überhoben, es wird keine Verbesserung erfol¬ gen, sondern Verschlimmerung auf Verschlim¬ merung, so daß ihr noch manche Freude erle¬ ben könnt.
Man wolle nicht glauben, daß ich das Al¬ ter als Alter verachte, und herabsetze. Wird nur durch Freiheit die Quelle des ursprüngli¬ chen Lebens und seiner Fortbewegung aufge¬ nommen in das Leben, so wächst die Klarheit, und mit ihr die Kraft, so lange das Leben dau¬ ert. Ein solches Leben lebt sich besser, die Schlacken der irdischen Abkunft fallen immer mehr ab, und es veredelt sich herauf zum ewi¬ gen Leben, und blüht ihm entgegen. Die Er¬ fahrung eines solchen Alters söhnt nicht aus mit dem Bösen, sondern sie macht nur die Mittel klarer, und die Kunst gewandter, um dasselbe siegreich zu bekämpfen. Die Ver¬ schlimmerung durch zunehmendes Alter ist le¬ diglich die Schuld unsrer Zeit, und allenthal¬ ben, wo die Gesellschaft sehr verdorben ist, muß dasselbe erfolgen. Nicht die Natur ist es, die uns verdirbt, diese erzeugt uns in Unschuld, die Gesellschaft ists. Wer nun
uͤberhoben, es wird keine Verbeſſerung erfol¬ gen, ſondern Verſchlimmerung auf Verſchlim¬ merung, ſo daß ihr noch manche Freude erle¬ ben koͤnnt.
Man wolle nicht glauben, daß ich das Al¬ ter als Alter verachte, und herabſetze. Wird nur durch Freiheit die Quelle des urſpruͤngli¬ chen Lebens und ſeiner Fortbewegung aufge¬ nommen in das Leben, ſo waͤchſt die Klarheit, und mit ihr die Kraft, ſo lange das Leben dau¬ ert. Ein ſolches Leben lebt ſich beſſer, die Schlacken der irdiſchen Abkunft fallen immer mehr ab, und es veredelt ſich herauf zum ewi¬ gen Leben, und bluͤht ihm entgegen. Die Er¬ fahrung eines ſolchen Alters ſoͤhnt nicht aus mit dem Boͤſen, ſondern ſie macht nur die Mittel klarer, und die Kunſt gewandter, um daſſelbe ſiegreich zu bekaͤmpfen. Die Ver¬ ſchlimmerung durch zunehmendes Alter iſt le¬ diglich die Schuld unſrer Zeit, und allenthal¬ ben, wo die Geſellſchaft ſehr verdorben iſt, muß daſſelbe erfolgen. Nicht die Natur iſt es, die uns verdirbt, dieſe erzeugt uns in Unſchuld, die Geſellſchaft iſts. Wer nun
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uͤberhoben, es wird keine Verbeſſerung erfol¬
gen, ſondern Verſchlimmerung auf Verſchlim¬
merung, ſo daß ihr noch manche Freude erle¬
ben koͤnnt.
Man wolle nicht glauben, daß ich das Al¬
ter als Alter verachte, und herabſetze. Wird
nur durch Freiheit die Quelle des urſpruͤngli¬
chen Lebens und ſeiner Fortbewegung aufge¬
nommen in das Leben, ſo waͤchſt die Klarheit,
und mit ihr die Kraft, ſo lange das Leben dau¬
ert. Ein ſolches Leben lebt ſich beſſer, die
Schlacken der irdiſchen Abkunft fallen immer
mehr ab, und es veredelt ſich herauf zum ewi¬
gen Leben, und bluͤht ihm entgegen. Die Er¬
fahrung eines ſolchen Alters ſoͤhnt nicht aus
mit dem Boͤſen, ſondern ſie macht nur die
Mittel klarer, und die Kunſt gewandter, um
daſſelbe ſiegreich zu bekaͤmpfen. Die Ver¬
ſchlimmerung durch zunehmendes Alter iſt le¬
diglich die Schuld unſrer Zeit, und allenthal¬
ben, wo die Geſellſchaft ſehr verdorben iſt,
muß daſſelbe erfolgen. Nicht die Natur iſt
es, die uns verdirbt, dieſe erzeugt uns
in Unſchuld, die Geſellſchaft iſts. Wer nun
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/477>, abgerufen am 24.11.2024.
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