tisch, wesentliches Merkmal einer Person, einer Substanz. Anders bei Gott, und nothwendig anders, denn es ist das- selbe in ihm, was im Menschen, aber als ein Andres, mit dem Postulat: es soll ein Andres sein. Die drei Per- sonen in Gott haben keine Existenz außer einander; sonst würden uns im Himmel der christlichen Dogmatik mit aller Herzlichkeit und Offenheit zwar nicht wie im Olymp viele, aber doch wenigstens drei göttliche Personen in individueller Gestalt, drei Götter entgegenkommen. Die Götter des Olymps waren wirkliche Personen, denn sie existirten außer einander, sie hatten das Wahrzeichen der Realität der Persönlichkeit in ihrer Individualität, stimmten aber im Wesen, in der Gottheit überein; sie hatten verschiedne persönliche Attribute, aber waren jeder einzeln ein Gott; in der Gottheit gleich, als exi- stirende Subjecte verschieden: sie waren wahrhafte göttliche Personen. Die drei christlichen Personen dagegen sind nur vorgestellte, eingebildete, vorgeheuchelte Personen -- allerdings andere Personen als die wirklichen Personen, eben weil sie nur eingebildete, nur Schemen von Persönlich- keiten sind, zugleich aber dennoch wirkliche Personen sein wol- len und sollen. Das wesentliche Merkmal persönlicher Rea- lität, das polytheistische Element ist ausgeschlossen, negirt als ungöttlich. Aber eben durch diese Negation wird ihre Persönlichkeit nur zu einem Scheine der Einbildung. Nur in der Wahrheit des Plurals liegt die Wahrheit der Per- sonen. Die drei christlichen Personen sind aber nicht tres Dii, drei Götter -- sie sollen es wenigstens nicht sein -- sondern unus Deus. Die drei Personen endigen nicht, wie zu erwarten, in einem Plural, sondern Singular; sie sind nicht nur Unum, Eins -- solches sind auch die Götter des Poly-
tiſch, weſentliches Merkmal einer Perſon, einer Subſtanz. Anders bei Gott, und nothwendig anders, denn es iſt daſ- ſelbe in ihm, was im Menſchen, aber als ein Andres, mit dem Poſtulat: es ſoll ein Andres ſein. Die drei Per- ſonen in Gott haben keine Exiſtenz außer einander; ſonſt würden uns im Himmel der chriſtlichen Dogmatik mit aller Herzlichkeit und Offenheit zwar nicht wie im Olymp viele, aber doch wenigſtens drei göttliche Perſonen in individueller Geſtalt, drei Götter entgegenkommen. Die Götter des Olymps waren wirkliche Perſonen, denn ſie exiſtirten außer einander, ſie hatten das Wahrzeichen der Realität der Perſönlichkeit in ihrer Individualität, ſtimmten aber im Weſen, in der Gottheit überein; ſie hatten verſchiedne perſönliche Attribute, aber waren jeder einzeln ein Gott; in der Gottheit gleich, als exi- ſtirende Subjecte verſchieden: ſie waren wahrhafte göttliche Perſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen dagegen ſind nur vorgeſtellte, eingebildete, vorgeheuchelte Perſonen — allerdings andere Perſonen als die wirklichen Perſonen, eben weil ſie nur eingebildete, nur Schemen von Perſönlich- keiten ſind, zugleich aber dennoch wirkliche Perſonen ſein wol- len und ſollen. Das weſentliche Merkmal perſönlicher Rea- lität, das polytheiſtiſche Element iſt ausgeſchloſſen, negirt als ungöttlich. Aber eben durch dieſe Negation wird ihre Perſönlichkeit nur zu einem Scheine der Einbildung. Nur in der Wahrheit des Plurals liegt die Wahrheit der Per- ſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen ſind aber nicht tres Dii, drei Götter — ſie ſollen es wenigſtens nicht ſein — ſondern unus Deus. Die drei Perſonen endigen nicht, wie zu erwarten, in einem Plural, ſondern Singular; ſie ſind nicht nur Unum, Eins — ſolches ſind auch die Götter des Poly-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0335"n="317"/>
tiſch, weſentliches Merkmal einer Perſon, einer Subſtanz.<lb/>
Anders bei Gott, und nothwendig anders, denn es iſt <hirendition="#g">daſ-<lb/>ſelbe</hi> in ihm, was im Menſchen, aber <hirendition="#g">als ein Andres</hi>,<lb/>
mit dem Poſtulat: <hirendition="#g">es ſoll ein Andres ſein</hi>. Die drei Per-<lb/>ſonen in Gott haben keine Exiſtenz <hirendition="#g">außer einander</hi>; ſonſt<lb/>
