Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.siget, wie er zum allerzierlichsten dasjenige auf klauben und auflecken könne," Er kan nicht glauben, daß jemand ohne Bücher seyn gelehrt worden, oder" Was der geneigte Leser biß hieher von unartigen Schul-Tyrannen, un- Die Pedanten, welche nur halbe Menschen seynd, und ihnen nimmer-" reder E 2
ſiget, wie er zum allerzierlichſten dasjenige auf klauben und auflecken koͤnne,„ Er kan nicht glauben, daß jemand ohne Buͤcher ſeyn gelehrt worden, oder„ Was der geneigte Leſer biß hieher von unartigen Schul-Tyrannen, un- Die Pedanten, welche nur halbe Menſchen ſeynd, und ihnen nimmer-„ reder E 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0079" n="35"/> ſiget, wie er zum allerzierlichſten dasjenige auf klauben und auflecken <choice><sic>koͤnnne</sic><corr>koͤnne</corr></choice>,„<lb/> was andere geſpeyet haben.„</p><lb/> <p>Er kan nicht glauben, daß jemand ohne Buͤcher ſeyn gelehrt worden, oder„<lb/> daß diejenigen, ſo vor Aufkommung derer Buͤcher und des Buͤcherſchreibens„<lb/> gelebet, etwas haben wiſſen koͤnnen, gleich als ob der Menſch nichts von Ge-„<lb/> ſchicklichkeit in der Natur, in der Vernunfft und in dem Verſtand haͤtte, ſon-„<lb/> dern alles in denen groſſen, und manchmal wiederwaͤrtigen, Buͤchern ſuchen„<lb/> muͤſſe. Er hat kein natuͤrlich ſondern ein <hi rendition="#aq">artificial Judicium,</hi> dannenhero man-„<lb/> cher Bauer, der Verſtand hat, und nur natuͤrliche Reden fuͤhret, weit beſ-„<lb/> ſer urtheilet als er. Er giebet niemanden <hi rendition="#aq">Rationem;</hi> will aber doch jeder-„<lb/> mans Worte und Wercke an ſeine <hi rendition="#aq">Rationes</hi> und <hi rendition="#aq">Regulas</hi> binden, gleich als„<lb/> ob es ſowohl um uns Menſchen ſtuͤnde, daß alles nach denen Regeln koͤnte ge-„<lb/> richtet werden, und jederman nach der <hi rendition="#aq">Grammatic</hi> reden und thun koͤnte.„<lb/> Endlich wann er zu weit koͤmmt, daß er die <hi rendition="#aq">Conſuetudinem</hi> und den <hi rendition="#aq">Uſum,</hi>„<lb/> nicht mehr vertheidigen kan, ſo nennet er es eine <hi rendition="#aq">Anomaliam,</hi> einen <hi rendition="#aq">Gracil-„<lb/> lum,</hi> eine <hi rendition="#aq">Exceptionem,</hi> und ſo fortan. In Summa ein dergleichen Schul-„<lb/> Tyrann iſt ein pur lauterer ausgekuͤnſtelter Eſel.„</p><lb/> <p>Was der geneigte Leſer biß hieher von unartigen Schul-Tyrannen, un-<lb/> ter welche auch verwirrte, eigenſinnige oder ſonſt boͤſe <hi rendition="#aq">Profeſſores</hi> auf <hi rendition="#aq">Uni-<lb/> verſitæ</hi>ten, zu zehlen ſind, geleſen hat, das iſt von vielen andern Gelehrten eben-<lb/> falls zu verſtehen. Denn es ſtecken nicht alle gelehrte Narren in denen Schu-<lb/> len, oder auf <hi rendition="#aq">Univerſitæ</hi>ten, ſondern es befinden ſich deren auch da und dor-<lb/> ten in ihrem beſondern Loͤchern. Dieſe ſind alſo abgemahlet und beſchrie-<lb/> ben:</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#aq">Pedan</hi>ten, welche nur halbe Menſchen ſeynd, und ihnen nimmer-„<lb/> mehr die Hoffnung machen duͤrffen rechte gantze Menſchen zu werden, die„<lb/> nur mit denen Motten und Buͤcherſchaben zu thun haben, welche ſie aus ih-„<lb/> rem erblichen Beſitz vertreiben, werden gar fein bey denen Lateinern <hi