terschiede oder auch wirkliche Unterschiede des Einen und selben menschlichen Wesens als Substanzen, als göttliche Per- sonen hypostasirt werden. Und darin daß diese unterschiedne Bestimmungen in Gott Hypostasen, Subjecte, Wesen sind, soll eben der Unterschied liegen zwischen diesen Bestimmungen, wie sie in Gott und eben diesen Bestimmungen, wie sie im Menschen existiren, in Folge des ausgesprochenen Gesetzes, daß nur in der Vorstellung der Persönlichkeit die menschliche Per- sönlichkeit ihre eignen Bestimmungen sich alienirt und alterirt. Die Persönlichkeit existirt aber nur in der Einbildungskraft; die Grundbestimmungen sind daher auch hier nur für die Einbildung Hypostasen, Personen, für die Vernunft, für das Denken nur Relationen oder nur Bestimmungen. Die Trinität ist der Widerspruch von Polytheismus und Monotheismus, von Phantasie und Vernunft, Einbildung und Realität. Die Phantasie ist die Dreiheit, die Vernunft die Einheit der Per- sonen. Der Vernunft nach sind die Unterschiedenen nur Unterschiede, der Phantasie nach die Unterschiede Unter- schiedene, welche daher die Einheit des göttlichen Wesens aufheben. Für die Vernunft sind die göttlichen Personen Phan- tome, für die Einbildung Realitäten. Die Trinität macht dem Menschen die Zumuthung, das Gegentheil von dem zu denken, was man sich einbildet und das Gegentheil von dem sich einzubilden, was man denkt -- Phantome als Realitäten zu denken *).
*) Es ist sonderbar, wie die speculative Religionsphilosophie gegen den göttlichen Verstand die Trinität in Schutz nimmt, und doch mit der Beseitigung der persönlichen Substanzen und mit der Erklärung, daß das Verhältniß von Vater und Sohn nur ein dem organischen Leben ent-
terſchiede oder auch wirkliche Unterſchiede des Einen und ſelben menſchlichen Weſens als Subſtanzen, als göttliche Per- ſonen hypoſtaſirt werden. Und darin daß dieſe unterſchiedne Beſtimmungen in Gott Hypoſtaſen, Subjecte, Weſen ſind, ſoll eben der Unterſchied liegen zwiſchen dieſen Beſtimmungen, wie ſie in Gott und eben dieſen Beſtimmungen, wie ſie im Menſchen exiſtiren, in Folge des ausgeſprochenen Geſetzes, daß nur in der Vorſtellung der Perſönlichkeit die menſchliche Per- ſönlichkeit ihre eignen Beſtimmungen ſich alienirt und alterirt. Die Perſönlichkeit exiſtirt aber nur in der Einbildungskraft; die Grundbeſtimmungen ſind daher auch hier nur für die Einbildung Hypoſtaſen, Perſonen, für die Vernunft, für das Denken nur Relationen oder nur Beſtimmungen. Die Trinität iſt der Widerſpruch von Polytheismus und Monotheismus, von Phantaſie und Vernunft, Einbildung und Realität. Die Phantaſie iſt die Dreiheit, die Vernunft die Einheit der Per- ſonen. Der Vernunft nach ſind die Unterſchiedenen nur Unterſchiede, der Phantaſie nach die Unterſchiede Unter- ſchiedene, welche daher die Einheit des göttlichen Weſens aufheben. Für die Vernunft ſind die göttlichen Perſonen Phan- tome, für die Einbildung Realitäten. Die Trinität macht dem Menſchen die Zumuthung, das Gegentheil von dem zu denken, was man ſich einbildet und das Gegentheil von dem ſich einzubilden, was man denkt — Phantome als Realitäten zu denken *).
