie <hi rendition="#aq">præ-<lb/> tendi</hi>ren, man ſolle nichts vor gut und recht erkennen, welches ſie nicht <hi rendition="#aq">ap-<lb/> probi</hi>ren; da ſie doch gemeiniglich kein <hi rendition="#aq">Judicium</hi> haben, und nichts wiſſen, als<lb/> was andere, und zwar laͤngſt vermoderte, und verfaulte, Gelehrte geſaget<lb/> und geſchrieben, oder nach ihrer Einbildung gedacht. Sollen ſie aber ſelber<lb/> etwas dencken reden und ſchreiben, was ſich auf die gegenwaͤrtige Zeiten und<lb/> Umſtaͤnde ſchicket, da iſt niemand zu Hauſe, oder es klinget alles, was ſie ſa-<lb/> gen und ſchreiben, ſo erbaͤrmlich und elend, daß man billig daruͤber ſeufftzen<lb/> muß. Eben daher hat der ungelehrte Koͤnig von Franckreich, <hi rendition="#aq">Ludovicus XI.</hi><lb/> Anlaß genommen, ſich uͤber die Gelehrten zu <hi rendition="#aq">moqui</hi>ren, und zu ſagen: <hi rendition="#fr">Gluͤck-<lb/> ſelig iſt derjenige, dem unbekannt iſt, was die Alten, und ſchon laͤngſt<lb/> vermoderten, gethan, geredet, geſchrieben und gedacht; dem es aber<lb/> doch dabey nicht an Vermoͤgen und Verſtande gebricht, ſelber zu thun,<lb/> zu reden, zu ſchreiben und zu dencken, was er ſolle.</hi></p><lb/> <p>Darzu gab ihm hauptſaͤchlich der <hi rendition="#aq">Cardinal Beſſarion</hi> Anlaß, der ſich an<lb/> dem Koͤniglichen Frantzoͤſiſchen Hofe als Paͤbſticher <hi rendition="#aq">Legat</hi> einfande, aber al-<lb/> lerhand grobe Schnitzer wider das Hof-<hi rendition="#aq">Ceremoniel</hi> begieng. Den Hertzog<lb/> von Burgund, der doch, gewiſſer Maſſen ein <hi rendition="#aq">Vaſall</hi> des Koͤnigs von Franck-<lb/> reich geweſen, beſuchte er eher als den Koͤniglichen Frantzoͤſiſchen Hof, und<lb/> war gleichwohl wegen derer Zwiſtigkeiten, welche unter dieſen beyden Hoͤfen<lb/> herrſcheten, vornemlich von dem Pabſt abgeſchicket, um ſie zu ſchlichten.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wann</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0046]
in die laͤcherlichen Worte ausgebrochen: Menſch! was redet ihr? Das
kan nicht ſtincken. Es gehet ja niemand darauf als ich, und ihr muͤſſet
wiſſen daß ich Doctor bin. Wie viele von Stoltz und Hochmuth gantz auf-
geblaſene, mit ihren Academiſchen Titeln, eben wie ein Pfau mit ſeinem
praͤchtigen Schwantze, ſtoltzierende Gelehrte findet man auch ſonſt nicht, wel-
che ſich nicht ſcheuen in oͤffentlichen Compagnien herauszuplatzen und zu ſagen:
Ich bin Doctor, ich bin Licentiat, ich bin Magiſter; Ergo, daß muß ich beſ-
ſer wiſſen, wann ſie gleich hoͤchſt unrecht haben, und ſolches alle andere ge-
genwaͤrtige vernuͤnfftige Leute begreiffen. Allein ſie ſtehen in dem Wahn es
gereiche einem Doctori, Licentiato und Magiſtro, item einem Geiſtlichen
Herrn, zur groſſen Schande, wann er der geſunden Vernunfft etwas nach-
geben ſolte, falls er von dieſer uͤberzeuget wird, und ſiehet, daß er ſich in einer
oder der andern Sache geirret. Der Name und der Titel, den ſie fuͤhren,
und die nach ihrer Meynung, damit verknuͤpffte Autoritæt, wollen allenthal-
ben den Meiſter ſpielen, dergeſtalt, daß dergleichen Gelehrte Narren geden-
cken, ein jeder muͤſſe das Maul halten, und nur ſie reden laſſen. Ja, ſie præ-
tendiren, man ſolle nichts vor gut und recht erkennen, welches ſie nicht ap-
probiren; da ſie doch gemeiniglich kein Judicium haben, und nichts wiſſen, als
was andere, und zwar laͤngſt vermoderte, und verfaulte, Gelehrte geſaget
und geſchrieben, oder nach ihrer Einbildung gedacht. Sollen ſie aber ſelber
etwas dencken reden und ſchreiben, was ſich auf die gegenwaͤrtige Zeiten und
Umſtaͤnde ſchicket, da iſt niemand zu Hauſe, oder es klinget alles, was ſie ſa-
gen und ſchreiben, ſo erbaͤrmlich und elend, daß man billig daruͤber ſeufftzen
muß. Eben daher hat der ungelehrte Koͤnig von Franckreich, Ludovicus XI.
Anlaß genommen, ſich uͤber die Gelehrten zu moquiren, und zu ſagen: Gluͤck-
ſelig iſt derjenige, dem unbekannt iſt, was die Alten, und ſchon laͤngſt
vermoderten, gethan, geredet, geſchrieben und gedacht; dem es aber
doch dabey nicht an Vermoͤgen und Verſtande gebricht, ſelber zu thun,
zu reden, zu ſchreiben und zu dencken, was er ſolle.
Darzu gab ihm hauptſaͤchlich der Cardinal Beſſarion Anlaß, der ſich an
dem Koͤniglichen Frantzoͤſiſchen Hofe als Paͤbſticher Legat einfande, aber al-
lerhand grobe Schnitzer wider das Hof-Ceremoniel begieng. Den Hertzog
von Burgund, der doch, gewiſſer Maſſen ein Vaſall des Koͤnigs von Franck-
reich geweſen, beſuchte er eher als den Koͤniglichen Frantzoͤſiſchen Hof, und
war gleichwohl wegen derer Zwiſtigkeiten, welche unter dieſen beyden Hoͤfen
herrſcheten, vornemlich von dem Pabſt abgeſchicket, um ſie zu ſchlichten.
Wann
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |