Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

stimmten, solche aber, die von der vaterlän¬
dischen Parthey seyen, nicht nahmhaft zu
machen weiß; so waren die Deutschen schon
längst nur für irgend eine fremde Parthey,
und man traf selten auf einen, der die Partey
der Deutschen gehalten, und gemeint hätte,
daß dieses Land sich mit sich selbst verbünden
sollte.

Dies also ist der wahre Ursprung und die
Bedeutung, dies der Erfolg für Deutschland und
für die Welt von dem berüchtigten Lehrgebäude
eines künstlich zu erhaltenden Gleichgewichts
der Macht unter den Europäischen Staaten.
Wäre das christliche Europa Eins geblieben,
wie es sollte, und wie es ursprünglich war, so
hätte man nie Veranlassung gehabt, einen sol¬
chen Gedanken zu erzeugen; das Eine ruht
auf sich selbst, und trägt sich selbst, und
zertheilt sich nicht in streitende Kräfte, die
mit einander in ein Gleichgewicht gebracht
werden müßten; nur für das unrechtlich
gewordene, und zertheilte Europa erhielt
jener Gedanke eine nothdürftige Bedeutung.
Zu diesem unrechtlich gewordenen, und zer¬

D d

ſtimmten, ſolche aber, die von der vaterlaͤn¬
diſchen Parthey ſeyen, nicht nahmhaft zu
machen weiß; ſo waren die Deutſchen ſchon
laͤngſt nur fuͤr irgend eine fremde Parthey,
und man traf ſelten auf einen, der die Partey
der Deutſchen gehalten, und gemeint haͤtte,
daß dieſes Land ſich mit ſich ſelbſt verbuͤnden
ſollte.

Dies alſo iſt der wahre Urſprung und die
Bedeutung, dies der Erfolg fuͤr Deutſchland und
fuͤr die Welt von dem beruͤchtigten Lehrgebaͤude
eines kuͤnſtlich zu erhaltenden Gleichgewichts
der Macht unter den Europaͤiſchen Staaten.
Waͤre das chriſtliche Europa Eins geblieben,
wie es ſollte, und wie es urſpruͤnglich war, ſo
haͤtte man nie Veranlaſſung gehabt, einen ſol¬
chen Gedanken zu erzeugen; das Eine ruht
auf ſich ſelbſt, und traͤgt ſich ſelbſt, und
zertheilt ſich nicht in ſtreitende Kraͤfte, die
mit einander in ein Gleichgewicht gebracht
werden muͤßten; nur fuͤr das unrechtlich
gewordene, und zertheilte Europa erhielt
jener Gedanke eine nothduͤrftige Bedeutung.
Zu dieſem unrechtlich gewordenen, und zer¬

D d
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0423" n="417"/>
&#x017F;timmten, &#x017F;olche aber, die von der vaterla&#x0364;<lb/>
di&#x017F;chen Parthey &#x017F;eyen, nicht nahmhaft zu<lb/>
machen weiß; &#x017F;o waren die Deut&#x017F;chen &#x017F;chon<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t nur fu&#x0364;r irgend eine fremde Parthey,<lb/>
und man traf &#x017F;elten auf einen, der die Partey<lb/>
der Deut&#x017F;chen gehalten, und gemeint ha&#x0364;tte,<lb/>
daß die&#x017F;es Land &#x017F;ich mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verbu&#x0364;nden<lb/>
&#x017F;ollte.</p><lb/>
        <p>Dies al&#x017F;o i&#x017F;t der wahre Ur&#x017F;prung und die<lb/>
Bedeutung, dies der Erfolg fu&#x0364;r Deut&#x017F;chland und<lb/>
fu&#x0364;r die Welt von dem beru&#x0364;chtigten Lehrgeba&#x0364;ude<lb/>
eines ku&#x0364;n&#x017F;tlich zu erhaltenden Gleichgewichts<lb/>
der Macht unter den Europa&#x0364;i&#x017F;chen Staaten.<lb/>
Wa&#x0364;re das chri&#x017F;tliche Europa Eins geblieben,<lb/>
wie es &#x017F;ollte, und wie es ur&#x017F;pru&#x0364;nglich war, &#x017F;o<lb/>
ha&#x0364;tte man nie Veranla&#x017F;&#x017F;ung gehabt, einen &#x017F;ol¬<lb/>
chen Gedanken zu erzeugen; das Eine ruht<lb/>
auf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und tra&#x0364;gt &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und<lb/>
zertheilt &#x017F;ich nicht in &#x017F;treitende Kra&#x0364;fte, die<lb/>
mit einander in ein Gleichgewicht gebracht<lb/>
werden mu&#x0364;ßten; nur fu&#x0364;r das unrechtlich<lb/>
gewordene, und zertheilte Europa erhielt<lb/>
jener Gedanke eine nothdu&#x0364;rftige Bedeutung.<lb/>
Zu die&#x017F;em unrechtlich gewordenen, und zer¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[417/0423] ſtimmten, ſolche aber, die von der vaterlaͤn¬ diſchen Parthey ſeyen, nicht nahmhaft zu machen weiß; ſo waren die Deutſchen ſchon laͤngſt nur fuͤr irgend eine fremde Parthey, und man traf ſelten auf einen, der die Partey der Deutſchen gehalten, und gemeint haͤtte, daß dieſes Land ſich mit ſich ſelbſt verbuͤnden ſollte. Dies alſo iſt der wahre Urſprung und die Bedeutung, dies der Erfolg fuͤr Deutſchland und fuͤr die Welt von dem beruͤchtigten Lehrgebaͤude eines kuͤnſtlich zu erhaltenden Gleichgewichts der Macht unter den Europaͤiſchen Staaten. Waͤre das chriſtliche Europa Eins geblieben, wie es ſollte, und wie es urſpruͤnglich war, ſo haͤtte man nie Veranlaſſung gehabt, einen ſol¬ chen Gedanken zu erzeugen; das Eine ruht auf ſich ſelbſt, und traͤgt ſich ſelbſt, und zertheilt ſich nicht in ſtreitende Kraͤfte, die mit einander in ein Gleichgewicht gebracht werden muͤßten; nur fuͤr das unrechtlich gewordene, und zertheilte Europa erhielt jener Gedanke eine nothduͤrftige Bedeutung. Zu dieſem unrechtlich gewordenen, und zer¬ D d

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/423
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/423>, abgerufen am 22.11.2024.