Gemüths in eine andere kommen sollte, was würde sodann nothwendig erfolgen müssen?
Hier ist der Ort, wo es der in unsrer ersten Rede in Anspruch genommenen Geneigtheit, sich über die eignen Angelegenheiten nicht täu¬ schen zu wollen, und des Muthes, die Wahr¬ heit sehen zu wollen, und sie sich zu gestehen, vorzüglich bedarf; auch ist es, so viel mir be¬ kannt, noch immer erlaubt, in deutscher Sprache mit einander vom Vaterlande zu re¬ den, wenigstens zu seufzen, und wir würden, glaube ich, nicht wohl thun, wenn wir aus unsrer eignen Mitte heraus ein solches Verbot verfrühten, und dem Muthe, der ohne Zwei¬ fel über das Wagniß schon vorher mit sich zu Rathe gegangen seyn wird, die Fessel der Zag¬ haftigkeit Einzelner anlegen wollten.
Mahlen Sie sich also die vorausgesezte neue Gewalt so gütig, und so wohlwollend vor, als Sie irgend wollen, machen Sie sie gut, wie Gott; werden Sie ihr auch göttlichen Ver¬ stand einsetzen können? Mag sie alles Ernstes das höchste Glück und Wohlsein aller wollen, wird das höchste Wohlseyn, das sie zu fassen
Gemuͤths in eine andere kommen ſollte, was wuͤrde ſodann nothwendig erfolgen muͤſſen?
Hier iſt der Ort, wo es der in unſrer erſten Rede in Anſpruch genommenen Geneigtheit, ſich uͤber die eignen Angelegenheiten nicht taͤu¬ ſchen zu wollen, und des Muthes, die Wahr¬ heit ſehen zu wollen, und ſie ſich zu geſtehen, vorzuͤglich bedarf; auch iſt es, ſo viel mir be¬ kannt, noch immer erlaubt, in deutſcher Sprache mit einander vom Vaterlande zu re¬ den, wenigſtens zu ſeufzen, und wir wuͤrden, glaube ich, nicht wohl thun, wenn wir aus unſrer eignen Mitte heraus ein ſolches Verbot verfruͤhten, und dem Muthe, der ohne Zwei¬ fel uͤber das Wagniß ſchon vorher mit ſich zu Rathe gegangen ſeyn wird, die Feſſel der Zag¬ haftigkeit Einzelner anlegen wollten.
Mahlen Sie ſich alſo die vorausgeſezte neue Gewalt ſo guͤtig, und ſo wohlwollend vor, als Sie irgend wollen, machen Sie ſie gut, wie Gott; werden Sie ihr auch goͤttlichen Ver¬ ſtand einſetzen koͤnnen? Mag ſie alles Ernſtes das hoͤchſte Gluͤck und Wohlſein aller wollen, wird das hoͤchſte Wohlſeyn, das ſie zu faſſen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0282"n="276"/>
Gemuͤths in eine andere kommen ſollte, was<lb/>
wuͤrde ſodann nothwendig erfolgen muͤſſen?</p><lb/><p>Hier iſt der Ort, wo es der in unſrer erſten<lb/>
Rede in Anſpruch genommenen Geneigtheit,<lb/>ſich uͤber die eignen Angelegenheiten nicht taͤu¬<lb/>ſchen zu wollen, und des Muthes, die Wahr¬<lb/>
heit ſehen zu wollen, und ſie ſich zu geſtehen,<lb/>
vorzuͤglich bedarf; auch iſt es, ſo viel mir be¬<lb/>
kannt, noch immer erlaubt, in deutſcher<lb/>
Sprache mit einander vom Vaterlande zu re¬<lb/>
den, wenigſtens zu ſeufzen, und wir wuͤrden,<lb/>
glaube ich, nicht wohl thun, wenn wir aus<lb/>
unſrer eignen Mitte heraus ein ſolches Verbot<lb/>
verfruͤhten, und dem Muthe, der ohne Zwei¬<lb/>
fel uͤber das Wagniß ſchon vorher mit ſich zu<lb/>
Rathe gegangen ſeyn wird, die Feſſel der Zag¬<lb/>
haftigkeit Einzelner anlegen wollten.</p><lb/><p>Mahlen Sie ſich alſo die vorausgeſezte<lb/>
neue Gewalt ſo guͤtig, und ſo wohlwollend vor,<lb/>
als Sie irgend wollen, machen Sie ſie gut,<lb/>
wie Gott; werden Sie ihr auch goͤttlichen Ver¬<lb/>ſtand einſetzen koͤnnen? Mag ſie alles Ernſtes<lb/>
das hoͤchſte Gluͤck und Wohlſein aller wollen,<lb/>
wird das hoͤchſte Wohlſeyn, das ſie zu faſſen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[276/0282]
Gemuͤths in eine andere kommen ſollte, was
wuͤrde ſodann nothwendig erfolgen muͤſſen?
Hier iſt der Ort, wo es der in unſrer erſten
Rede in Anſpruch genommenen Geneigtheit,
ſich uͤber die eignen Angelegenheiten nicht taͤu¬
ſchen zu wollen, und des Muthes, die Wahr¬
heit ſehen zu wollen, und ſie ſich zu geſtehen,
vorzuͤglich bedarf; auch iſt es, ſo viel mir be¬
kannt, noch immer erlaubt, in deutſcher
Sprache mit einander vom Vaterlande zu re¬
den, wenigſtens zu ſeufzen, und wir wuͤrden,
glaube ich, nicht wohl thun, wenn wir aus
unſrer eignen Mitte heraus ein ſolches Verbot
verfruͤhten, und dem Muthe, der ohne Zwei¬
fel uͤber das Wagniß ſchon vorher mit ſich zu
Rathe gegangen ſeyn wird, die Feſſel der Zag¬
haftigkeit Einzelner anlegen wollten.
Mahlen Sie ſich alſo die vorausgeſezte
neue Gewalt ſo guͤtig, und ſo wohlwollend vor,
als Sie irgend wollen, machen Sie ſie gut,
wie Gott; werden Sie ihr auch goͤttlichen Ver¬
ſtand einſetzen koͤnnen? Mag ſie alles Ernſtes
das hoͤchſte Gluͤck und Wohlſein aller wollen,
wird das hoͤchſte Wohlſeyn, das ſie zu faſſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/282>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.