dies die Sache. Wirst Du denn Deinen wieder- eröfneten Blick stumm und trübe in die Gegen- stände hinwerfen, wie ein Stier, und die Gestal- ten in einanderfließend vor demselben vorbei wan- ken lassen? So wirst Du freilich mit Deinem Blick nichts erblicken. Nur erwartest Du dieses Richten und Heften und Verweilen Deines Blickes vergebens von irgend einem Arzte oder irgend einer Augensalbe; dieß mußt Du von Dir selbst, von Deiner eignen Kraft nehmen. Aber Du kannst keinen Blick richten und heften, wenn Du nicht erst einen Blick hast, und diesen will ich Dir vorläufig geben. Der rechte Gebrauch desselben wird dann Deine Sache seyn.
Du siehst, das Wollen ist nicht um des Erken- nens willen, sondern das Erkennen, um des Wol- lens willen.
Was soll man also denen sagen, die, wenn sie bemerken, daß jemand überall auf deutliche Erkennt- niß hinarbeitet, ihm zurufen: Aber der Mensch ist ja nicht blos und allein Verstand! -- Freilich ist er nicht allein das; er ist für sich selbst, -- für sich selbst sage ich, auch Wille; aber keiner kann unmittelbar auf den Willen des andern ein- wirken, nicht gleichsam in ihn hineinwollen, oder seinen Willen anregen und bewegen. Dieser kommt immer und allein von Innen heraus, nimmer von außen hinein.
Ich für meine Person kenne nur zwei Arten von Einwirkung auf den Menschen. Die erste und bei weitem wichtigste ist, durch Belehrung.
dies die Sache. Wirſt Du denn Deinen wieder- eroͤfneten Blick ſtumm und truͤbe in die Gegen- ſtaͤnde hinwerfen, wie ein Stier, und die Geſtal- ten in einanderfließend vor demſelben vorbei wan- ken laſſen? So wirſt Du freilich mit Deinem Blick nichts erblicken. Nur erwarteſt Du dieſes Richten und Heften und Verweilen Deines Blickes vergebens von irgend einem Arzte oder irgend einer Augenſalbe; dieß mußt Du von Dir ſelbſt, von Deiner eignen Kraft nehmen. Aber Du kannſt keinen Blick richten und heften, wenn Du nicht erſt einen Blick haſt, und dieſen will ich Dir vorlaͤufig geben. Der rechte Gebrauch deſſelben wird dann Deine Sache ſeyn.
Du ſiehſt, das Wollen iſt nicht um des Erken- nens willen, ſondern das Erkennen, um des Wol- lens willen.
Was ſoll man alſo denen ſagen, die, wenn ſie bemerken, daß jemand uͤberall auf deutliche Erkennt- niß hinarbeitet, ihm zurufen: Aber der Menſch iſt ja nicht blos und allein Verſtand! — Freilich iſt er nicht allein das; er iſt fuͤr ſich ſelbſt, — fuͤr ſich ſelbſt ſage ich, auch Wille; aber keiner kann unmittelbar auf den Willen des andern ein- wirken, nicht gleichſam in ihn hineinwollen, oder ſeinen Willen anregen und bewegen. Dieſer kommt immer und allein von Innen heraus, nimmer von außen hinein.
