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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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Die wirkliche Incarnation ist nun das geistliche Argument
ad hominem von dieser innerlichen wesentlichen Menschheit
Gottes.

Das Dogma aber oder die Religion stellt uns zweierlei
dar: Gott und die Liebe. Gott ist die Liebe; was heißt
aber das? Ist Gott noch Etwas außer der Liebe? ein von
der Liebe unterschiedenes Wesen? Ist es so viel, als wie ich
auch von einer menschlichen Person im Affect ausrufe: sie ist
die Liebe selbst? Allerdings; sonst müßte ich den Namen: Gott,
der ein besondres persönliches Wesen, ein Subject im Unter-
schiede von Prädicat ausdrückt, fahren lassen. Also wird die
Liebe zu etwas Besondren gemacht. Gott hat aus Liebe
seinen eingebornen Sohn gesandt. Die Liebe wird so zurück
und herabgesetzt, verfinstert durch den dunkeln Hintergrund:
Gott. Sie wird nur zu einer persönlichen, wenn auch wesen-
bestimmenden Eigenschaft; sie behält daher im Geiste und Ge-
müthe, objectiv und subjectiv, den Rang nur eines Prädicats,
nicht des Subjects, nicht der Substanz; sie verschiebt sich mir
als eine Nebensache, ein Accidenz aus den Augen; bald tritt
sie als etwas Wesentliches vor mich hin; bald verschwindet sie
mir wieder. Gott erscheint mir auch noch in andrer Gestalt,
als in der der Liebe, auch in der Gestalt der Allmacht, einer
finstern, nicht durch die Liebe gebundnen Macht, einer Macht,
an der auch, wenn gleich in geringerem Maaße, die Dämone,
die Teufel participiren.

So lange die Liebe nicht zur Substanz, zum Wesen selbst
erhoben wird, so lange lauert im Hintergrunde der Liebe ein
Subject, das auch ohne Liebe noch Etwas für sich ist, ein
liebloses Ungeheuer, ein dämonisches Wesen, dessen von der
Liebe unterscheidbare
und wirklich unterschiedene Per-

Die wirkliche Incarnation iſt nun das geiſtliche Argument
ad hominem von dieſer innerlichen weſentlichen Menſchheit
Gottes.

Das Dogma aber oder die Religion ſtellt uns zweierlei
dar: Gott und die Liebe. Gott iſt die Liebe; was heißt
aber das? Iſt Gott noch Etwas außer der Liebe? ein von
der Liebe unterſchiedenes Weſen? Iſt es ſo viel, als wie ich
auch von einer menſchlichen Perſon im Affect ausrufe: ſie iſt
die Liebe ſelbſt? Allerdings; ſonſt müßte ich den Namen: Gott,
der ein beſondres perſönliches Weſen, ein Subject im Unter-
ſchiede von Prädicat ausdrückt, fahren laſſen. Alſo wird die
Liebe zu etwas Beſondren gemacht. Gott hat aus Liebe
ſeinen eingebornen Sohn geſandt. Die Liebe wird ſo zurück
und herabgeſetzt, verfinſtert durch den dunkeln Hintergrund:
Gott. Sie wird nur zu einer perſönlichen, wenn auch weſen-
beſtimmenden Eigenſchaft; ſie behält daher im Geiſte und Ge-
müthe, objectiv und ſubjectiv, den Rang nur eines Prädicats,
nicht des Subjects, nicht der Subſtanz; ſie verſchiebt ſich mir
als eine Nebenſache, ein Accidenz aus den Augen; bald tritt
ſie als etwas Weſentliches vor mich hin; bald verſchwindet ſie
mir wieder. Gott erſcheint mir auch noch in andrer Geſtalt,
als in der der Liebe, auch in der Geſtalt der Allmacht, einer
finſtern, nicht durch die Liebe gebundnen Macht, einer Macht,
an der auch, wenn gleich in geringerem Maaße, die Dämone,
die Teufel participiren.

So lange die Liebe nicht zur Subſtanz, zum Weſen ſelbſt
erhoben wird, ſo lange lauert im Hintergrunde der Liebe ein
Subject, das auch ohne Liebe noch Etwas für ſich iſt, ein
liebloſes Ungeheuer, ein dämoniſches Weſen, deſſen von der
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und wirklich unterſchiedene Per-

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[52/0070] Die wirkliche Incarnation iſt nun das geiſtliche Argument ad hominem von dieſer innerlichen weſentlichen Menſchheit Gottes. Das Dogma aber oder die Religion ſtellt uns zweierlei dar: Gott und die Liebe. Gott iſt die Liebe; was heißt aber das? Iſt Gott noch Etwas außer der Liebe? ein von der Liebe unterſchiedenes Weſen? Iſt es ſo viel, als wie ich auch von einer menſchlichen Perſon im Affect ausrufe: ſie iſt die Liebe ſelbſt? Allerdings; ſonſt müßte ich den Namen: Gott, der ein beſondres perſönliches Weſen, ein Subject im Unter- ſchiede von Prädicat ausdrückt, fahren laſſen. Alſo wird die Liebe zu etwas Beſondren gemacht. Gott hat aus Liebe ſeinen eingebornen Sohn geſandt. Die Liebe wird ſo zurück und herabgeſetzt, verfinſtert durch den dunkeln Hintergrund: Gott. Sie wird nur zu einer perſönlichen, wenn auch weſen- beſtimmenden Eigenſchaft; ſie behält daher im Geiſte und Ge- müthe, objectiv und ſubjectiv, den Rang nur eines Prädicats, nicht des Subjects, nicht der Subſtanz; ſie verſchiebt ſich mir als eine Nebenſache, ein Accidenz aus den Augen; bald tritt ſie als etwas Weſentliches vor mich hin; bald verſchwindet ſie mir wieder. Gott erſcheint mir auch noch in andrer Geſtalt, als in der der Liebe, auch in der Geſtalt der Allmacht, einer finſtern, nicht durch die Liebe gebundnen Macht, einer Macht, an der auch, wenn gleich in geringerem Maaße, die Dämone, die Teufel participiren. So lange die Liebe nicht zur Subſtanz, zum Weſen ſelbſt erhoben wird, ſo lange lauert im Hintergrunde der Liebe ein Subject, das auch ohne Liebe noch Etwas für ſich iſt, ein liebloſes Ungeheuer, ein dämoniſches Weſen, deſſen von der Liebe unterſcheidbare und wirklich unterſchiedene Per-

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/70>, abgerufen am 28.11.2024.