und Gefühle, als Bewegungsgründe zur Un- terlassung der rechtswidrigen Handlung.
§. 131.
Eine Begierde welche die Thätigkeit der höhern Gemüthskräfte selbst zu unterdrücken fähig war, muss stärker seyn, als eine solche, die nur entgegenstehende Bewegungsgründe aus dem Wege räumte. Daher haben Ver- brechen, die ohne Ueberlegung (durch das thierische Begehrungsvermögen) hervorge- bracht wurden, wie Verbrechen aus Affect und aus Gewohnheit, einen höhern Grad der Strafbarkeit *), als Verbrechen, die mit Will- kühr (nach vorgängiger Reflexion) begangen worden sind. Denn nur dann wird der Mensch ohne vorgängige Wahl zu einer That getrieben, wenn die überwiegende Heftigkeit der Begier- de die höhern Gemüthskräfte in ihrer Thätig- keit unterdrückt hat.
§. 132.
Handlungen aus thierischem Begehren so- wohl, als Handlungen aus Ueberlegung haben in Rücksicht auf Strafbarkeit wieder ihre ver- schiedenen Abstufungen. Diese werden be- stimmt durch die besondern Abstufungen der Stärke einzelner Hindernisse (Bewegungsgrün- de) welche der Bestimmung des Begehrens zur That oder der Ausführung derselben entge- genstanden. Diese Hindernisse sind entweder
Natur-
*) Es versteht sich, dass durch die Heftigkeit der Be- gierde nicht zugleich das Bewustseyn der Strafbar- keit der Handlung unmöglich geworden ist.
Gründe d. relat. Strafb. b. unbeſt. Strafg.
und Gefühle, als Bewegungsgründe zur Un- terlaſſung der rechtswidrigen Handlung.
§. 131.
Eine Begierde welche die Thätigkeit der höhern Gemüthskräfte ſelbſt zu unterdrücken fähig war, muſs ſtärker ſeyn, als eine ſolche, die nur entgegenſtehende Bewegungsgründe aus dem Wege räumte. Daher haben Ver- brechen, die ohne Ueberlegung (durch das thieriſche Begehrungsvermögen) hervorge- bracht wurden, wie Verbrechen aus Affect und aus Gewohnheit, einen höhern Grad der Strafbarkeit *), als Verbrechen, die mit Will- kühr (nach vorgängiger Reflexion) begangen worden ſind. Denn nur dann wird der Menſch ohne vorgängige Wahl zu einer That getrieben, wenn die überwiegende Heftigkeit der Begier- de die höhern Gemüthskräfte in ihrer Thätig- keit unterdrückt hat.
§. 132.
Handlungen aus thieriſchem Begehren ſo- wohl, als Handlungen aus Ueberlegung haben in Rückſicht auf Strafbarkeit wieder ihre ver- ſchiedenen Abſtufungen. Dieſe werden be- ſtimmt durch die beſondern Abſtufungen der Stärke einzelner Hinderniſſe (Bewegungsgrün- de) welche der Beſtimmung des Begehrens zur That oder der Ausführung derſelben entge- genſtanden. Dieſe Hinderniſſe ſind entweder
Natur-
*) Es verſteht ſich, daſs durch die Heftigkeit der Be- gierde nicht zugleich das Bewuſtſeyn der Strafbar- keit der Handlung unmöglich geworden iſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><divn="10"><divn="11"><divn="12"><p><pbfacs="#f0133"n="105"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#i">Gründe d. relat. Strafb. b. unbeſt. Strafg.</hi></fw><lb/>
und Gefühle, als <hirendition="#i">Bewegungsgründe</hi> zur Un-<lb/>
terlaſſung der rechtswidrigen Handlung.</p></div><lb/><divn="12"><head>§. 131.</head><lb/><p>Eine Begierde welche die Thätigkeit der<lb/>
