Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Von der Sentenz.
§. 638.

Wenn das Endurtheil 1) die Nothwen-
digkeit der Anwendung eines Strafgesetzes
erklärt, so heisst es verdammendes Urtheil
(sent. condemn)
, wenn es aber 2) die Noth-
wendigkeit der Nichtanwendung desselben
erklärt, so ist es lossprechendes Urtheil (sent.
absol)
. Dieses kann a) den Angeschuldigten
schlechthin für unschuldig erklären (sentent.
absolut. str. s. d. seu a tota causa
), oder es
kann b) nur die Nothwendigkeit erklären,
für jetzt gegen den Angeschuldigten kein
Verdammungsurtheil zu fällen (sent. sec. quid
absol. s. absol. ab instantia
) *).

§. 639.

Die condemnatorische Sentenz setzt vollen
juridischen Beweis der Schuld; die schlechthin
absolutorische
Sentenz volle juridische Gewiss-
heit der Unschuld; die Absolution von der in-
stanz
, Ungewissheit der Schuld und der Un-
schuld voraus. Das letzte findet daher statt,
1) wenn Indicien da sind, aber kein Beweis
der Schuld vorhanden und auch 2) gegen-
wärtig nicht zu hoffen ist. Sie vertritt mit Recht
öfters die Stelle eines Mittels die Wahrheit
zu erforschen, besonders aber des Reinigungs-
eides
.


§. 640.
*) Kleinschrod über die Lossprechung von der Instanz
im peinlichen Processe
. In den Abhandlung Bd. I.
Nr. 7. Von der stillschweigenden Absolution von der
Instanz.
I i
Von der Sentenz.
§. 638.

Wenn das Endurtheil 1) die Nothwen-
digkeit der Anwendung eines Strafgeſetzes
erklärt, ſo heiſst es verdammendes Urtheil
(ſent. condemn)
, wenn es aber 2) die Noth-
wendigkeit der Nichtanwendung deſſelben
erklärt, ſo iſt es losſprechendes Urtheil (ſent.
abſol)
. Dieſes kann a) den Angeſchuldigten
ſchlechthin für unſchuldig erklären (ſentent.
abſolut. ſtr. ſ. d. ſeu a tota cauſa
), oder es
kann b) nur die Nothwendigkeit erklären,
für jetzt gegen den Angeſchuldigten kein
Verdammungsurtheil zu fällen (ſent. ſec. quid
abſol. ſ. abſol. ab inſtantia
) *).

§. 639.

Die condemnatoriſche Sentenz ſetzt vollen
juridiſchen Beweis der Schuld; die ſchlechthin
abſolutoriſche
Sentenz volle juridiſche Gewiſs-
heit der Unſchuld; die Abſolution von der in-
ſtanz
, Ungewiſsheit der Schuld und der Un-
ſchuld voraus. Das letzte findet daher ſtatt,
1) wenn Indicien da ſind, aber kein Beweis
der Schuld vorhanden und auch 2) gegen-
wärtig nicht zu hoffen iſt. Sie vertritt mit Recht
öfters die Stelle eines Mittels die Wahrheit
zu erforſchen, beſonders aber des Reinigungs-
eides
.


