herabsinken mochte, so bleibt doch immer in ihm ein Grundbestandtheil, in dem Wahrheit ist, und der ein Leben, das nur wirkliches und selbstständiges Leben ist, sicher anregt; die Frage: was sollen wir thun, damit wir seelig werden. War diese Frage auf einen erstorbe¬ nen Boden gefallen, wo es entweder überhaupt an seinen Ort gestellt blieb, ob wohl so etwas, wie Seeligkeit im Ernste möglich sey, oder, wenn auch das erste angenommen worden wäre, dennoch gar kein fester und entschiedener Wille, selbst auch seelig zu werden, vorhanden war, so hatte auf diesen, Boden die Religion gleich anfangs nicht eingegriffen in Leben, und Willen, sondern sie war nur als ein schwan¬ kender und blasser Schatten im Gedächtnisse, und in der Einbildungskraft behangen geblie¬ ben; und so mußten natürlich auch alle fernere Aufklärungen über den Zustand der vorhande¬ nen Religionsbegriffe gleichfalls ohne Einfluß auf das Leben bleiben. War hingegen jene Frage in einen ursprünglich lebendigen Boden gefallen, so daß im Ernste geglaubt wurde, es gebe eine Seeligkeit, und der feste Wille da
herabſinken mochte, ſo bleibt doch immer in ihm ein Grundbeſtandtheil, in dem Wahrheit iſt, und der ein Leben, das nur wirkliches und ſelbſtſtaͤndiges Leben iſt, ſicher anregt; die Frage: was ſollen wir thun, damit wir ſeelig werden. War dieſe Frage auf einen erſtorbe¬ nen Boden gefallen, wo es entweder uͤberhaupt an ſeinen Ort geſtellt blieb, ob wohl ſo etwas, wie Seeligkeit im Ernſte moͤglich ſey, oder, wenn auch das erſte angenommen worden waͤre, dennoch gar kein feſter und entſchiedener Wille, ſelbſt auch ſeelig zu werden, vorhanden war, ſo hatte auf dieſen, Boden die Religion gleich anfangs nicht eingegriffen in Leben, und Willen, ſondern ſie war nur als ein ſchwan¬ kender und blaſſer Schatten im Gedaͤchtniſſe, und in der Einbildungskraft behangen geblie¬ ben; und ſo mußten natuͤrlich auch alle fernere Aufklaͤrungen uͤber den Zuſtand der vorhande¬ nen Religionsbegriffe gleichfalls ohne Einfluß auf das Leben bleiben. War hingegen jene Frage in einen urſpruͤnglich lebendigen Boden gefallen, ſo daß im Ernſte geglaubt wurde, es gebe eine Seeligkeit, und der feſte Wille da
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0188"n="182"/>
herabſinken mochte, ſo bleibt doch immer in<lb/>
ihm ein Grundbeſtandtheil, in dem Wahrheit<lb/>
iſt, und der ein Leben, das nur wirkliches und<lb/>ſelbſtſtaͤndiges Leben iſt, ſicher anregt; die<lb/>
Frage: was ſollen wir thun, damit wir ſeelig<lb/>
werden. War dieſe Frage auf einen erſtorbe¬<lb/>
nen Boden gefallen, wo es entweder uͤberhaupt<lb/>
an ſeinen Ort geſtellt blieb, ob wohl ſo etwas,<lb/>
wie Seeligkeit im Ernſte moͤglich ſey, oder,<lb/>
wenn auch das erſte angenommen worden<lb/>
waͤre, dennoch gar kein feſter und entſchiedener<lb/>
Wille, ſelbſt auch ſeelig zu werden, vorhanden<lb/>
war, ſo hatte auf dieſen, Boden die Religion<lb/>
gleich anfangs nicht eingegriffen in Leben, und<lb/>
Willen, ſondern ſie war nur als ein ſchwan¬<lb/>
kender und blaſſer Schatten im Gedaͤchtniſſe,<lb/>
und in der Einbildungskraft behangen geblie¬<lb/>
ben; und ſo mußten natuͤrlich auch alle fernere<lb/>
Aufklaͤrungen uͤber den Zuſtand der vorhande¬<lb/>
nen Religionsbegriffe gleichfalls ohne Einfluß<lb/>
auf das Leben bleiben. War hingegen jene<lb/>
Frage in einen urſpruͤnglich lebendigen Boden<lb/>
gefallen, ſo daß im Ernſte geglaubt wurde, es<lb/>
gebe eine Seeligkeit, und der feſte Wille da<lb/></p></div></body></text></TEI>
[182/0188]
herabſinken mochte, ſo bleibt doch immer in
ihm ein Grundbeſtandtheil, in dem Wahrheit
iſt, und der ein Leben, das nur wirkliches und
ſelbſtſtaͤndiges Leben iſt, ſicher anregt; die
Frage: was ſollen wir thun, damit wir ſeelig
werden. War dieſe Frage auf einen erſtorbe¬
nen Boden gefallen, wo es entweder uͤberhaupt
an ſeinen Ort geſtellt blieb, ob wohl ſo etwas,
wie Seeligkeit im Ernſte moͤglich ſey, oder,
wenn auch das erſte angenommen worden
waͤre, dennoch gar kein feſter und entſchiedener
Wille, ſelbſt auch ſeelig zu werden, vorhanden
war, ſo hatte auf dieſen, Boden die Religion
gleich anfangs nicht eingegriffen in Leben, und
Willen, ſondern ſie war nur als ein ſchwan¬
kender und blaſſer Schatten im Gedaͤchtniſſe,
und in der Einbildungskraft behangen geblie¬
ben; und ſo mußten natuͤrlich auch alle fernere
Aufklaͤrungen uͤber den Zuſtand der vorhande¬
nen Religionsbegriffe gleichfalls ohne Einfluß
auf das Leben bleiben. War hingegen jene
Frage in einen urſpruͤnglich lebendigen Boden
gefallen, ſo daß im Ernſte geglaubt wurde, es
gebe eine Seeligkeit, und der feſte Wille da
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/188>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.