höhern <hirendition="#i">Gemüthskräfte</hi>ſelbſt zu unterdrücken<lb/>
fähig war, muſs ſtärker ſeyn, als eine ſolche,<lb/>
die nur entgegenſtehende <hirendition="#i">Bewegungsgründe</hi><lb/>
aus dem Wege räumte. Daher haben Ver-<lb/>
brechen, die <hirendition="#i">ohne Ueberlegung</hi> (durch das<lb/>
thieriſche Begehrungsvermögen) hervorge-<lb/>
bracht wurden, wie Verbrechen aus <hirendition="#i">Affect</hi><lb/>
und aus <hirendition="#i">Gewohnheit</hi>, einen höhern Grad der<lb/>
Strafbarkeit <noteplace="foot"n="*)">Es verſteht ſich, daſs durch die Heftigkeit der Be-<lb/>
gierde nicht zugleich das Bewuſtſeyn der Strafbar-<lb/>
keit der Handlung unmöglich geworden iſt.</note>, als Verbrechen, die mit Will-<lb/>
kühr (nach vorgängiger Reflexion) begangen<lb/>
worden ſind. Denn nur dann wird der Menſch<lb/>
ohne vorgängige Wahl zu einer That getrieben,<lb/>
wenn die überwiegende <hirendition="#i">Heftigkeit</hi> der <hirendition="#i">Begier-<lb/>
de</hi> die höhern Gemüthskräfte in ihrer Thätig-<lb/>
keit unterdrückt hat.</p></div><lb/><divn="12"><head>§. 132.</head><lb/><p>Handlungen aus thieriſchem Begehren ſo-<lb/>
wohl, als Handlungen aus Ueberlegung haben<lb/>
in Rückſicht auf Strafbarkeit wieder ihre ver-<lb/>ſchiedenen Abſtufungen. Dieſe werden be-<lb/>ſtimmt durch die <hirendition="#i">beſondern</hi> Abſtufungen der<lb/>
Stärke einzelner Hinderniſſe (Bewegungsgrün-<lb/>
de) welche der Beſtimmung des Begehrens zur<lb/>
That oder der Ausführung derſelben entge-<lb/>
genſtanden. Dieſe Hinderniſſe ſind entweder<lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#i">Natur-</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[105/0133]
Gründe d. relat. Strafb. b. unbeſt. Strafg.
und Gefühle, als Bewegungsgründe zur Un-
terlaſſung der rechtswidrigen Handlung.
§. 131.
Eine Begierde welche die Thätigkeit der
höhern Gemüthskräfte ſelbſt zu unterdrücken
fähig war, muſs ſtärker ſeyn, als eine ſolche,
die nur entgegenſtehende Bewegungsgründe
aus dem Wege räumte. Daher haben Ver-
brechen, die ohne Ueberlegung (durch das
thieriſche Begehrungsvermögen) hervorge-
bracht wurden, wie Verbrechen aus Affect
und aus Gewohnheit, einen höhern Grad der
Strafbarkeit *), als Verbrechen, die mit Will-
kühr (nach vorgängiger Reflexion) begangen
worden ſind. Denn nur dann wird der Menſch
ohne vorgängige Wahl zu einer That getrieben,
wenn die überwiegende Heftigkeit der Begier-
de die höhern Gemüthskräfte in ihrer Thätig-
keit unterdrückt hat.
§. 132.
Handlungen aus thieriſchem Begehren ſo-
wohl, als Handlungen aus Ueberlegung haben
in Rückſicht auf Strafbarkeit wieder ihre ver-
ſchiedenen Abſtufungen. Dieſe werden be-
ſtimmt durch die beſondern Abſtufungen der
Stärke einzelner Hinderniſſe (Bewegungsgrün-
de) welche der Beſtimmung des Begehrens zur
That oder der Ausführung derſelben entge-
genſtanden. Dieſe Hinderniſſe ſind entweder
Natur-
*) Es verſteht ſich, daſs durch die Heftigkeit der Be-
gierde nicht zugleich das Bewuſtſeyn der Strafbar-
keit der Handlung unmöglich geworden iſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/133>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.