Sicherheit ihrer wichtigsten Angelegenheit rech¬ nen. Wie nur noch bei den Griechen in der alten Zeit, war bei ihnen der Staat und die Nation sogar von einander gesondert, und jedes für sich dargestellt, der erste in den be¬ sondern deutschen Reichen, und Fürstenthü¬ mern, die lezte sichtbar im Reichsverbande, unsichtbar, nicht zufolge eines niedergeschrie¬ benen aber eines in aller Gemüther lebenden Rechtes geltend, und in ihren Folgen allent¬ halben in das Auge springend, in einer Menge von Gewohnheiten, und Einrichtungen. So weit die deutsche Zunge reichte, konnte jeder, dem im Bezirke derselben das Licht anbrach, sich doppelt betrachten als Bürger, theils sei¬ nes Geburtsstaates, dessen Fürsorge er zunächst empfohlen war, theils des ganzen gemeinsa¬ men Vaterlandes Deutscher Nation. Jedem war es verstattet, über die ganze Oberfläche dieses Vaterlandes hin sich diejenige Bildung, die am meisten Verwandschaft zu seinem Geiste hatte, oder den demselben angemessensten Wir¬ kungskreis aufzusuchen, und das Talent wuchs nicht hinein in seine Stelle, wie ein Baum
S
Sicherheit ihrer wichtigſten Angelegenheit rech¬ nen. Wie nur noch bei den Griechen in der alten Zeit, war bei ihnen der Staat und die Nation ſogar von einander geſondert, und jedes fuͤr ſich dargeſtellt, der erſte in den be¬ ſondern deutſchen Reichen, und Fuͤrſtenthuͤ¬ mern, die lezte ſichtbar im Reichsverbande, unſichtbar, nicht zufolge eines niedergeſchrie¬ benen aber eines in aller Gemuͤther lebenden Rechtes geltend, und in ihren Folgen allent¬ halben in das Auge ſpringend, in einer Menge von Gewohnheiten, und Einrichtungen. So weit die deutſche Zunge reichte, konnte jeder, dem im Bezirke derſelben das Licht anbrach, ſich doppelt betrachten als Buͤrger, theils ſei¬ nes Geburtsſtaates, deſſen Fuͤrſorge er zunaͤchſt empfohlen war, theils des ganzen gemeinſa¬ men Vaterlandes Deutſcher Nation. Jedem war es verſtattet, uͤber die ganze Oberflaͤche dieſes Vaterlandes hin ſich diejenige Bildung, die am meiſten Verwandſchaft zu ſeinem Geiſte hatte, oder den demſelben angemeſſenſten Wir¬ kungskreis aufzuſuchen, und das Talent wuchs nicht hinein in ſeine Stelle, wie ein Baum
S
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0279"n="273"/>
Sicherheit ihrer wichtigſten Angelegenheit rech¬<lb/>
nen. Wie nur noch bei den Griechen in der<lb/>
alten Zeit, war bei ihnen der Staat und die<lb/>
Nation ſogar von einander geſondert, und<lb/>
jedes fuͤr ſich dargeſtellt, der erſte in den be¬<lb/>ſondern deutſchen Reichen, und Fuͤrſtenthuͤ¬<lb/>
mern, die lezte ſichtbar im Reichsverbande,<lb/>
unſichtbar, nicht zufolge eines niedergeſchrie¬<lb/>
benen aber eines in aller Gemuͤther lebenden<lb/>
Rechtes geltend, und in ihren Folgen allent¬<lb/>
halben in das Auge ſpringend, in einer Menge<lb/>
von Gewohnheiten, und Einrichtungen. So<lb/>
weit die deutſche Zunge reichte, konnte jeder,<lb/>
dem im Bezirke derſelben das Licht anbrach,<lb/>ſich doppelt betrachten als Buͤrger, theils ſei¬<lb/>
nes Geburtsſtaates, deſſen Fuͤrſorge er zunaͤchſt<lb/>
empfohlen war, theils des ganzen gemeinſa¬<lb/>
men Vaterlandes Deutſcher Nation. Jedem<lb/>
war es verſtattet, uͤber die ganze Oberflaͤche<lb/>
dieſes Vaterlandes hin ſich diejenige Bildung,<lb/>
die am meiſten Verwandſchaft zu ſeinem Geiſte<lb/>
hatte, oder den demſelben angemeſſenſten Wir¬<lb/>
kungskreis aufzuſuchen, und das Talent wuchs<lb/>
nicht hinein in ſeine Stelle, wie ein Baum<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[273/0279]
Sicherheit ihrer wichtigſten Angelegenheit rech¬
nen. Wie nur noch bei den Griechen in der
alten Zeit, war bei ihnen der Staat und die
Nation ſogar von einander geſondert, und
jedes fuͤr ſich dargeſtellt, der erſte in den be¬
ſondern deutſchen Reichen, und Fuͤrſtenthuͤ¬
mern, die lezte ſichtbar im Reichsverbande,
unſichtbar, nicht zufolge eines niedergeſchrie¬
benen aber eines in aller Gemuͤther lebenden
Rechtes geltend, und in ihren Folgen allent¬
halben in das Auge ſpringend, in einer Menge
von Gewohnheiten, und Einrichtungen. So
weit die deutſche Zunge reichte, konnte jeder,
dem im Bezirke derſelben das Licht anbrach,
ſich doppelt betrachten als Buͤrger, theils ſei¬
nes Geburtsſtaates, deſſen Fuͤrſorge er zunaͤchſt
empfohlen war, theils des ganzen gemeinſa¬
men Vaterlandes Deutſcher Nation. Jedem
war es verſtattet, uͤber die ganze Oberflaͤche
dieſes Vaterlandes hin ſich diejenige Bildung,
die am meiſten Verwandſchaft zu ſeinem Geiſte
hatte, oder den demſelben angemeſſenſten Wir¬
kungskreis aufzuſuchen, und das Talent wuchs
nicht hinein in ſeine Stelle, wie ein Baum
S
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/279>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.