Ich fuͤr meine Perſon kenne nur zwei Arten von Einwirkung auf den Menſchen. Die erſte und bei weitem wichtigſte iſt, durch Belehrung.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0045"n="23"/>
dies die Sache. Wirſt Du denn Deinen wieder-<lb/>
eroͤfneten Blick ſtumm und truͤbe in die Gegen-<lb/>ſtaͤnde hinwerfen, wie ein Stier, und die Geſtal-<lb/>
ten in einanderfließend vor demſelben vorbei wan-<lb/>
ken laſſen? So wirſt Du freilich mit Deinem<lb/>
Blick nichts erblicken. Nur erwarteſt Du dieſes<lb/>
Richten und Heften und Verweilen Deines Blickes<lb/>
vergebens von irgend einem Arzte oder irgend<lb/>
einer Augenſalbe; dieß mußt Du von Dir ſelbſt,<lb/>
von Deiner eignen Kraft nehmen. Aber Du<lb/>
kannſt keinen Blick richten und heften, <hirendition="#g">wenn Du<lb/>
nicht erſt einen Blick haſt</hi>, und dieſen will<lb/>
ich Dir vorlaͤufig geben. <hirendition="#g">Der rechte Gebrauch<lb/>
deſſelben wird dann Deine Sache ſeyn</hi>.</p><lb/><p>Du ſiehſt, das Wollen iſt nicht um des Erken-<lb/>
nens willen, ſondern das Erkennen, um des Wol-<lb/>
lens willen.</p><lb/><p>Was ſoll man alſo denen ſagen, die, wenn ſie<lb/>
bemerken, daß jemand uͤberall auf deutliche Erkennt-<lb/>
niß hinarbeitet, ihm zurufen: Aber der Menſch iſt<lb/>
ja nicht blos und allein <hirendition="#g">Verſtand</hi>! — Freilich<lb/>
iſt er nicht allein das; er iſt fuͤr ſich ſelbſt, —<hirendition="#g">fuͤr<lb/>ſich ſelbſt</hi>ſage ich, auch <hirendition="#g">Wille</hi>; aber keiner<lb/>
kann unmittelbar auf den Willen des andern ein-<lb/>
wirken, nicht gleichſam <hirendition="#g">in ihn hineinwollen</hi>,<lb/>
oder ſeinen Willen anregen und bewegen. Dieſer<lb/>
kommt immer und allein von Innen heraus,<lb/>
nimmer von außen hinein.</p><lb/><p>Ich fuͤr meine Perſon kenne nur zwei Arten<lb/>
von Einwirkung auf den Menſchen. Die erſte<lb/>
und bei weitem wichtigſte iſt, durch <hirendition="#g">Belehrung</hi>.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[23/0045]
dies die Sache. Wirſt Du denn Deinen wieder-
eroͤfneten Blick ſtumm und truͤbe in die Gegen-
ſtaͤnde hinwerfen, wie ein Stier, und die Geſtal-
ten in einanderfließend vor demſelben vorbei wan-
ken laſſen? So wirſt Du freilich mit Deinem
Blick nichts erblicken. Nur erwarteſt Du dieſes
Richten und Heften und Verweilen Deines Blickes
vergebens von irgend einem Arzte oder irgend
einer Augenſalbe; dieß mußt Du von Dir ſelbſt,
von Deiner eignen Kraft nehmen. Aber Du
kannſt keinen Blick richten und heften, wenn Du
nicht erſt einen Blick haſt, und dieſen will
ich Dir vorlaͤufig geben. Der rechte Gebrauch
deſſelben wird dann Deine Sache ſeyn.
Du ſiehſt, das Wollen iſt nicht um des Erken-
nens willen, ſondern das Erkennen, um des Wol-
lens willen.
Was ſoll man alſo denen ſagen, die, wenn ſie
bemerken, daß jemand uͤberall auf deutliche Erkennt-
niß hinarbeitet, ihm zurufen: Aber der Menſch iſt
ja nicht blos und allein Verſtand! — Freilich
iſt er nicht allein das; er iſt fuͤr ſich ſelbſt, — fuͤr
ſich ſelbſt ſage ich, auch Wille; aber keiner
kann unmittelbar auf den Willen des andern ein-
wirken, nicht gleichſam in ihn hineinwollen,
oder ſeinen Willen anregen und bewegen. Dieſer
kommt immer und allein von Innen heraus,
nimmer von außen hinein.
Ich fuͤr meine Perſon kenne nur zwei Arten
von Einwirkung auf den Menſchen. Die erſte
und bei weitem wichtigſte iſt, durch Belehrung.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. Berlin, 1803, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien02_1803/45>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.