In Rücksicht der Art der Anerkennung des Werths ist die Ehre entweder positive oder negative Ehre. Jene besteht in der Aner- kennung eines fremden Werths durch wirk- liche Handlungen oder Aeusserungen des Ur- theils, welche den Werth der Person erklären; diese besteht in der Anerkennung eines fremden Werths durch Unterlassung von Handlungen und Urtheilen, welche den Unwerth der Per- son erklären.
§. 310.
Der Bürger kann als Mensch und als Bür- ger, und in jenem Fall, als Mensch überhaupt (als blosses menschliches Gattungswesen) oder als Individuum betrachtet werden. Daraus ge- hen verschiedene Arten der Ehre in Ansehung ih- res Objects hervor. Die Anerkennung desjenigen Werths, der für den Andern durch seine Eigen- schaften als Mensch begründet wird, nennt man die ursprüngliche Ehre. Diese ursprüng- liche Ehre kann bestehen I) in der äussern An- erkennung des Werths, der dem Andern blos wegen seiner Menschennatur überhaupt zu- kommt. -- Allgemeine Ehre. Aber ein Mensch kann, ausser dem allgemeinen Menschencharakter, auch noch besondere, nicht allen Menschen gemeinschaftliche, Ei- genschaften haben, welche demselben einen besondern Werth geben. Daher II) die be- sondere Ehre, welche in der äussern Aner-
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Verletzung des Rechts auf Ehre.
§. 309.
In Rückſicht der Art der Anerkennung des Werths iſt die Ehre entweder poſitive oder negative Ehre. Jene beſteht in der Aner- kennung eines fremden Werths durch wirk- liche Handlungen oder Aeuſſerungen des Ur- theils, welche den Werth der Perſon erklären; dieſe beſteht in der Anerkennung eines fremden Werths durch Unterlaſſung von Handlungen und Urtheilen, welche den Unwerth der Per- ſon erklären.
§. 310.
Der Bürger kann als Menſch und als Bür- ger, und in jenem Fall, als Menſch überhaupt (als bloſses menſchliches Gattungsweſen) oder als Individuum betrachtet werden. Daraus ge- hen verſchiedene Arten der Ehre in Anſehung ih- res Objects hervor. Die Anerkennung desjenigen Werths, der für den Andern durch ſeine Eigen- ſchaften als Menſch begründet wird, nennt man die urſprüngliche Ehre. Dieſe urſprüng- liche Ehre kann beſtehen I) in der äuſſern An- erkennung des Werths, der dem Andern blos wegen ſeiner Menſchennatur überhaupt zu- kommt. — Allgemeine Ehre. Aber ein Menſch kann, auſſer dem allgemeinen Menſchencharakter, auch noch beſondere, nicht allen Menſchen gemeinſchaftliche, Ei- genſchaften haben, welche demſelben einen beſondern Werth geben. Daher II) die be- ſondere Ehre, welche in der äuſſern Aner-
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Verletzung des Rechts auf Ehre.
§. 309.
In Rückſicht der Art der Anerkennung des
Werths iſt die Ehre entweder poſitive oder
negative Ehre. Jene beſteht in der Aner-
kennung eines fremden Werths durch wirk-
liche Handlungen oder Aeuſſerungen des Ur-
theils, welche den Werth der Perſon erklären;
dieſe beſteht in der Anerkennung eines fremden
Werths durch Unterlaſſung von Handlungen
und Urtheilen, welche den Unwerth der Per-
ſon erklären.
§. 310.
Der Bürger kann als Menſch und als Bür-
ger, und in jenem Fall, als Menſch überhaupt
(als bloſses menſchliches Gattungsweſen) oder
als Individuum betrachtet werden. Daraus ge-
hen verſchiedene Arten der Ehre in Anſehung ih-
res Objects hervor. Die Anerkennung desjenigen
Werths, der für den Andern durch ſeine Eigen-
ſchaften als Menſch begründet wird, nennt man
die urſprüngliche Ehre. Dieſe urſprüng-
liche Ehre kann beſtehen I) in der äuſſern An-
erkennung des Werths, der dem Andern blos
wegen ſeiner Menſchennatur überhaupt zu-
kommt. — Allgemeine Ehre. Aber ein
Menſch kann, auſſer dem allgemeinen
Menſchencharakter, auch noch beſondere,
nicht allen Menſchen gemeinſchaftliche, Ei-
genſchaften haben, welche demſelben einen
beſondern Werth geben. Daher II) die be-
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/269>, abgerufen am 21.11.2024.
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