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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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gen und Versuchen, hier und da, auch wohl
das Vermögen von wohlgesinnten Privatper¬
sonen hinreichen würde. Nun ist allerdings
nicht zu erwarten, daß die Eltern allgemein
willig seyn werden, sich von ihren Kindern zu
trennen, und sie dieser neuen Erziehung, von
der es schwer seyn wird ihnen einen Begriff
beizubringen, zu überlassen; sondern es ist
nach der bisherigen Erfahrung darauf zu rech¬
nen, daß jeder, der noch etwa das Vermögen
zu haben glaubt, seine Kinder im Hause zu
nähren, gegen die öffentliche Erziehung, und
besonders gegen eine so scharf trennende, und so
lange dauernde öffentliche Erziehung, sich setzen
wird. In solchen Fällen ist man nun, bei zu
erwartender Widersezlichkeit, von den Staats¬
männern bisher gewohnt, daß sie den Vor¬
schlag mit der Antwort abweisen: der Staat
habe nicht das Recht, für diesen Zwek Zwang
anzuwenden. Indem sie nun warten wollen,
bis die Menschen im allgemeinen den guten
Willen haben, ohne Erziehung aber es niemals
zu allgemeinem guten Willen kommen kann,
so sind sie dadurch gegen alle Verbesserung ge¬

gen und Verſuchen, hier und da, auch wohl
das Vermoͤgen von wohlgeſinnten Privatper¬
ſonen hinreichen wuͤrde. Nun iſt allerdings
nicht zu erwarten, daß die Eltern allgemein
willig ſeyn werden, ſich von ihren Kindern zu
trennen, und ſie dieſer neuen Erziehung, von
der es ſchwer ſeyn wird ihnen einen Begriff
beizubringen, zu uͤberlaſſen; ſondern es iſt
nach der bisherigen Erfahrung darauf zu rech¬
nen, daß jeder, der noch etwa das Vermoͤgen
zu haben glaubt, ſeine Kinder im Hauſe zu
naͤhren, gegen die oͤffentliche Erziehung, und
beſonders gegen eine ſo ſcharf trennende, und ſo
lange dauernde oͤffentliche Erziehung, ſich ſetzen
wird. In ſolchen Faͤllen iſt man nun, bei zu
erwartender Widerſezlichkeit, von den Staats¬
maͤnnern bisher gewohnt, daß ſie den Vor¬
ſchlag mit der Antwort abweiſen: der Staat
habe nicht das Recht, fuͤr dieſen Zwek Zwang
anzuwenden. Indem ſie nun warten wollen,
bis die Menſchen im allgemeinen den guten
Willen haben, ohne Erziehung aber es niemals
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[358/0364] gen und Verſuchen, hier und da, auch wohl das Vermoͤgen von wohlgeſinnten Privatper¬ ſonen hinreichen wuͤrde. Nun iſt allerdings nicht zu erwarten, daß die Eltern allgemein willig ſeyn werden, ſich von ihren Kindern zu trennen, und ſie dieſer neuen Erziehung, von der es ſchwer ſeyn wird ihnen einen Begriff beizubringen, zu uͤberlaſſen; ſondern es iſt nach der bisherigen Erfahrung darauf zu rech¬ nen, daß jeder, der noch etwa das Vermoͤgen zu haben glaubt, ſeine Kinder im Hauſe zu naͤhren, gegen die oͤffentliche Erziehung, und beſonders gegen eine ſo ſcharf trennende, und ſo lange dauernde oͤffentliche Erziehung, ſich ſetzen wird. In ſolchen Faͤllen iſt man nun, bei zu erwartender Widerſezlichkeit, von den Staats¬ maͤnnern bisher gewohnt, daß ſie den Vor¬ ſchlag mit der Antwort abweiſen: der Staat habe nicht das Recht, fuͤr dieſen Zwek Zwang anzuwenden. Indem ſie nun warten wollen, bis die Menſchen im allgemeinen den guten Willen haben, ohne Erziehung aber es niemals zu allgemeinem guten Willen kommen kann, ſo ſind ſie dadurch gegen alle Verbeſſerung ge¬

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/364>, abgerufen am 24.11.2024.