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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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Von d. rechtlichen Dauer e. begang. Verb.
im äussern Forum durch die Bestrafung getilgt.
II. Die Begnadigung, sie ist eine durch die
höchste Gewalt im Staat begründete Straflosig-
keit wegen eines begangenen Verbrechens
als Ausnahme gegen gültige Strafgesetze. Ge-
schieht 1) diese Begnadigung vor vollendeter
richterlicher Untersuchung, so heisst sie Abo-
lition
*), geschieht sie 2) nach vollendeter
rich erlicher Untersuchung, so heisst sie Begna-
digung
im engern Sinn (aggratiatio in ssu. stro.).

1. Abolitio generalis ratione personarum s. publica -- ab.
specialis rat. pers. s. privata.
2. Abolitio generalis rar. objecti -- specialis rat. obj.
3. Abol. plena -- minus plena.
§. 71.

Giebt es überhaupt ein Begnadigungs-
recht; so darf es doch nur dann ausgeübt wer-
den, wenn die Anwendung des Strafgesetzes
auf den vorliegenden Fall einen unausbleiblichen
oder höchstwahrscheinlichen Nachtheil für den
Staat selbst, in Ansehung seines Hauptzwecks
haben würde.
Rücksichten auf den Verbrecher
selbst, auf den Regenten, oder auf Neben-
zwecke und zufällige Vortheile für den Staat,
dürfen keine Begnadigung begründen, wenn
nicht die Gerechtigkeit dem Nutzen aufge-
opfert und die Ausübung der Strafgesetze zum
Spiele gesetzloser Willkühr werden soll.


§. 72.
*) Brunquell Diss. de criminum abolitione. Jen. 1714. --
Engau Diss. de abolitione Jen. 1754. I. Th. Seger
Diss. de abolitione veteri et hodierna. Lipl. 1778. --
Püttmann in Adversariis C. 15.

Von d. rechtlichen Dauer e. begang. Verb.
im äuſſern Forum durch die Beſtrafung getilgt.
II. Die Begnadigung, ſie iſt eine durch die
höchſte Gewalt im Staat begründete Strafloſig-
keit wegen eines begangenen Verbrechens
als Ausnahme gegen gültige Strafgeſetze. Ge-
ſchieht 1) dieſe Begnadigung vor vollendeter
richterlicher Unterſuchung, ſo heiſst ſie Abo-
lition
*), geſchieht ſie 2) nach vollendeter
rich erlicher Unterſuchung, ſo heiſst ſie Begna-
digung
im engern Sinn (aggratiatio in ſſu. ſtro.).

1. Abolitio generalis ratione perſonarum ſ. publica — ab.
ſpecialis rat. perſ. ſ. privata.
2. Abolitio generalis rar. objecti — ſpecialis rat. obj.
3. Abol. plena — minus plena.
§. 71.

Giebt es überhaupt ein Begnadigungs-
recht; ſo darf es doch nur dann ausgeübt wer-
den, wenn die Anwendung des Strafgeſetzes
auf den vorliegenden Fall einen unausbleiblichen
oder höchſtwahrſcheinlichen Nachtheil für den
Staat ſelbſt, in Anſehung ſeines Hauptzwecks
haben würde.
Rückſichten auf den Verbrecher
ſelbſt, auf den Regenten, oder auf Neben-
zwecke und zufällige Vortheile für den Staat,
dürfen keine Begnadigung begründen, wenn
nicht die Gerechtigkeit dem Nutzen aufge-
opfert und die Ausübung der Strafgeſetze zum
Spiele geſetzloſer Willkühr werden ſoll.


§. 72.
*) Brunquell Diſſ. de criminum abolitione. Jen. 1714. —
Engau Diſſ. de abolitione Jen. 1754. I. Th. Seger
Diſſ. de abolitione veteri et hodierna. Lipl. 1778. —
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[55/0083] Von d. rechtlichen Dauer e. begang. Verb. im äuſſern Forum durch die Beſtrafung getilgt. II. Die Begnadigung, ſie iſt eine durch die höchſte Gewalt im Staat begründete Strafloſig- keit wegen eines begangenen Verbrechens als Ausnahme gegen gültige Strafgeſetze. Ge- ſchieht 1) dieſe Begnadigung vor vollendeter richterlicher Unterſuchung, ſo heiſst ſie Abo- lition *), geſchieht ſie 2) nach vollendeter rich erlicher Unterſuchung, ſo heiſst ſie Begna- digung im engern Sinn (aggratiatio in ſſu. ſtro.). 1. Abolitio generalis ratione perſonarum ſ. publica — ab. ſpecialis rat. perſ. ſ. privata. 2. Abolitio generalis rar. objecti — ſpecialis rat. obj. 3. Abol. plena — minus plena. §. 71. Giebt es überhaupt ein Begnadigungs- recht; ſo darf es doch nur dann ausgeübt wer- den, wenn die Anwendung des Strafgeſetzes auf den vorliegenden Fall einen unausbleiblichen oder höchſtwahrſcheinlichen Nachtheil für den Staat ſelbſt, in Anſehung ſeines Hauptzwecks haben würde. Rückſichten auf den Verbrecher ſelbſt, auf den Regenten, oder auf Neben- zwecke und zufällige Vortheile für den Staat, dürfen keine Begnadigung begründen, wenn nicht die Gerechtigkeit dem Nutzen aufge- opfert und die Ausübung der Strafgeſetze zum Spiele geſetzloſer Willkühr werden ſoll. §. 72. *) Brunquell Diſſ. de criminum abolitione. Jen. 1714. — Engau Diſſ. de abolitione Jen. 1754. I. Th. Seger Diſſ. de abolitione veteri et hodierna. Lipl. 1778. — Püttmann in Adverſariis C. 15.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/83>, abgerufen am 23.11.2024.