Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Abschnitt.
Gegenstand dieses Verbrechens. Das Leben
des Kindes wird zwar durch Aussetzung im-
mer gefährdet und das Verbrechen bleibt in
seinem Begriff, wenn auch das Kind durch
Aussetzung in eine dringende Lebensgefahr
gerathen sollte. Wenn aber entweder die Art
der Weglegung selbst eine an sich tödliche
Handlung ist, oder wenn das Kind nach der
Natur des Orts (falls nicht zufällige ausseror-
dentliche Umstände dieses hindern) das Leben
verlieren musste, so steht die Handlung unter
dem Begriff von Tödung. *)

§. 429.

War die Aussetzung Ursache von dem
Tode des Kindes, so geht sie in das Verbre-
chen der Tödung über, und muss, wenn die
Absicht auf Tödung gerichtet war, wie Mord,
wenn eine andere Absicht zum Grunde lag,
wie eine aus culpa dolo determinata begangene
Tödung bestraft werden. Blieb das Kind beym
Leben und geschah die Aussetzung nicht um
das Kind zu tödten, so ist die Strafe blos will-
kührlich; bey entgegengesetzter Absicht sind
die Grundsätze von unternommener Tödung
anzuwenden. **)

1. Von den Gründen der Vermuthung für oder gegen den
animus occidenti
.
2. Von der Verbindlichkeit der Ernährung eines Find-
lings
.

§. 430.
*) Die Facultät zu Halle nannte es Kinderaussetzung,
als eine Mutter ihr neugebohrnes Kind in einen vier-
zehn
Schuh tiefen Abtritt geworfen hatte. Man
lese dieses in Kleins Rechtssprüchen der Hallischen
Iuristenfacultät
. Bd. IV.
**) P. G. O. Art. 132. nebst Boehmer ad h. a.

II. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt.
Gegenſtand dieſes Verbrechens. Das Leben
des Kindes wird zwar durch Ausſetzung im-
mer gefährdet und das Verbrechen bleibt in
ſeinem Begriff, wenn auch das Kind durch
Auſſetzung in eine dringende Lebensgefahr
gerathen ſollte. Wenn aber entweder die Art
der Weglegung ſelbſt eine an ſich tödliche
Handlung iſt, oder wenn das Kind nach der
Natur des Orts (falls nicht zufällige auſſeror-
dentliche Umſtände dieſes hindern) das Leben
verlieren muſste, ſo ſteht die Handlung unter
dem Begriff von Tödung. *)

§. 429.

War die Auſſetzung Urſache von dem
Tode des Kindes, ſo geht ſie in das Verbre-
chen der Tödung über, und muſs, wenn die
Abſicht auf Tödung gerichtet war, wie Mord,
wenn eine andere Abſicht zum Grunde lag,
wie eine aus culpa dolo determinata begangene
Tödung beſtraft werden. Blieb das Kind beym
Leben und geſchah die Auſſetzung nicht um
das Kind zu tödten, ſo iſt die Strafe blos will-
kührlich; bey entgegengeſetzter Abſicht ſind
die Grundſätze von unternommener Tödung
anzuwenden. **)

1. Von den Gründen der Vermuthung für oder gegen den
animus occidenti
.
2. Von der Verbindlichkeit der Ernährung eines Find-
lings
.