§. 640.
*) Kleinſchrod über die Losſprechung von der Inſtanz
im peinlichen Proceſse
. In den Abhandlung Bd. I.
Nr. 7. Von der ſtillſchweigenden Abſolution von der
Inſtanz.
I i
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0525" n="497"/>
                    <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">Von der Sentenz.</hi> </fw><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 638.</head><lb/>
                      <p>Wenn das <hi rendition="#i">Endurtheil</hi> 1) die Nothwen-<lb/>
digkeit der Anwendung eines Strafge&#x017F;etzes<lb/>
erklärt, &#x017F;o hei&#x017F;st es <hi rendition="#i">verdammendes Urtheil<lb/>
(&#x017F;ent. condemn)</hi>, wenn es aber 2) die Noth-<lb/>
wendigkeit der Nichtanwendung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
erklärt, &#x017F;o i&#x017F;t es <hi rendition="#i">los&#x017F;prechendes Urtheil (&#x017F;ent.<lb/>
ab&#x017F;ol)</hi>. Die&#x017F;es kann a) den Ange&#x017F;chuldigten<lb/>
&#x017F;chlechthin für un&#x017F;chuldig erklären (<hi rendition="#i">&#x017F;entent.<lb/>
ab&#x017F;olut. &#x017F;tr. &#x017F;. d. &#x017F;eu a tota cau&#x017F;a</hi>), oder es<lb/>
kann b) nur die Nothwendigkeit erklären,<lb/>
für jetzt gegen den Ange&#x017F;chuldigten kein<lb/>
Verdammungsurtheil zu fällen (<hi rendition="#i">&#x017F;ent. &#x017F;ec. quid<lb/>
ab&#x017F;ol. &#x017F;. ab&#x017F;ol. ab in&#x017F;tantia</hi>) <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Klein&#x017F;chrod</hi><hi rendition="#i">über die Los&#x017F;prechung von der In&#x017F;tanz<lb/>
im peinlichen Proce&#x017F;se</hi>. In den <hi rendition="#i">Abhandlung</hi> Bd. I.<lb/>
Nr. 7. Von der <hi rendition="#i">&#x017F;till&#x017F;chweigenden</hi> Ab&#x017F;olution von der<lb/>
In&#x017F;tanz.</note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 639.</head><lb/>
                      <p>Die <hi rendition="#i">condemnatori&#x017F;che</hi> Sentenz &#x017F;etzt vollen<lb/>
juridi&#x017F;chen Beweis der Schuld; die <hi rendition="#i">&#x017F;chlechthin<lb/>
ab&#x017F;olutori&#x017F;che</hi> Sentenz volle juridi&#x017F;che Gewi&#x017F;s-<lb/>
heit der Un&#x017F;chuld; die <hi rendition="#i">Ab&#x017F;olution von der in-<lb/>
&#x017F;tanz</hi>, Ungewi&#x017F;sheit der Schuld und der Un-<lb/>
&#x017F;chuld voraus. Das letzte findet daher &#x017F;tatt,<lb/>
1) wenn Indicien da &#x017F;ind, aber kein Beweis<lb/>
der Schuld vorhanden und auch 2) gegen-<lb/>
wärtig nicht zu hoffen i&#x017F;t. Sie vertritt mit Recht<lb/>
öfters die Stelle eines Mittels die Wahrheit<lb/>
zu erfor&#x017F;chen, be&#x017F;onders aber des <hi rendition="#i">Reinigungs-<lb/>
eides</hi>.</p>
                    </div><lb/>
                    <fw place="bottom" type="catch">§. 640.</fw><lb/>
                    <fw place="bottom" type="sig">I i</fw><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[497/0525] Von der Sentenz. §. 638. Wenn das Endurtheil 1) die Nothwen- digkeit der Anwendung eines Strafgeſetzes erklärt, ſo heiſst es verdammendes Urtheil (ſent. condemn), wenn es aber 2) die Noth- wendigkeit der Nichtanwendung deſſelben erklärt, ſo iſt es losſprechendes Urtheil (ſent. abſol). Dieſes kann a) den Angeſchuldigten ſchlechthin für unſchuldig erklären (ſentent. abſolut. ſtr. ſ. d. ſeu a tota cauſa), oder es kann b) nur die Nothwendigkeit erklären, für jetzt gegen den Angeſchuldigten kein Verdammungsurtheil zu fällen (ſent. ſec. quid abſol. ſ. abſol. ab inſtantia) *). §. 639. Die condemnatoriſche Sentenz ſetzt vollen juridiſchen Beweis der Schuld; die ſchlechthin abſolutoriſche Sentenz volle juridiſche Gewiſs- heit der Unſchuld; die Abſolution von der in- ſtanz, Ungewiſsheit der Schuld und der Un- ſchuld voraus. Das letzte findet daher ſtatt, 1) wenn Indicien da ſind, aber kein Beweis der Schuld vorhanden und auch 2) gegen- wärtig nicht zu hoffen iſt. Sie vertritt mit Recht öfters die Stelle eines Mittels die Wahrheit zu erforſchen, beſonders aber des Reinigungs- eides. §. 640. *) Kleinſchrod über die Losſprechung von der Inſtanz im peinlichen Proceſse. In den Abhandlung Bd. I. Nr. 7. Von der ſtillſchweigenden Abſolution von der Inſtanz. I i

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/525
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/525>, abgerufen am 22.11.2024.