die göttlichen Prädicate, die Liebe, die Weisheit, die Gerech- tigkeit Nichts sind, aber nicht der, welchem das Subject die- ser Prädicate Nichts ist.
Wenn es nun aber ausgemacht ist, daß, was das Subject ist, lediglich in den Bestimmungen des Subjects liegt, d. h. daß das Prädicat es ist, wodurch das Subject uns allein in sei- nem Wesen Gegenstand ist; so ist auch erwiesen, daß, wenn die göttlichen Prädicate Bestimmungen des menschlichen We- sens sind, auch das Subject derselben menschlichen We- sens ist. Die göttlichen Prädicate sind aber einerseits allge- meine, andererseits persönliche. Die allgemeinen sind die me- taphysischen, aber diese dienen nur der Religion zum äußer- sten Anknüpfungspunkte; sie sind nicht die charakteristischen Bestimmungen der Religion. Die persönlichen Prädicate allein sind es, welche das Wesen der Religion constituiren, in welchen das göttliche Wesen der Religion Gegenstand ist. Solche Prädicate sind, z. B. daß Gott Person, daß er der moralische Gesetzgeber, der Vater der Menschen, der Heilige, der Gerechte, der Gütige, der Barmherzige ist. Es erhellt nun aber sogleich von diesen und andern Bestimmungen, oder wird wenigstens im Verlaufe erhellen, daß sie, namentlich als persönliche Bestimmungen, rein menschliche Bestimmungen sind und daß sich folglich der Mensch in der Religion im Ver- halten zu Gott zu seinem eignen Wesen verhält, denn der Religion sind diese Prädicate nicht Vorstellungen, nicht Bilder, die sich der Mensch von Gott macht, unterschieden von dem, was Gott an sich selbst ist, sondern Wahrheiten, Sachen, Realitäten. Die Religion weiß nichts von Anthro- pomorphismen: die Anthropomorphismen sind ihr keine An- thropomorphismen. Das Wesen der Religion ist gerade, daß
die göttlichen Prädicate, die Liebe, die Weisheit, die Gerech- tigkeit Nichts ſind, aber nicht der, welchem das Subject die- ſer Prädicate Nichts iſt.
Wenn es nun aber ausgemacht iſt, daß, was das Subject iſt, lediglich in den Beſtimmungen des Subjects liegt, d. h. daß das Prädicat es iſt, wodurch das Subject uns allein in ſei- nem Weſen Gegenſtand iſt; ſo iſt auch erwieſen, daß, wenn die göttlichen Prädicate Beſtimmungen des menſchlichen We- ſens ſind, auch das Subject derſelben menſchlichen We- ſens iſt. Die göttlichen Prädicate ſind aber einerſeits allge- meine, andererſeits perſönliche. Die allgemeinen ſind die me- taphyſiſchen, aber dieſe dienen nur der Religion zum äußer- ſten Anknüpfungspunkte; ſie ſind nicht die charakteriſtiſchen Beſtimmungen der Religion. Die perſönlichen Prädicate allein ſind es, welche das Weſen der Religion conſtituiren, in welchen das göttliche Weſen der Religion Gegenſtand iſt. Solche Prädicate ſind, z. B. daß Gott Perſon, daß er der moraliſche Geſetzgeber, der Vater der Menſchen, der Heilige, der Gerechte, der Gütige, der Barmherzige iſt. Es erhellt nun aber ſogleich von dieſen und andern Beſtimmungen, oder wird wenigſtens im Verlaufe erhellen, daß ſie, namentlich als perſönliche Beſtimmungen, rein menſchliche Beſtimmungen ſind und daß ſich folglich der Menſch in der Religion im Ver- halten zu Gott zu ſeinem eignen Weſen verhält, denn der Religion ſind dieſe Prädicate nicht Vorſtellungen, nicht Bilder, die ſich der Menſch von Gott macht, unterſchieden von dem, was Gott an ſich ſelbſt iſt, ſondern Wahrheiten, Sachen, Realitäten. Die Religion weiß nichts von Anthro- pomorphismen: die Anthropomorphismen ſind ihr keine An- thropomorphismen. Das Weſen der Religion iſt gerade, daß
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die göttlichen Prädicate, die Liebe, die Weisheit, die Gerech-
tigkeit Nichts ſind, aber nicht der, welchem das Subject die-
ſer Prädicate Nichts iſt.
Wenn es nun aber ausgemacht iſt, daß, was das Subject iſt,
lediglich in den Beſtimmungen des Subjects liegt, d. h. daß
das Prädicat es iſt, wodurch das Subject uns allein in ſei-
nem Weſen Gegenſtand iſt; ſo iſt auch erwieſen, daß, wenn
die göttlichen Prädicate Beſtimmungen des menſchlichen We-
ſens ſind, auch das Subject derſelben menſchlichen We-
ſens iſt. Die göttlichen Prädicate ſind aber einerſeits allge-
meine, andererſeits perſönliche. Die allgemeinen ſind die me-
taphyſiſchen, aber dieſe dienen nur der Religion zum äußer-
ſten Anknüpfungspunkte; ſie ſind nicht die charakteriſtiſchen
Beſtimmungen der Religion. Die perſönlichen Prädicate
allein ſind es, welche das Weſen der Religion conſtituiren,
in welchen das göttliche Weſen der Religion Gegenſtand iſt.
Solche Prädicate ſind, z. B. daß Gott Perſon, daß er der
moraliſche Geſetzgeber, der Vater der Menſchen, der Heilige,
der Gerechte, der Gütige, der Barmherzige iſt. Es erhellt
nun aber ſogleich von dieſen und andern Beſtimmungen, oder
wird wenigſtens im Verlaufe erhellen, daß ſie, namentlich als
perſönliche Beſtimmungen, rein menſchliche Beſtimmungen
ſind und daß ſich folglich der Menſch in der Religion im Ver-
halten zu Gott zu ſeinem eignen Weſen verhält, denn der
Religion ſind dieſe Prädicate nicht Vorſtellungen, nicht
Bilder, die ſich der Menſch von Gott macht, unterſchieden
von dem, was Gott an ſich ſelbſt iſt, ſondern Wahrheiten,
Sachen, Realitäten. Die Religion weiß nichts von Anthro-
pomorphismen: die Anthropomorphismen ſind ihr keine An-
thropomorphismen. Das Weſen der Religion iſt gerade, daß
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/46>, abgerufen am 26.11.2024.
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