§. 430.
*) Die Facultät zu Halle nannte es Kinderauſſetzung,
als eine Mutter ihr neugebohrnes Kind in einen vier-
zehn
Schuh tiefen Abtritt geworfen hatte. Man
leſe dieſes in Kleins Rechtsſprüchen der Halliſchen
Iuriſtenfacultät
. Bd. IV.
**) P. G. O. Art. 132. nebſt Boehmer ad h. a.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0374" n="346"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">II. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
Gegen&#x017F;tand die&#x017F;es Verbrechens. Das Leben<lb/>
des Kindes wird zwar durch Aus&#x017F;etzung im-<lb/>
mer gefährdet und das Verbrechen bleibt in<lb/>
&#x017F;einem Begriff, wenn auch das Kind durch<lb/>
Au&#x017F;&#x017F;etzung in eine dringende Lebensgefahr<lb/>
gerathen &#x017F;ollte. Wenn aber entweder die Art<lb/>
der Weglegung &#x017F;elb&#x017F;t eine an &#x017F;ich tödliche<lb/>
Handlung i&#x017F;t, oder wenn das Kind nach der<lb/>
Natur des Orts (falls nicht zufällige au&#x017F;&#x017F;eror-<lb/>
dentliche Um&#x017F;tände die&#x017F;es hindern) das Leben<lb/>
verlieren mu&#x017F;ste, &#x017F;o &#x017F;teht die Handlung unter<lb/>
dem Begriff von <hi rendition="#i">Tödung</hi>. <note place="foot" n="*)">Die Facultät zu Halle nannte es <hi rendition="#i">Kinderau&#x017F;&#x017F;etzung</hi>,<lb/>
als eine Mutter ihr <hi rendition="#i">neugebohrnes</hi> Kind in einen <hi rendition="#i">vier-<lb/>
zehn</hi> Schuh tiefen <hi rendition="#g">Abtritt</hi> geworfen hatte. Man<lb/>
le&#x017F;e die&#x017F;es in <hi rendition="#g">Kleins</hi> <hi rendition="#i">Rechts&#x017F;prüchen der Halli&#x017F;chen<lb/>
Iuri&#x017F;tenfacultät</hi>. Bd. IV.</note></p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 429.</head><lb/>
                  <p>War die Au&#x017F;&#x017F;etzung Ur&#x017F;ache von dem<lb/>
Tode des Kindes, &#x017F;o geht &#x017F;ie in das Verbre-<lb/>
chen der Tödung über, und mu&#x017F;s, wenn die<lb/>
Ab&#x017F;icht auf Tödung gerichtet war, wie <hi rendition="#i">Mord</hi>,<lb/>
wenn eine andere Ab&#x017F;icht zum Grunde lag,<lb/>
wie eine aus <hi rendition="#i">culpa dolo determinata</hi> begangene<lb/>
Tödung be&#x017F;traft werden. Blieb das Kind beym<lb/>
Leben und ge&#x017F;chah die Au&#x017F;&#x017F;etzung nicht um<lb/>
das Kind zu tödten, &#x017F;o i&#x017F;t die Strafe blos will-<lb/>
kührlich; bey entgegenge&#x017F;etzter Ab&#x017F;icht &#x017F;ind<lb/>
die Grund&#x017F;ätze von unternommener Tödung<lb/>
anzuwenden. <note place="foot" n="**)">P. G. O. Art. 132. neb&#x017F;t <hi rendition="#g">Boehmer</hi> ad h. a.</note></p><lb/>
                  <list>
                    <item>1. <hi rendition="#i">Von den Gründen der Vermuthung für oder gegen den<lb/><hi rendition="#g">animus occidenti</hi></hi>.</item><lb/>
                    <item>2. <hi rendition="#i">Von der Verbindlichkeit der Ernährung eines Find-<lb/>
lings</hi>.</item>
                  </list>
                </div>
              </div><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">§. 430.</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0374] II. Buch. II. Theil. I. Titel. I. Abſchnitt. Gegenſtand dieſes Verbrechens. Das Leben des Kindes wird zwar durch Ausſetzung im- mer gefährdet und das Verbrechen bleibt in ſeinem Begriff, wenn auch das Kind durch Auſſetzung in eine dringende Lebensgefahr gerathen ſollte. Wenn aber entweder die Art der Weglegung ſelbſt eine an ſich tödliche Handlung iſt, oder wenn das Kind nach der Natur des Orts (falls nicht zufällige auſſeror- dentliche Umſtände dieſes hindern) das Leben verlieren muſste, ſo ſteht die Handlung unter dem Begriff von Tödung. *) §. 429. War die Auſſetzung Urſache von dem Tode des Kindes, ſo geht ſie in das Verbre- chen der Tödung über, und muſs, wenn die Abſicht auf Tödung gerichtet war, wie Mord, wenn eine andere Abſicht zum Grunde lag, wie eine aus culpa dolo determinata begangene Tödung beſtraft werden. Blieb das Kind beym Leben und geſchah die Auſſetzung nicht um das Kind zu tödten, ſo iſt die Strafe blos will- kührlich; bey entgegengeſetzter Abſicht ſind die Grundſätze von unternommener Tödung anzuwenden. **) 1. Von den Gründen der Vermuthung für oder gegen den animus occidenti. 2. Von der Verbindlichkeit der Ernährung eines Find- lings. §. 430. *) Die Facultät zu Halle nannte es Kinderauſſetzung, als eine Mutter ihr neugebohrnes Kind in einen vier- zehn Schuh tiefen Abtritt geworfen hatte. Man leſe dieſes in Kleins Rechtsſprüchen der Halliſchen Iuriſtenfacultät. Bd. IV. **) P. G. O. Art. 132. nebſt Boehmer ad h. a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/374
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/374>, abgerufen am 18.12.2024.