*) Es iſt ſonderbar, wie die ſpeculative Religionsphiloſophie gegen den göttlichen Verſtand die Trinität in Schutz nimmt, und doch mit der Beſeitigung der perſönlichen Subſtanzen und mit der Erklärung, daß das Verhältniß von Vater und Sohn nur ein dem organiſchen Leben ent-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0333"n="315"/>
terſchiede oder auch wirkliche Unterſchiede des Einen und ſelben<lb/>
menſchlichen Weſens als <hirendition="#g">Subſtanzen</hi>, als <hirendition="#g">göttliche Per-<lb/>ſonen</hi> hypoſtaſirt werden. Und darin daß dieſe unterſchiedne<lb/>
Beſtimmungen in Gott Hypoſtaſen, Subjecte, Weſen ſind, ſoll<lb/>
eben der <hirendition="#g">Unterſchied</hi> liegen zwiſchen dieſen Beſtimmungen,<lb/><hirendition="#g">wie ſie in Gott</hi> und eben dieſen Beſtimmungen, <hirendition="#g">wie ſie im<lb/>
Menſchen</hi> exiſtiren, in Folge des ausgeſprochenen Geſetzes,<lb/>
daß nur in der Vorſtellung der Perſönlichkeit die menſchliche Per-<lb/>ſönlichkeit ihre eignen Beſtimmungen ſich alienirt und alterirt.<lb/>
Die Perſönlichkeit exiſtirt aber nur in der Einbildungskraft;<lb/>
die Grundbeſtimmungen ſind daher auch hier nur für die<lb/>
Einbildung Hypoſtaſen, Perſonen, für die Vernunft, für das<lb/>
Denken nur Relationen oder nur Beſtimmungen. Die Trinität<lb/>
iſt der Widerſpruch von Polytheismus und Monotheismus,<lb/>
von Phantaſie und Vernunft, Einbildung und Realität. Die<lb/>
Phantaſie iſt die Dreiheit, die Vernunft die Einheit der Per-<lb/>ſonen. Der Vernunft nach ſind die <hirendition="#g">Unterſchiedenen</hi> nur<lb/><hirendition="#g">Unterſchiede</hi>, der Phantaſie nach die <hirendition="#g">Unterſchiede Unter-<lb/>ſchiedene</hi>, welche daher die Einheit des göttlichen Weſens<lb/>
aufheben. Für die Vernunft ſind die göttlichen Perſonen Phan-<lb/>
tome, für die Einbildung Realitäten. Die Trinität macht dem<lb/>
Menſchen die Zumuthung, das Gegentheil von dem zu denken,<lb/>
was man ſich einbildet und das Gegentheil von dem ſich<lb/>
einzubilden, was man denkt — Phantome als Realitäten<lb/>
zu denken <notexml:id="note-0333"next="#note-0334"place="foot"n="*)">Es iſt ſonderbar, wie die ſpeculative Religionsphiloſophie gegen<lb/>
den göttlichen Verſtand die Trinität in Schutz nimmt, und doch mit der<lb/>
Beſeitigung der perſönlichen Subſtanzen und mit der Erklärung, daß<lb/>
das Verhältniß von Vater und Sohn nur ein dem organiſchen Leben ent-</note>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[315/0333]
terſchiede oder auch wirkliche Unterſchiede des Einen und ſelben
menſchlichen Weſens als Subſtanzen, als göttliche Per-
ſonen hypoſtaſirt werden. Und darin daß dieſe unterſchiedne
Beſtimmungen in Gott Hypoſtaſen, Subjecte, Weſen ſind, ſoll
eben der Unterſchied liegen zwiſchen dieſen Beſtimmungen,
wie ſie in Gott und eben dieſen Beſtimmungen, wie ſie im
Menſchen exiſtiren, in Folge des ausgeſprochenen Geſetzes,
daß nur in der Vorſtellung der Perſönlichkeit die menſchliche Per-
ſönlichkeit ihre eignen Beſtimmungen ſich alienirt und alterirt.
Die Perſönlichkeit exiſtirt aber nur in der Einbildungskraft;
die Grundbeſtimmungen ſind daher auch hier nur für die
Einbildung Hypoſtaſen, Perſonen, für die Vernunft, für das
Denken nur Relationen oder nur Beſtimmungen. Die Trinität
iſt der Widerſpruch von Polytheismus und Monotheismus,
von Phantaſie und Vernunft, Einbildung und Realität. Die
Phantaſie iſt die Dreiheit, die Vernunft die Einheit der Per-
ſonen. Der Vernunft nach ſind die Unterſchiedenen nur
Unterſchiede, der Phantaſie nach die Unterſchiede Unter-
ſchiedene, welche daher die Einheit des göttlichen Weſens
aufheben. Für die Vernunft ſind die göttlichen Perſonen Phan-
tome, für die Einbildung Realitäten. Die Trinität macht dem
Menſchen die Zumuthung, das Gegentheil von dem zu denken,
was man ſich einbildet und das Gegentheil von dem ſich
einzubilden, was man denkt — Phantome als Realitäten
zu denken *).
*) Es iſt ſonderbar, wie die ſpeculative Religionsphiloſophie gegen
den göttlichen Verſtand die Trinität in Schutz nimmt, und doch mit der
Beſeitigung der perſönlichen Subſtanzen und mit der Erklärung, daß
das Verhältniß von Vater und Sohn nur ein dem organiſchen Leben ent-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/333>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.