würden uns im Himmel der chriſtlichen Dogmatik mit aller<lb/>
Herzlichkeit und Offenheit zwar nicht wie im Olymp viele, aber<lb/>
doch wenigſtens drei göttliche Perſonen in individueller Geſtalt,<lb/><hirendition="#g">drei Götter</hi> entgegenkommen. Die Götter des Olymps<lb/>
waren <hirendition="#g">wirkliche</hi> Perſonen, denn ſie exiſtirten außer einander,<lb/>ſie hatten das Wahrzeichen der Realität der Perſönlichkeit in<lb/>
ihrer Individualität, ſtimmten aber im Weſen, in der Gottheit<lb/>
überein; ſie hatten verſchiedne perſönliche Attribute, aber<lb/>
waren jeder einzeln <hirendition="#g">ein</hi> Gott; in der Gottheit gleich, als exi-<lb/>ſtirende Subjecte verſchieden: ſie waren <hirendition="#g">wahrhafte</hi> göttliche<lb/>
Perſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen dagegen ſind nur<lb/><hirendition="#g">vorgeſtellte, eingebildete, vorgeheuchelte</hi> Perſonen<lb/>— allerdings <hirendition="#g">andere</hi> Perſonen als die wirklichen Perſonen,<lb/>
eben weil ſie nur eingebildete, nur Schemen von Perſönlich-<lb/>
keiten ſind, zugleich aber dennoch wirkliche Perſonen ſein <hirendition="#g">wol-<lb/>
len</hi> und <hirendition="#g">ſollen</hi>. Das weſentliche Merkmal perſönlicher Rea-<lb/>
lität, das <hirendition="#g">polytheiſtiſche</hi> Element iſt ausgeſchloſſen, negirt<lb/>
als ungöttlich. Aber eben durch dieſe Negation wird ihre<lb/>
Perſönlichkeit nur zu einem Scheine der Einbildung. Nur in<lb/>
der <hirendition="#g">Wahrheit</hi> des <hirendition="#g">Plurals</hi> liegt die <hirendition="#g">Wahrheit</hi> der <hirendition="#g">Per-<lb/>ſonen</hi>. Die drei chriſtlichen Perſonen ſind aber nicht <hirendition="#aq">tres<lb/>
Dii,</hi> drei Götter —ſie <hirendition="#g">ſollen</hi> es wenigſtens nicht ſein —<lb/>ſondern <hirendition="#aq">unus Deus</hi>. Die drei Perſonen endigen nicht, wie zu<lb/>
erwarten, in einem Plural, ſondern Singular; ſie ſind nicht<lb/>
nur <hirendition="#aq">Unum,</hi> Eins —ſolches ſind auch die Götter des Poly-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[317/0335]
tiſch, weſentliches Merkmal einer Perſon, einer Subſtanz.
Anders bei Gott, und nothwendig anders, denn es iſt daſ-
ſelbe in ihm, was im Menſchen, aber als ein Andres,
mit dem Poſtulat: es ſoll ein Andres ſein. Die drei Per-
ſonen in Gott haben keine Exiſtenz außer einander; ſonſt
würden uns im Himmel der chriſtlichen Dogmatik mit aller
Herzlichkeit und Offenheit zwar nicht wie im Olymp viele, aber
doch wenigſtens drei göttliche Perſonen in individueller Geſtalt,
drei Götter entgegenkommen. Die Götter des Olymps
waren wirkliche Perſonen, denn ſie exiſtirten außer einander,
ſie hatten das Wahrzeichen der Realität der Perſönlichkeit in
ihrer Individualität, ſtimmten aber im Weſen, in der Gottheit
überein; ſie hatten verſchiedne perſönliche Attribute, aber
waren jeder einzeln ein Gott; in der Gottheit gleich, als exi-
ſtirende Subjecte verſchieden: ſie waren wahrhafte göttliche
Perſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen dagegen ſind nur
vorgeſtellte, eingebildete, vorgeheuchelte Perſonen
— allerdings andere Perſonen als die wirklichen Perſonen,
eben weil ſie nur eingebildete, nur Schemen von Perſönlich-
keiten ſind, zugleich aber dennoch wirkliche Perſonen ſein wol-
len und ſollen. Das weſentliche Merkmal perſönlicher Rea-
lität, das polytheiſtiſche Element iſt ausgeſchloſſen, negirt
als ungöttlich. Aber eben durch dieſe Negation wird ihre
Perſönlichkeit nur zu einem Scheine der Einbildung. Nur in
der Wahrheit des Plurals liegt die Wahrheit der Per-
ſonen. Die drei chriſtlichen Perſonen ſind aber nicht tres
Dii, drei Götter — ſie ſollen es wenigſtens nicht ſein —
ſondern unus Deus. Die drei Perſonen endigen nicht, wie zu
erwarten, in einem Plural, ſondern Singular; ſie ſind nicht
nur Unum, Eins — ſolches ſind auch die Götter des Poly-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/335>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.