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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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Geschichte vom Auslande aus an uns gekom¬
men ist, wiewohl sie dermalen auch in diesem
verhallet, und fast ausschließend deutsches
Eigenthum geworden ist. Aus dieser tiefern
Verwandschaft erfolgt es denn auch, daß diese
unsre Geschichtsphilosophie die Bestrebungen
des Auslandes, welches, wenn es auch diese
Ansicht der Geschichte nicht mehr häufig aus¬
spricht, noch mehr thut, indem es in derselben
handelt, und abermals ein goldnes Zeitalter
verfertigt, so durch und durch zu verstehen, und
ihnen sogar weissagend den fernern Weg vor¬
zuzeichnen, und sie so aufrichtig zu bewundern
vermag, wie es der deutsch denkende nicht eben
also von sich rühmen kann. Wie könnte er
auch? Goldene Zeitalter in jeder Rüksicht sind
ihm eine Beschränktheit der Erstorbenheit.
Das Gold möge zwar das edelste seyn im
Schooße der erstorbenen Erde, meint er, aber
des lebendigen Geistes Stoff sey jenseit der
Sonne, und jenseit aller Sonnen, und sey
ihre Quelle. Ihm wikelt sich die Geschichte,
und mit ihr das Menschengeschlecht, nicht ab
nach dem verborgenen und wunderlichen Ge¬
setze eines Kreistanzes, sondern nach ihm macht
der eigentliche und rechte Mensch sie selbst, nicht

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Geſchichte vom Auslande aus an uns gekom¬
men iſt, wiewohl ſie dermalen auch in dieſem
verhallet, und faſt ausſchließend deutſches
Eigenthum geworden iſt. Aus dieſer tiefern
Verwandſchaft erfolgt es denn auch, daß dieſe
unſre Geſchichtsphiloſophie die Beſtrebungen
des Auslandes, welches, wenn es auch dieſe
Anſicht der Geſchichte nicht mehr haͤufig aus¬
ſpricht, noch mehr thut, indem es in derſelben
handelt, und abermals ein goldnes Zeitalter
verfertigt, ſo durch und durch zu verſtehen, und
ihnen ſogar weiſſagend den fernern Weg vor¬
zuzeichnen, und ſie ſo aufrichtig zu bewundern
vermag, wie es der deutſch denkende nicht eben
alſo von ſich ruͤhmen kann. Wie koͤnnte er
auch? Goldene Zeitalter in jeder Ruͤkſicht ſind
ihm eine Beſchraͤnktheit der Erſtorbenheit.
Das Gold moͤge zwar das edelſte ſeyn im
Schooße der erſtorbenen Erde, meint er, aber
des lebendigen Geiſtes Stoff ſey jenſeit der
Sonne, und jenſeit aller Sonnen, und ſey
ihre Quelle. Ihm wikelt ſich die Geſchichte,
und mit ihr das Menſchengeſchlecht, nicht ab
nach dem verborgenen und wunderlichen Ge¬
ſetze eines Kreistanzes, ſondern nach ihm macht
der eigentliche und rechte Menſch ſie ſelbſt, nicht

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[225/0231] Geſchichte vom Auslande aus an uns gekom¬ men iſt, wiewohl ſie dermalen auch in dieſem verhallet, und faſt ausſchließend deutſches Eigenthum geworden iſt. Aus dieſer tiefern Verwandſchaft erfolgt es denn auch, daß dieſe unſre Geſchichtsphiloſophie die Beſtrebungen des Auslandes, welches, wenn es auch dieſe Anſicht der Geſchichte nicht mehr haͤufig aus¬ ſpricht, noch mehr thut, indem es in derſelben handelt, und abermals ein goldnes Zeitalter verfertigt, ſo durch und durch zu verſtehen, und ihnen ſogar weiſſagend den fernern Weg vor¬ zuzeichnen, und ſie ſo aufrichtig zu bewundern vermag, wie es der deutſch denkende nicht eben alſo von ſich ruͤhmen kann. Wie koͤnnte er auch? Goldene Zeitalter in jeder Ruͤkſicht ſind ihm eine Beſchraͤnktheit der Erſtorbenheit. Das Gold moͤge zwar das edelſte ſeyn im Schooße der erſtorbenen Erde, meint er, aber des lebendigen Geiſtes Stoff ſey jenſeit der Sonne, und jenſeit aller Sonnen, und ſey ihre Quelle. Ihm wikelt ſich die Geſchichte, und mit ihr das Menſchengeſchlecht, nicht ab nach dem verborgenen und wunderlichen Ge¬ ſetze eines Kreistanzes, ſondern nach ihm macht der eigentliche und rechte Menſch ſie ſelbſt, nicht P

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/231>, abgerufen am 21.11.2024.