rendition="#aq">Umbra-„<lb/> tici,</hi> bey denen Teutſchen Stubenſitzer, Calmaͤuſſer, Dinten-Freſſer genen-„<lb/> net, dieweil ſie gleichſam, wie die Geiſter derer Verſtorbenen, ihr Leben an„<lb/> ſchattichten duncklen Orten, in unaufhoͤrlicher Muͤhſeligkeit und freywilliger„<lb/> Marter, mit greinen und gramen zubringen. Wann ſie andern rechten Men-„<lb/> ſchen von Ungefaͤhr oͤffentlich unter die Augen kommen, ſcheinen ſie nichts an-„<lb/> ders zu ſeyn als ein Geſpenſt, oder unſelige Geiſter mit ſcheußlichen Geſich-„<lb/> tern, die da um die Todten-Begraͤbniſſe wohnen. Gruͤſſet ſie einer, oder„<lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">reder</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0079]
ſiget, wie er zum allerzierlichſten dasjenige auf klauben und auflecken koͤnne,„
was andere geſpeyet haben.„
Er kan nicht glauben, daß jemand ohne Buͤcher ſeyn gelehrt worden, oder„
daß diejenigen, ſo vor Aufkommung derer Buͤcher und des Buͤcherſchreibens„
gelebet, etwas haben wiſſen koͤnnen, gleich als ob der Menſch nichts von Ge-„
ſchicklichkeit in der Natur, in der Vernunfft und in dem Verſtand haͤtte, ſon-„
dern alles in denen groſſen, und manchmal wiederwaͤrtigen, Buͤchern ſuchen„
muͤſſe. Er hat kein natuͤrlich ſondern ein artificial Judicium, dannenhero man-„
cher Bauer, der Verſtand hat, und nur natuͤrliche Reden fuͤhret, weit beſ-„
ſer urtheilet als er. Er giebet niemanden Rationem; will aber doch jeder-„
mans Worte und Wercke an ſeine Rationes und Regulas binden, gleich als„
ob es ſowohl um uns Menſchen ſtuͤnde, daß alles nach denen Regeln koͤnte ge-„
richtet werden, und jederman nach der Grammatic reden und thun koͤnte.„
Endlich wann er zu weit koͤmmt, daß er die Conſuetudinem und den Uſum,„
nicht mehr vertheidigen kan, ſo nennet er es eine Anomaliam, einen Gracil-„
lum, eine Exceptionem, und ſo fortan. In Summa ein dergleichen Schul-„
Tyrann iſt ein pur lauterer ausgekuͤnſtelter Eſel.„
Was der geneigte Leſer biß hieher von unartigen Schul-Tyrannen, un-
ter welche auch verwirrte, eigenſinnige oder ſonſt boͤſe Profeſſores auf Uni-
verſitæten, zu zehlen ſind, geleſen hat, das iſt von vielen andern Gelehrten eben-
falls zu verſtehen. Denn es ſtecken nicht alle gelehrte Narren in denen Schu-
len, oder auf Univerſitæten, ſondern es befinden ſich deren auch da und dor-
ten in ihrem beſondern Loͤchern. Dieſe ſind alſo abgemahlet und beſchrie-
ben:
Die Pedanten, welche nur halbe Menſchen ſeynd, und ihnen nimmer-„
mehr die Hoffnung machen duͤrffen rechte gantze Menſchen zu werden, die„
nur mit denen Motten und Buͤcherſchaben zu thun haben, welche ſie aus ih-„
rem erblichen Beſitz vertreiben, werden gar fein bey denen Lateinern Umbra-„
tici, bey denen Teutſchen Stubenſitzer, Calmaͤuſſer, Dinten-Freſſer genen-„
net, dieweil ſie gleichſam, wie die Geiſter derer Verſtorbenen, ihr Leben an„
ſchattichten duncklen Orten, in unaufhoͤrlicher Muͤhſeligkeit und freywilliger„
Marter, mit greinen und gramen zubringen. Wann ſie andern rechten Men-„
ſchen von Ungefaͤhr oͤffentlich unter die Augen kommen, ſcheinen ſie nichts an-„
ders zu ſeyn als ein Geſpenſt, oder unſelige Geiſter mit ſcheußlichen Geſich-„
tern, die da um die Todten-Begraͤbniſſe wohnen. Gruͤſſet ſie einer, oder„
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