gehenden Aufforderung zur That; sondern sol¬ che, die selbst über diesen gerechten Schmerz zu klarer Besonnenheit und Betrachtung sich schon erhoben haben, oder wenigstens fähig sind, sich dazu zu erheben. Ich kenne jenen Schmerz, ich habe ihn gefühlt wie einer, ich ehre ihn; die Dumpfheit, welche zufrieden ist, wenn sie Speise und Trank findet, und kein körperlicher Schmerz ihr zugefügt wird, und für welche Ehre, Freiheit, Selbstständigkeit leere Namen sind, ist seiner unfähig: aber auch er ist lediglich dazu da, um zu Besinnung, Entschluß und That uns anzuspornen; dieses Endzweks verfehlend, beraubt er uns der Be¬ sinnung, und aller uns noch übrig gebliebenen Kräfte, und vollendet so unser Elend; indem er noch überdies, als Zeugniß von unsrer Träg¬ heit und Feigheit, den sichtbaren Beweis giebt, daß wir unser Elend verdienen. Keinesweges aber gedenke ich Sie zu erheben über diesen Schmerz, durch Vertröstungen auf eine Hülfe, die von außen her kommen solle, und durch Verweisungen auf allerlei mögliche Ereignisse, und Veränderungen, die etwa die Zeit herbei¬
gehenden Aufforderung zur That; ſondern ſol¬ che, die ſelbſt uͤber dieſen gerechten Schmerz zu klarer Beſonnenheit und Betrachtung ſich ſchon erhoben haben, oder wenigſtens faͤhig ſind, ſich dazu zu erheben. Ich kenne jenen Schmerz, ich habe ihn gefuͤhlt wie einer, ich ehre ihn; die Dumpfheit, welche zufrieden iſt, wenn ſie Speiſe und Trank findet, und kein koͤrperlicher Schmerz ihr zugefuͤgt wird, und fuͤr welche Ehre, Freiheit, Selbſtſtaͤndigkeit leere Namen ſind, iſt ſeiner unfaͤhig: aber auch er iſt lediglich dazu da, um zu Beſinnung, Entſchluß und That uns anzuſpornen; dieſes Endzweks verfehlend, beraubt er uns der Be¬ ſinnung, und aller uns noch uͤbrig gebliebenen Kraͤfte, und vollendet ſo unſer Elend; indem er noch uͤberdies, als Zeugniß von unſrer Traͤg¬ heit und Feigheit, den ſichtbaren Beweis giebt, daß wir unſer Elend verdienen. Keinesweges aber gedenke ich Sie zu erheben uͤber dieſen Schmerz, durch Vertroͤſtungen auf eine Huͤlfe, die von außen her kommen ſolle, und durch Verweiſungen auf allerlei moͤgliche Ereigniſſe, und Veraͤnderungen, die etwa die Zeit herbei¬
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[22/0028]
gehenden Aufforderung zur That; ſondern ſol¬
che, die ſelbſt uͤber dieſen gerechten Schmerz
zu klarer Beſonnenheit und Betrachtung ſich
ſchon erhoben haben, oder wenigſtens faͤhig
ſind, ſich dazu zu erheben. Ich kenne jenen
Schmerz, ich habe ihn gefuͤhlt wie einer, ich
ehre ihn; die Dumpfheit, welche zufrieden iſt,
wenn ſie Speiſe und Trank findet, und kein
koͤrperlicher Schmerz ihr zugefuͤgt wird, und
fuͤr welche Ehre, Freiheit, Selbſtſtaͤndigkeit
leere Namen ſind, iſt ſeiner unfaͤhig: aber auch
er iſt lediglich dazu da, um zu Beſinnung,
Entſchluß und That uns anzuſpornen; dieſes
Endzweks verfehlend, beraubt er uns der Be¬
ſinnung, und aller uns noch uͤbrig gebliebenen
Kraͤfte, und vollendet ſo unſer Elend; indem
er noch uͤberdies, als Zeugniß von unſrer Traͤg¬
heit und Feigheit, den ſichtbaren Beweis giebt,
daß wir unſer Elend verdienen. Keinesweges
aber gedenke ich Sie zu erheben uͤber dieſen
Schmerz, durch Vertroͤſtungen auf eine Huͤlfe,
die von außen her kommen ſolle, und durch
Verweiſungen auf allerlei moͤgliche Ereigniſſe,
und Veraͤnderungen, die etwa die Zeit herbei¬
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/28>, abgerufen am 23.11.2024.
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